Einsatz für Integration - nicht nur auf Demos

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Ursula Struppe, die Koordinatorin der Initiative "Land der Menschen", erzählt von überraschenden Erfahrungen im Gespräch über Ausländer. Die karenzierte Leiterin der "Theologischen Kurse" wird in ihren Beruf nicht mehr zurückkehren: Das hat auch damit zu tun, dass es kreativ Engagierte in der katholischen Kirche zur Zeit nicht leicht haben.

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Ursula Struppe, die Koordinatorin der Initiative "Land der Menschen", erzählt von überraschenden Erfahrungen im Gespräch über Ausländer. Die karenzierte Leiterin der "Theologischen Kurse" wird in ihren Beruf nicht mehr zurückkehren: Das hat auch damit zu tun, dass es kreativ Engagierte in der katholischen Kirche zur Zeit nicht leicht haben.

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die furche: Sie haben zu Jahresbeginn mit anderen die Initiative "Land der Menschen" gestartet. Warum?

Ursula Struppe: Der unmittelbare Anlass war sicherlich die Stimmung in den Wiener U-Bahnen in der Folge des Wiener Wahlkampfes, für mich persönlich auch Schilderungen von afrikanischen Priestern, die ich für völlig unmöglich gehalten hätte. Ich fand, dass es auch andere Wege geben muss, mit diesem Thema umzugehen, als sich bloß - auch zum Teil zur eigenen moralischen Beruhigung - bei Demos zu versammeln und zu antirassistischen Positionen zu bekennen. Das ändert noch nicht wirklich etwas in den Bäuchen und Hirnen der Favoritner und Hietzinger und Döblinger!

die furche: Das war also bereits vor der Bildung der jetzigen Regierung.

Struppe: Das war Monate davor. Es hätte "Land der Menschen" gegeben, ganz egal welche Bundesregierung gebildet worden wäre: es wäre auf jeden Fall notwendig gewesen.

die furche: Sie wollten Menschen ins Gespräch bringen. Was haben Sie bei diesen Versuchen erlebt?

Struppe: Die Alltagsprobleme - Nachbarn schlachten Hühner am Gang, Lärm und so weiter - habe ich erwartet. Für mich völlig überraschend war zum Beispiel eine Unternehmerin, die sagte, Ausländer würden in Österreich bevorzugt. Daran sei die frühere Regierung schuld, Ausländer dürften ohne irgendwelche behördliche Bewilligungen Betriebe aufsperren: "Von uns verlangt man Papiere, aber die sperren einfach auf und werden nie einer Steuerprüfung unterzogen." Auf meine Frage "Unterscheidet die Gewerbeordnung zwischen Aus- und Inländern?" kam die Antwort: "Das wissen Sie nicht, Sie sind ungebildet, mit Ihnen kann man nicht reden."

Das ist eine Argumentationslinie, bei der man nicht weit kommt, selbst wenn ich sämtliche Gewerbeordnungen mithätte: eine unverrückbare Meinung, ein Grundton, der sich durchzieht. Ein Jugendlicher im 10. Bezirk sagt: "Sauerei, die Ausländer bekommen Satellitenschüsseln gratis", ein Arbeitsloser sagt: "Die wohnen im Hotel, und ich verliere meine Wohnung, weil ich sie nicht mehr zahlen kann." Dieses Gefühl von Menschen: "Ausländer sind bevorzugt, und wir sind benachteiligt, das ist ungerecht", hatte ich in dieser Massivität nicht wahrgenommen.

die furche: Kommt das aus den Leuten heraus oder werden auch ungeprüft Wahlreden von Politikern übernommen?

Struppe: In diesen Fällen habe ich das Gefühl, dass es eine gewisse Unsicherheit in der persönlichen Lebenssituation gibt: Bestimmte Parolen fallen da auf einen unglaublich gefährlich fruchtbaren Boden. Mich persönlich hat das sehr an die Postwurfsendung im letzten Wahlkampf der FPÖ erinnert: "Wussten Sie, dass ein Chinarestaurant 150.000 Schilling Subvention bekommt und die österreichischen Beiseln zusperren müssen?" Diese Ebene der Vermittlung geht wirklich "rein" und wird - entsetzlicherweise - im persönlichen Lebenskontext moduliert .

die furche: Wie lange wird es "Land der Menschen" noch geben? Bis zur Wiener Gemeinderatswahl?

