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Aktion 450

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Dieser Tage erfuhr die österreichische Öffentlichkeit von der Gründung einer Aktion 450 in der evangelischen Kirche unseres Landes, deren Bezug auf die Reformation schon durch die charakteristische Zahl — 1517 gilt wegen der Veröffentlichung von 95 Thesen gegen Grundlagen und Praxis des Ablaßwesens durch Martin Luther als Beginn der Reformation — und durch den Zeitpunkt, zu dem sich die Aktion mit einem Aufruf an Theologen und Laien der evangelischen Kirche wandte, offensichtlich ist. Etwa 70 österreichische Theologen und Laien haben bis jetzt ihren Beitritt zur Aktion 450 erklärt.

Nachdem landauf, landab das Reformationsjubiläum in Gemeinden und Bildungswerken, besonderen Festveranstaltungen, Hörfunk- und Fernsehsendungen, Presseartikeln und auch eigenen evangelischen Sonderpublikationen begangen worden ist, nimmt es eigentlich niemanden wunder, wenn aus der Rückbesinnung auf den reformatordsehen Ursprung der Aufruf zum Handeln kommt. Denn immer wieder ist gerade im Ernstnehmen der römisch-katholischen Gesprächsbereitschaft, wie sie so deutlich in Österreich noch nie zuvor allgemein spürbar wurde, das berühmte Wort von der „ständig zu erneuernden Kirche“ (ecclesia semper refor-manda) zitiert worden.

Freiheit und Gehorsam des evangelischen Pfarrers

Der Aufruf der Aktion 450 beginnt mit der Feststellung, daß sich „unsere Kirche in innerer Unsicherheit“ befinde und „ihrem Zeugnis die Klarheit fehlt“. Der Grund für die Bildung der Aktion sei ein Notzustand. Sie habe daher zum Ziel, „das reformatorische Verständnis von Sinn und Auftrag des Predigtamtes, das nur in der freien Verantwortung der Amtsträger wahrgenommen werden kann, in engem Zusammenhang mit der Verantwortlichkeit des mündigen Christen heute zur Anerkennung zu bringen“. Das eigentliche Interesse der Aktion richtet sich aber nur mittelbar auf die Beseitigung jener Unklarheit, sondern in erster Linie auf den Wunsch, daß die evangelische Verkündigung in unserem Lande glaubwürdig werde. Das Mittel, mit der die Aktion ihr Ziel erreichen möchte, ist eine neuerliche, gründliche Diskussion der die Unsicherheit verursachenden Streitfragen in allen Körperschaften der evangelischen

Kirche, vor allem aber in deren Generalsynode.

Die Generalsynode der evangelischen Kirche hatte im April dieses Jahres, wie auch von der Tagespresse gemeldet, eine Grundsatzerklärung an alle Körperschaften und Mitarbeiter der Kirche gerichtet: Der evangelische Pfarrer unterliegt

in Vollziehung seines Auftrages in Verwaltungsangelegenheiten der gesetzmäßigen Weisungsbefugnis seines kirchlichen Vorgesetzten; in Fragen der Seelsorge und der Verkündigung untersteht der evangelische Pfarrer wie auch seine Vorgesetzten dem Gehorsam gegenüber der Heiligen Schrift und den Lehren der Bekenntnisse. Ohne gesetzliche Grundlage kann in diesem Bereich keine Weisung gegeben werden,

deren Durchsetzung disziplinar erzwungen werden könnte. Die Generalsynode hatte nun an dieser Stelle eine Einschränkung bei der Ausübung der Aufsichtspflicht der kirchlichen Vorgesetzten vorgenommen: „Sie werden in gewiß seltenen Fällen vor dem letzten Mittel jedes seelsorglichen Handelns, vor einem

deutlichen ,Ja* oder ,Nein', vor Gebot oder Verbot, nicht haltmachen können.“

Für die Aufhebung eines Beschlusses der Generalsynode

Um das Verständnis dieses Satzes geht im wesentlichen die Auseinandersetzung, weil auf der Synode für den Großteil der Synodalen klar war, daß in einem solchen „seltenen Fall“ ein Verbot auch disziplinar durchgesetzt werden müsse, während Mitglieder der Kirchenleitung, unter Ihnen vor allem Herr Bischof D. G. May, in der nachfolgenden Diskussion erklären, „seelsorgliche Verbote hätten keine rechtsverbindliche Kraft, das heißt, sie ziehen kein Disziplinarverfahren nach sich.“ Schließlich ist die Diskussion dahin gelangt, daß die mit solchen Uber-tretungen seelsorglicher Verbote angeblich normalerweise verbundenen Ordnungswidrigkeiten, also Verletzungen der Kirchengesetze, eine disziplinare Verfolgung nach sich ziehen würden.

Die .Aktion 450 meint in ihrem Aufruf, daß die Formulierung der Generalsynode ein klares Verstand-

nis des evangelischen Predigtamtes und der Mündigkeit des Christen gerade in seiner Bindung an die Heilige Schrift verdunkelt habe. Die Interpretationsdebatte habe die Verwirrung nur noch vergrößert. Daher sieht die Aktion ihren Auftrag im besonderen darin, jenen Beschluß der Generalsynode aufheben zu lassen.

In einer Stellungnahme von Universitätsprofessor Dr. Ernst Wolf, dem evangelischen Systematiker der Universität Tübingen, die der ersten Aussendung der Aktion 450 beigefügt ist und die einzelnen Thesen

der Generalsynode untersucht, wendet sich dieser vor allem gegen die allgemeine Verwendung des Begriffs „kirchlicher Vorgesetzter“. Er schreibt zusammenfassend: „Der Durchschnitt der einschlägigen kirchenrechtlichen Äußerungen läßt deutlich erkennen, daß von einem Vorgesetztenverhältnis im Sinne weltlichen Beamtenrechtes beim Pfarrer trotz Dienstaufsicht nicht die Rede sein kann.“

Unter Hinweis auf den Ausgangspunkt der ganzen Problematik, einen Leserbrief des Wiener systematischen Theologen W. Dantine an „Die Furche“, in dem er von der „prinzipiellen Weisungsungebunden-heit des Pfarrers nach protestantischer Überzeugung“ sprach, erklärte Professor Wolf, daß diese These sachlich insofern völlig richtig ist, „als sie den grundlegenden Unterschied zwischen Pfarrer und Beamten ausdrücken will. Das Ordinations-gelübde bindet an Schrift und Bekenntnis und hält zur Beachtung der kirchlichen Ordnungen an, aber es bindet nicht an autoritative Weisungen kirchlicher .Vorgesetzter' außerhalb der gesetzten Rechtsordnung.“

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