Demokratie in der Kirche

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In der römisch-katholischenKirche gilt "Demokratie" als Reizwort, zumindest als ambivalenter Begriff. Zwei Sammelbände setzen sich damit auseinander.

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In der römisch-katholischenKirche gilt "Demokratie" als Reizwort, zumindest als ambivalenter Begriff. Zwei Sammelbände setzen sich damit auseinander.

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Bei den Bischofsweihen in den Ostkirchen nimmt die mitfeiernde Gemeinde aktiven Anteil am Sakrament, indem sie nicht nur "Kyrie eleison" und "Amen", sondern auch "Axios" ("Würdig") ruft und damit den Kandidaten bestätigt. Es ist denkbar und möglich, daß die Gläubigen "Anaxios" ("unwürdig") rufen - in diesem Fall muß die Weiheliturgie bis zur Klärung der Ursachen unterbrochen werden.

"Die Bischöfe und Bischöfinnen werden von der Synode auf Vorschlag eines Wahlausschusses auf zehn Jahre gewählt", lautet der Paragraph eins des entsprechenden Kirchengesetzes der lutherischen Kirche, wo sich auch folgerichtig die Bestimmungen über das Auslaufen dieser Amtsperiode finden.

"Die Bischöfe werden kraft der sakramentalen Weihe und durch die hierarchische Gemeinschaft mit dem Haupt und den Gliedern des Kollegiums zu Gliedern der Bischofskörperschaft." So formuliert es das Zweite Vatikanische Konzil für die römisch-katholische Kirche.

"Großgruppen verdanken dabei ihre Stabilität nicht selten klaren hierarchischen Strukturen, die nicht dauernd darauf angewiesen sind, sich durch Mehrheiten bestätigen zu lassen" (Kardinal Schönborn).

Diese Zitate drücken die Einstellung der jeweiligen Kirchen zu Demokratie und Mitbestimmung ihrer Mitglieder, des Kirchenvolkes, aus. Die katholische Kirche scheint dabei am wenigsten up to date zu sein. Andererseits wird gerade in dieser größten christlichen Konfession am meisten über die Demokratisierung diskutiert. Die Katholisch-theologische Fakultät der Universität Graz hat im Herbst 1996 ein Forschungsprojekt "Demokratische und synodale Strukturen in der Kirche" beschlossen und zwei Symposien veranstaltet. Der Dekan, der Kirchengeschichtler Maximilian Liebmann, hat die Referate und Diskussionen in zwei Bänden publiziert.

Hierarchisierung Im Band "Kirche in der Demokratie - Demokratie in der Kirche" zeichnen die Autoren (Bernhard Kriegbaum, Anton Ladersdorfer, Wilhelm Baum und Gerhard Hartmann) jene Prozesse der breiten Meinungsbildung und Mitwirkung der Gläubigen nach, die im Laufe der Kirchengeschichte zu Bischofsbestellungen geführt haben. Von der Wahl des Bischofs von Rom in der Antike über mittelalterliche Bischofsbestellungen bis zur Frage der Mitwirkung der Ortskirche im 20. Jahrhundert zieht sich demnach eine Linie einer zunehmenden Hierarchisierung und Zurückdrängung des Einflusses von Nichtklerikern. Der Beitrag des Franziskanerpaters Ulrich Zankanella über die Demokratie in den Bettelorden sowie die Artikel von Grigorios Larentzakis (orthodoxe Kirche) bzw. Gustav Reingrabner (evangelische Kirche) zeigen alternative Modelle auf, die auch für die römisch-katholische Kirche zumindest diskutierbar wären.

Nicht Reich Gottes ...

Der andere Band, "Demokratie und Kirche", ist thematisch breiter gefächert, Frauen und Männer, Politologen und Theologen, Laien und Priester, Professoren und Bischöfe beleuchten die Sinnhaftigkeit und Möglichkeit von mehr Demokratie in der (katholischen) Kirche. Anton Pelinka zeigt auf, daß in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts die Päpste (für die Politik!) zu Verteidigern jener politischen Freiheiten geworden sind, die sie ein Jahrhundert zuvor noch prinzipiell verworfen hatten, innerkirchlich aber eine populistisch-plebiszitäre Demokratie nicht vorstellbar ist. Als wahrscheinliche Zukunft sieht er ein differenziertes Nebeneinander unterschiedlicher Modelle der Beteiligung aller an Entscheidungen.

Die feministische Theologin Anne Jensen, bis 1979 Ordensschwester, seit 1997 ordentliche Professorin für Patrologie und Ökumenische Theologie in Graz, begründet ausführlich die Notwendigkeit der Zulassung von Frauen zum Amt in der Kirche als wesentlichen Schritt zur Demokratisierung. Irena Lipowicz, polnische Abgeordnete, Janez Juhant, Philosophieprofessor aus Ljubljana, und der Wiener Politologe Heinrich Schneider setzen sich aus verschiedenen Perspektiven mit Chancen und Grenzen der Demokratie in der Politik auseinander.

Der Grazer Dogmatiker Bernhard Körner faßt die Ergebnisse in Klarheit und Schärfe zusammen. Was ist Demokratisierung? - Ein grundlegendes Prinzip der Mitwirkung, Beteiligung, Teilhabe an Personal- und Sachentscheidungen, die Achtung der Menschenwürde, Solidarität, Partnerschaft, Freiheit. Die Kirche verliert in demokratischen Gesellschaften an Glaubwürdigkeit, wenn sie sich gegen diese Prinzipien stellt. Sie müsse sich aber vor den Schwächen und Nachteile dieser "Regierungsform" (z. B. Medienmißbrauch, Mehrheitsdiktatur, Manipulation) hüten. Eine falsche, nur einseitig hierarchische Sicht der Kirche darf nicht durch eine neue, ebenfalls einseitige Konzeption ersetzt werden, so formuliert es die Bischofssynode 1985 in Rom. Demokratie ist in keinem Fall das Reich Gottes.

Weder basisdemokratische Urabstimmungen noch monarchisches, autoritäres Befehlen garantieren den Erfolg des Wirkens der Kirche automatisch. Um die Einheit des Leibes Christi in der geographischen, politischen, kulturellen Vielfalt zu realisieren, bedarf es des Amtes. Es ist allerdings evident, daß in der Welt von heute die Möglichkeit der Mitbestimmung und Mitentscheidung des Volkes Gottes garantiert werden muß, von der Verantwortung in Bezug auf die Pfarrgemeinde bis hin zu geeigneten Verfahrensweisen bei der Bestellung von Bischöfen, auch des römischen.

KIRCHE IN DER DEMOKRATIE - DEMOKRATIE IN DER KIRCHE.Hg. v. Maximilian Liebmann (Theologie im kulturellen Dialog 1). Verlag Styria, Graz 1997. 208 Seiten, geb., öS 298, DEMOKRATIE UND KIRCHE.Erfahrungen aus der Geschichte. Hg. v. Maximilian Liebmann. Verlag Styria, Graz 1997. 176 Seiten, geb., öS 248,

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