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Vom „U-Boot“ zum mutigen Apostel

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Erst vor einigen Tagen tauchte im Gespräch mit der Jugendgruppe einer Wiener Pfarre die Frage auf, wie es denn eigentlich um das Zusammenspiel zwischen dem schulischen Religionsunterricht und der kirchlichen Jugendarbeit in den Pfarren und katholischen Jugendverbänden stehe. Eher dürftig bis schlecht, meinten die jungen Leute.

Der Religionsunterricht sei oft zu wenig anregend und motivierend, um für ein Engagement außerhalb der Schule zu begeistern. Die Religionslehrer hätten nicht selten auch zu wenig Interesse an Aktivitäten über den Rahmen des Unterrichts hinaus. Kämen manchmal nicht einmal in die Pfarre, wenn sie — zwecks gegenseitiger Information — dorthin eingeladen werden.

Freilich komme dazu, daß auch auf Seiten der Pfarren wenig Bereitschaft und Offenheit für Kontakt und Zusammenarbeit mit den Schulen und deren Religionslehrern vorhanden sei. Und schließlich spielten in der Pfarre durchaus aktive Jugendliche in der Schule oft christliche „U-Boote“ und ließen den Religionslehrer ganz schön im Stich. Schon für das ganz simple Einladen von Mitschülern in die Jugendgruppe mangle es einfach an Zivilcourage — aus Angst, ausgelacht und abgestempelt zu werden und sich ein mieses Image einzuhandeln.

Tatsächlich habe ich als Jugendseelsorger auch selbst den Eindruck, daß da viele Chancen nicht genützt werden, die beiden großen Bereiche der kirchlichen Jugendarbeit, Pfarrjugendarbeit und Religionsunterricht, in ein sinnvolles Zueinander zu bringen. Dabei hat es wenig Sinn, sich auf gegenseitige Schuldzuweisungen zurückzuziehen und guten, alten Zeiten nachzuweinen.

Das Religionslehrpersonal etwa wird mittlerweile zu einem überwiegenden Teil von Laien gestellt, die einerseits oft familiär gebunden sind und — vor allem in der Stadt - ganz woanders wohnen, als sie unterrichten.

Die Priester-Religionslehrer „alten Stils“, die außerhalb des Unterrichtes über ausreichend Zeit und Kraft, aber auch über einen geistlichen Ort für die An-siedlung von Schülergruppen und deren Aktivitäten verfügten, sind bedeutend weniger geworden.

Der Priester-Mangel hat zu einer personellen „Umverteilung“ hin zu den Pfarren geführt. Eine Entwicklung, die - auch wenn das aus pfarrpastoraler Sicht schmerzt -neu überdacht werden sollte.

Aber auch von der Pfarrpasto-ral her muß überlegt werden, ob nicht doch wieder die Doppel-Tätigkeit von Priestern und Pastoralassistenten in Pfarre und Schule stärker gefördert werden müßte. Nachdem der Religionsunterricht trotz allem noch einen beachtlichen Teil jener Jugendlichen erreicht, die sonst nicht einmal mehr in die Nähe einer Pfarrgemeinde kommen, wäre hier so manches spätere pastorale Problem mit „getauften Fernstehenden“ vorzeitig abfangbar.

Die kleineren Städte sind bisweilen zu echten Schülerballungszentren geworden, die die Pfarrgemeinden zumeist überfordern. Hier, rund um begabte Persönlichkeiten, Orte schaffen zu wollen, die den Schülern menschlich-geistige Behausung bieten können, wäre eine interessante Herausforderung für eine flexible kirchliche Seelsorgearbeit.

Weiters wäre zu fragen, ob nicht seitens der Pfarren und deren Jugendarbeit die Religionclehrer deutlicher ermuntert und eingeladen werden könnten, ihre Aktivitäten für Schüler in der Standortpfarre anzusiedeln. Dies nicht nur im Sinn einer räumlichen, sondern auch einer geistigen und persönlichen „Beherbergung“.

Warum soll nicht auch wieder in den Pfarrjugendgruppen der Gedanke eines Apostolates unter den Mitschülern, des mutigen Ansprechens und Einladens salonfähig werden können? Das „Komm und sieh!“ würde obendrein so manche schal schmeckende Selbstgenügsamkeit und das ohnedies sprichwörtliche Cliquengehabe nicht weniger Jugendgruppen aufbrechen helfen.

Das Heraustreten der jungen Christen aus dem „U-Boot“-Da-sein ließe zudem auch Rückwirkungen auf das Leben in der Schule erwarten.

Die Brücken zwischen dem schulischen Religionsunterricht und der sonstigen Jugendarbeit der Kirche können weder von Verordnungen noch von Institutionen allein geschlagen werden. Dazu bedarf es zuerst der Phantasie, des Mutes und des Einsatzes aller Beteiligten und Betroffenen.

Der Autor ist Diozesanjugendseelsorger der Erzdiozese Wien.

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