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Der große Sonntag und die kleinen Tage

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vicr Jahre haben wir unseren Katholikentag vbrbereitet und nun wird er mit dem großen Sonntag, dem kommenden 28. Juni, seine Krönung finden. Dann aber kommen die normalen Tage.

Was tut sich im Alltag der Kirche beim ganzen Volk? Zunächst ein übergroßes Maß an Gebet, Treue und Mühe in der Seelsorge.

Dabei müßte man von einer schwer faßbaren Frage reden: Wie können wir den „religiösen Sinn“ wecken, fördern, stark machen? Ich meine damit die einfache Begegnung des Menschen mit Gott. Das ist nun eine Sache aller, der Jungen und der Alten. Ein wichtiges Symptom scheint mit, ob während des Tages Menschen in den Kirchen beten oder ob sie nur dorthin gehen, wenn „etwas los ist“. Dieser religiöse Sinn kann nicht verordnet werden und nicht durch Aktivitäten erzeugt werden. Es geht schlicht um die Frömmigkeit, ja Heiligkeit.

Und das hat noch eine weitere Seite: Wenn dieser religiöse Sinn verblaßt, wird dann nicht auch der „moralische Sinn“ erlöschen? Oder einseitig werden? Die soziale Moral ist in den letzten

Jahren erfreulich vorangeschritten. Wir haben ein Gefühl für Frieden und Gerechtigkeit, Umwelt und vieles andere. Aber findet die persönliche Moral eine entsprechende Aufmerksamkeit?

Sind wir ganz unschuldig am rapid voranschreitenden Eheverfall in Österreich, wenn wir zu wenig die Verantwortung in der Begegnung zweier Menschen stützen? Könnte nicht aus einem Boden tolerierter Schlauheit bei Steuer und Zoll auch einmal das fette Unkraut von Korruption herauswachsen? Oder könnte nicht überhaupt ein verbürgerlichtes Modell christlichen Lebens, in dem jeder nach seinem Gutdünken verfährt, auch dazu beitragen, daß ein risikoloses Volk der „motorisierten Ein- Hund-Ehe“ mit sicheren Abtreibungsadressen sich nicht mehr mit schlechtem Gewissen belastet?

Weiter: Die Kirche reicht mit dem Schulunterricht praktisch zu allen Kindern und Jugendlichen. Manche Religionslehrer fühlen sich wie einer, der in der trockenen Wüste vom Wasser erzählen soll. Sie pflanzen zwei Religionsstunden in eine Landschaft, die in Familie, Umwelt, Freizeit chemisch rein ist von Religion. Aber es wächst dabei mehr, als man ahnt und vor allem mehr, als sie selber ernten können. Das setzt jedoch voraus, daß sich der Unterricht nie-bei allen verschiedenen Lehrmethoden - vom Evangelium trennen darf.

Am weitesten reicht die Kirche mit ihrer Bitte um den Kirchenbeitrag. Die Sache ist mühsam. Durch etliche Jahre hindurch ist die Zahl der Kirchenaustritte, die durch den Kirchenbeitrag meistens angestoßen werden, in der Steiermark stetig gesunken. In letzter Zeit geht die Kurve wieder nach oben. Interessanterweise aber nicht in jenen Gegenden, in denen die großen Arbeitslosenprobleme sind. Die Verlockung könnte naheliegend sein, von einer staatlichen Einhebung nach dem Beispiel der Bundesrepublik Deutschland

zu träumen. Es tut dann den Leuten nicht so weh.

Ich halte das für einen pastoralen Rückschritt. Ich denke, wir müssen im Gegenteil noch mehr tun, um die Freiheit der Kirche auch in äußeren Belangen zu stützen und auch den Mut zu uns selbst. Mit der staatlichen Einhebung würden wir zwar ein Fieberthermometer zerbrechen, aber nicht die Krankheit der geringen Identifizierung mit der Kirche heilen.

Noch etwas zum Priester- und Ordensstand: Nach wie vor sehen die Leute vor allem im Priester „die Kirche“. Wir wissen, daß dies eine einseitige Sicht ist, aber so ganz falsch ist sie auch nicht. Unbewußt ist dahinter der Spürsinn, daß die Kirche nicht ein Verein ist, der sich seine Funktionäre wählt, sondern daß es da Leute gibt, die Jesus Christus repräsentieren sollen. Und daß man von diesen Leuten erwarten kann, daß sie in der Heiligkeit vor

angehen. Das hat allerdings etwas Beunruhigendes an sich und es würde viele Gemüter besser schlafen lassen, wenn Priester und Ordensleute endgültig „laisiert“ wären. Die Statistiken scheinen ja diesbezüglich „verheißungsvoll“ zu sein. Doch mir gefallen

die Tränen nicht, die über die geringe Zahl geistlicher Berufe geweint werden, nachdem nicht wenig geschehen ist, um junge Leute unsicher zu machen, ob denn dieses Ideal noch lebenswert sei.

Die Schmälerung des priesterlichen Amtes ist einer der sichersten Hebel,

um die Katholische Kirche aus den Angeln zu heben.

Aber liegt denn nicht etwas im Grundsätzlichen falsch? Ist nicht die Defensive, ist nicht das Sich-Abfinden allgemein geworden? Ist damit nicht ein Grundzug des Evangeliums und der Kirche amputiert, nämlich die Mission, die Evangelisierung? Ein Delegierter sagte kürzlich in unserem Diözesanrat: Der Papst glaubt an die Evangelisierung Chinas und wir glauben nicht einmal an die Evangelisierung Kapfenbergs!

Unser Herr Jesus Christus hat mit fünf Broten Tausenden zu essen gegeben.

Beim Katholikentag wird aus 350 Kelchen die Kommunion ausgeteilt werden. Ich denke, der ganze Katholikentag ist ein Auftrag, unerschütterlich daran zu glauben, daß wir Brot für alle haben. Und daß Jesus selber dieses Brot für alle ist.

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