Kirche - © Foto: Pixabay

Sexueller Missbrauch in der Kirche: Bischöfe geloben Härte

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Tiefpunkt des Ansehens der katholischen Kirche in den USA: Täglich werden neue Missbrauchsvorwürfe gegen Priester und Vorhaltungen, dass die Bischöfe dem Treiben zusahen, laut.

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Tiefpunkt des Ansehens der katholischen Kirche in den USA: Täglich werden neue Missbrauchsvorwürfe gegen Priester und Vorhaltungen, dass die Bischöfe dem Treiben zusahen, laut.

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Muttertag 2002, Montpelier, Vermont: Im Hauptstädtchen des kleinen US-Bundesstaates in Neuengland liest am Ende des katholischen Sonntagsgottesdienstes der Pfarrer mit unbewegter Miene und kommentarlos einen kurzen Hirtenbrief vor: "Nach vielen Stunden des Nachdenkens, der Beratung und des Gebets", schrieb Bischof Kenneth A. Angell an seine Herde, habe er beschlossen, dem Vermonter Generalstaatsanwalt Informationen über "glaubhafte Anschuldigungen in Bezug auf sexuellen Missbrauch an Minderjährigen durch Priester" zu übergeben. Wenn der Staat Vermont Vorwürfe gegen einen Priester weiter untersuchen wolle, so werde dieser für die Dauer der Untersuchungen außer Dienst gestellt und - wenn sich die Vorwürfe erhärten sollten - des Amtes enthoben. Bischof Angell weiter: "Dies könnte schlimme Konsequenzen für Einzelne wie für die ganze Kirche haben. Dennoch muss es getan werden. Der Schutz der Kinder und die Glaubwürdigkeit der Kirche stehen auf dem Spiel."

Der Hirtenbrief des Vermonter Bischofs ist nur eines der vielen Beispiele dafür, wie brisant und wie prekär die Lage der katholischen Kirche in den USA geworden ist. Das landesweite Thema: Wie sehr haben die Kirchenleitungen vor dem Treiben pädophiler Priester die Augen verschlossen? Das Zentrum des Kirchenbebens: die Erzdiözese Boston, wo der Ex-Priester John Geoghan, der 130 Jugendliche missbraucht haben soll, zu einer langjährigen Haftstrafe verurteilt wurde, und wo die Leichtfertigkeit und Ignoranz der Kirchenoberen, die Geoghan jahrelang von Pfarre zu Pfarre versetzt hatten, offenbar ist. Vor allem Kardinal Bernard F. Law von Boston kam unter Beschuss.

Vier Tage vor dem Muttertag: Christi Himmelfahrt - in den USA ein Werktag. In 20 verschiedenen Städten der USA demonstrieren Aktivisten von SNAP, dem "Survivors Network of those Abused by Priests" ("Netzwerk der den Missbrauch durch Priester Überlebenden") vor kirchlichen Einrichtungen für landesweit einheitliche und restriktive Bestimmungen für den Umgang mit pädophilen Priestern. Im Juni findet die nächste Session der US-Bischofskonferenz statt, und da sollen, so das Anliegen von SNAP, sich die Bischöfe endlich zu klaren Regelungen durchringen.

Phil Saviano, SNAP-Koordinator für Neuengland, ist mit mehr als zehn Missbrauchsopfern vor das Bischofshaus von Worcester, 70 Kilometer westlich von Boston, gekommen und übergibt unter regem Medieninteresse die Forderungen an einen Vertreter von Bischof Daniel Reilly, dem Oberhirten von Worcester. Auch er, so lässt Bischof Reilly durch seinen Pressesprecher erklären, kooperiere voll mit den Staatsanwälten; er will die Forderungen von SNAP "mit gebührender Sorgfalt und dem Respekt, den sie verdienen" studieren. Phil Saviano weist der FURCHE gegenüber darauf hin, dass allein in der kleinen Diözese Worcester seit 1990 20 Priester in Missbrauchsverfahren verwickelt waren, erst seit Jänner 2002 seien fünf Kleriker deswegen außer Dienst gestellt worden.

Die versammelten "Überlebenden" erzählen den in Worcester anwesenden Journalisten von ihren Missbrauchserfahrungen. Besonderes Augenmerk legen die SNAPler darauf, den Medienleuten klarzumachen, dass das der Kleriker-Missbrauch keinesfalls ein "homosexuelles" Problem ist: Vor allem konservative Kreise - von Rom bis in die USA - nutzen die Affären zu neuen Seitenhieben gegen Homosexuelle in der Kirche. Bei der SNAP-Aktion in Worcester berichten auch Frauen, dass sie von Priestern missbraucht wurden (siehe Interview rechts), und ein männlicher SNAP-Aktivist erzählt, dass der Priester, der ihn missbraucht hatte, heute verheiratet und Vater von drei Kindern sei.

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