Phil Saviano  - © Foto: APA / AFP / Vincenzo Pinto

Phil Saviano: "Das ist die große historische Reinigung der katholischen Kirche"

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Phil Saviano, Koordinator von SNAP ("Survivors Network of those Abused by Priests) in Neuengland, im Interview.

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Phil Saviano, Koordinator von SNAP ("Survivors Network of those Abused by Priests) in Neuengland, im Interview.

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DIE FURCHE: Ist es gut, dass die Missbrauchsfälle in den USA so intensiv öffentlich diskutiert werden?

Phil Saviano: Das Problem existiert schon seit vierzig Jahren. Und da gab es Fälle - wie mein eigener, den ich 1992 öffentlich machte -, die eigentlich nicht ernst genommen wurden. Das Ausmaß des derzeitigen Interesses ist daher wirklich erfreulich, aber wichtiger: es ist der einzige Weg, um dem Ganzen ein Ende zu bereiten. Opfer müssen aufstehen und erzählen, was passiert ist. Wenn sie das nicht öffentlich sagen, wird niemand jemals wissen, was in der Kirche los ist. Dass sich jetzt so viele melden, zeigt zum einen, dass es sich hier um ein sehr großes Problem handelt, vor allem im Gebiet von Boston. Zum anderen werden die Opfer jetzt mit Respekt behandelt: Die Geschichten werden endlich geglaubt, und es ist klar, dass etwas geschehen muss: Neue Gesetze werden kommen, Priester werden vor Gericht gestellt. Das ist die große historische Reinigung der katholischen Kirche.

DIE FURCHE: Reagiert die katholische Kirche in den USA jetzt richtig?

Saviano: Jeder Bischof ist unabhängig. Was also ein Bischof in Massachusetts tut, kann sich davon unterscheiden, was ein Bischof in Chicago oder in Colorado macht ...

DIE FURCHE: ... Sie freuen sich etwa, dass Kardinal George von Chicago Ihre Anregungen aufnimmt, und Kardinal Law von Boston ...

Saviano: ... auch Kardinal Law hat zugesagt, die Namen von Priestern, die beim ihm wegen sexuellem Missbrauchs angezeigt wurden, den Behörden zu übergeben. Bis jetzt sind das über 90 Priester aus Boston! Doch nicht jeder Bischof tut das gleiche wie Law. Wir hoffen aber, dass andere Hirten sehen, was in Boston los ist und sich diesen Maßnahmen anschließen.

DIE FURCHE: Gestern wurde Kardinal Law vor Gericht zu seiner Rolle bei der Versetzung pädophiler Priester in Boston befragt. Er konnte sich dabei an vieles nicht erinnern.

Saviano: Es ist sehr wichtig, dass Kardinal Law aussagen musste. Die Justiz ist eingeschaltet, und man kann den Geschehnissen auf den Grund gehen: Ab wann haben sie davon gewusst? Warum haben sie diese Priester nicht daran gehindert, so viele Kinder zu belästigen. Ich bin nicht optimistisch, dass bei der Befragung des Kardinals etwas herauskommt. Dass er sich nicht erinnert, ist aber keine Überraschung, denn so agiert die Kirche schon seit langem: soviel Information wie möglich zu verbergen. Wegen dieses Verhaltens rufen wir nach dem Staatsanwalt und nach neuen Gesetzen. Wenn es bessere Gesetze gibt, um pädophile Priester anzuklagen, spielt es keine Rolle, ob sich der Kardinal erinnert oder nicht.

DIE FURCHE: Sie appellieren an die US-Bischöfe, "Schritte zur Heilung und zur Gerechtigkeit" zu unternehmen.

Saviano: Bei der Tagung der US-Bischöfe im Juni wird der Missbrauch das Hauptthema sein. Es gibt immer noch keine einheitliche Vorgangsweise. Wir hoffen, dass sich die Bischöfe zumindest darauf verständigen werden. Dass sie etwa sagen: Ja, wir werden alle Fälle den staatlichen Behörden anzeigen. Dennoch können wir nicht darauf zählen, dass die Bischöfe das auch tun werden. Wenn man sieht, dass etwa das Treffen der US-Kardinäle in Rom vor wenigen Wochen hier nichts ergeben hat - nicht einmal eine Handvoll Kardinäle konnte sich einigen! - so weiß ich nicht, wie 190 Bischöfe zu einer Linie finden sollen. Unsere Anregung ist, dass die Bischöfe die Gesetzgebung unterstützen.

*) Survivors Network of those Abused by Priests.

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