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Hinaus zu den ,Fernen'!

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Die „Fernstehenden“ sind der rote Faden, der alle Neuansätze pastoraler Arbeit in Österreich durchzieht. Sei es der im Frühjahr von der Österreichischen Bischofskonferenz mit Zustimmung aufgenommene Text der Pastoralkommission, sei es Zulehners neues Buch „Wie kommen wir aus der Krise?“ (dort wird die Bezeichnung „Auswahlchristen“ verwendet), oder sei es in Wien das „Symposion Großstadt“ - allgemein wird ein verstärktes Bemühen der Seelsorge um jene wachsende Mehrheit der getauften Katholiken gefordert, die ihre Kontakte mit der Kirche auf wenige Anlässe (etwa Zahlung des Kirchenbeitrages, Taufe, Erstkommunion, Firmung, Hochzeit und Begräbnis - eventuell noch gelegentliche Kirchenbesuche an hohen Fest- und Feiertagen) beschränken.

Wer steht nun wem fern? Die Kirche den Menschen oder die Menschen der Kirche? Die Antwort ist einfach: Beide einander. Die Frage: Warum läßt sich schon weniger leicht beantworten, doch wurden auch hier recht gute Erklärungen gefunden. Die Kirche - als lebendige Gemeinschaft der Gläubigen in der Nachfolge Christi verstanden (ein Idealfall, dem sie wohl selbst noch ein wenig „fern steht“) - spürt jedenfalls, daß zwischen ihr und den „Fernstehenden“ eine gewisse Distanz liegt. Eine klare Trennlinie ist freilich nicht zu ziehen. Auch der regelmäßige Meßbesucher kann ein verkappter „Fernstehender“ sein, der gelegentliche hingegen mehr Beziehung als jener zur katholischen Glaubens- und Sittenlehre besitzen. Daß ethisches Engagement und regelmäßiger Kirchenbesuch keineswegs korrelieren müssen, hat die Zahl der Unterschriften beim Volksbegehren zum Schutz des Lebens deutlich gezeigt.

Distanzen sind dazu da, um überbrückt zu werden. Aber wer soll den ersten Schritt tun? Langsam beginnt sich die Kirche dazu aufzuraffen, nachdem sie bisher - nur scheinbar? -den Standpunkt einnahm, die „Fernstehenden“ hätten sich von ihr entfernt und müßten sich selbst zu ihr zu-riickbemühen, wobei sie unter Umständen mit einem Entgegenkommen auf den letzten Metern rechnen konnten. Man konzentrierte sich - in gründlichem Widerspruch zu einem bekannten Gleichnis - mehr auf die kirchentreuen Schäfchen, statt den immer zahlreicher werdenden Ausreißern nachzugehen. Womit, wohlgemerkt, keiner Nivellierung der religiösen Anforderungen das Wort geredet werden soll - damit holt man keine „Fernstehenden“ in die Kirche zurück! -, sondern einem persönlichen Bemühen um den einzelnen, ohne sachliche Inhalte aufzugeben.

Hier stellt sich gleich die Frage: Wie schaut es mit unseren christlichen Gemeinden aus, insbesondere in den großen Städten? Haben sie - wenn überhaupt vorhanden - missionarischen Charakter oder begnügt man sich damit, im kleinen Kreis untereinander religiöse Fragen zu besprechen, die in Auseinandersetzungen über die Gestaltung des nächsten Kindergottesdienstes gipfeln? Sind sich die Laien ihrer Mitverantwortung bewußt? Der „Auswahlchrist“, der ernsthaft Halt sucht, wird ihn wohl nur in einer gefestigten Gemeinde finden, die nicht nur auf ihn wartet, sondern ihm mit entsprechender Öffentlichkeitsarbeit, mit Pfarrblatt und Wohn-viertelapostolat entgegenkommt. Um an die „Fernstehenden“ heranzukommen, gibt es nur ein wirksames Mittel: Hinaus in die Ferne!

Oft wird der Erfolg ausbleiben. Viele

wollen eben der Kirche nur eine Servicefunktion zugestehen, von der man gelegentlich - besonders auch bei ihnen als „Modeschauen“ geeignet erscheinenden Anlässen (Erstkommunion, Hochzeit) - Gebrauch macht. Manche werden vielleicht zu einem eher passiven, aber regelmäßigeren Kontakt mit der Gemeinde zu bewegen sein, möglicherweise durch solche Kleinigkeiten wie das Glückwunschschreiben an Senioren zu „runden“ Geburtstagen oder den Begrüßungsbrief für neue Pfarrmitglieder, wie sie das Papier der Pastoralkommission anregt. Aber letztlich ist vor allem zu wünschen, daß immer mehr Menschen die Kirche nicht nur als Servicestelle, sondern auch als Gelegenheit zum eigenen Engagement kennen und schätzen lernen.

Gerade hier liegt noch eine große Aufgabe für jene, die in der Kirche Verantwortung tragen: Jene vielen, die nicht nur „betreut“ werden wollen, entsprechend einzusetzen. Gerade die Senioren und die Jungen dürsten oft nach Selbstbestätigung, möchten zeigen, daß sie noch oder schon viel Nützliches für die Gemeinschaft leisten könnten. Auf lebendigem Glauben basierende Tätigkeiten, auch profaner Natur, etwa die Organisation eines Pfarrballes, einer Theateraufführung, einer Sportveranstaltung, können der Gemeinde förderlich sein. Wahrscheinlich sollten im pfarrlichen Leben auch viel mehr Brücken als bisher zwischen den Generationen geschlagen und diverse Hilfsaktionen - Altenbetreuung, Nachbarschaftshilfe, gegenseitiges Babysitten - angeregt werden.

Der personelle Einsatz wird immer wichtiger sein als materielle Möglichkeiten. Das hypermoderne Pfarrheim ist weit weniger ein Garant für ein Aufleben der Pfarrgemeinde als der engagierte, ideenreiche Priester. Auch wenn es alle Kräfte fordert - nicht nur die Priester, auch die Laien werden in Zukunft mehr denn je in der Pastoral zupacken müssen. Christsein darf nie langweilig oder ;zur Routine,werden..

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