Struppe: Wir haben ursprünglich immer von einem Jahr gesprochen und wollten mit unserer zum Teil nebenberuflichen, ehrenamtlichen Power Zeit und Kraft investieren, um möglichst viel in Bewegung zu bringen, aber nicht um eine Organisation zu gründen, die Jahrzehnte besteht. Das Projekt soll in dieser Form jedenfalls bis Juni 2001 laufen - durchaus in der Hoffnung, dass manches, was in Gang gekommen ist, auf unterschiedlichen Ebenen weiter besteht.

Aufgrund unserer Erfahrungen haben wir vor, bestimmte sinnvolle Maßnahmen als Forderungen ausdrücklicher zu thematisieren. Auch bei denen, die schimpfen, findet es etwa Verständnis, Aufenthalt und Beschäftigung zu vereinheitlichen: "Ausländer, die da sind, sollen auch arbeiten können."

die furche: Warum wollen Sie nicht in Ihren Beruf als Leiterin der Wiener Theologischen Kurse zurückkehren?

Struppe: Es hat zunächst einmal damit zu tun, dass ich nach 16 Jahren den Eindruck habe, dass es richtig ist, etwas anderes zu tun. Das ist eine biographische Normalität, diese mischt sich natürlich auch mit einem gewissen Gefühl der Ermüdung, ständig eine Semantik für das Wort "katholisch" zu buchstabieren und zu merken, wie das laufend durch Ereignisse, Stellungnahmen, Papiere aus Rom konterkariert wird.

die furche: Sie waren am "Dialog für Österreich" intensiv beteiligt und sind jetzt vermutlich enttäuscht ...

Struppe: Ich habe vorher nicht erwartet, dass das Bearbeiten der anstehenden Fragen in irgendeiner Weise unmittelbar zu Veränderungen führt. Ich habe es getan, weil ich - unter anderem - gebeten wurde, das Arbeitsdokument für die Salzburger Delegiertenversammlung mitzuverfassen. Ich glaube, dass der Weg, den wir in diesem Dokument eingeschlagen haben - kontroversielle Positionen möglichst sorgfältig in ihren Argumenten darzustellen - sich als richtig herausgestellt hat. Das Miteinander der unterschiedlichen Richtungen war für mich in diesem Ansatz ein Erfolg und wichtig.

Ich bin nicht enttäuscht, weil bestimmte Vorschläge von Salzburg bis heute nicht verwirklicht sind. Was ich aber wirklich verletzend finde, ist, dass es unmittelbar nach Salzburg viel Lob gegeben hat, und dann ist eine römische Ermahnung gekommen, dass das Positionen sind, die nicht katholisch und zu wenig spirituell sind. Ich erwarte von österreichischen Bischöfen nicht, dass sie sich Positionen zu eigen machen, die nicht ihre sind, aber sie sollten wenigstens mit aller Ausdrücklichkeit sagen, dass die 75 Prozent, die in Salzburg für Reformen gestimmt haben, ernsthafte Leute sind, an deren Integrität, Spiritualität und theologischer Kompetenz kein Zweifel besteht.

Theoretisch wäre es ja denkbar, dass ein grosser Teil der Kirche Österreichs wirklich häretisch ist. Wenn das so wäre, wenn das von Rom festgestellt wird und unwidersprochen im Raum steht, dann gäbe es ja unmittelbaren Handlungsbedarf, und dann könnte man bestimmte Leute nicht als Universitätsprofessoren, Schulamtsleiter, Generalvikare im Amt belassen.

Entweder hätte man massiven Handlungsbedarf, weil es eine dramatische Situation ist, oder es sind Positionen die in einer legitimen Bandbreite liegen, aber dann muss man das klarstellen. Beides nebeneinander stehen zu lassen ist im Prinzip ein theologischer Widerspruch und eine Unglaubwürdigkeit.

die furche: Ist der "Dialog" für Sie zu Ende?

Struppe: Ich habe nicht den Eindruck, dass es im Moment für kreative, intelligente Persönlichkeiten besonders attraktiv ist, sich im kirchlichen Bereich zu engagieren. Und ich verstehe das. Das trifft auch auf Leute zu, die jetzt vor der Situation stehen, bestimmte Positionen zu übernehmen. Ich sehe da schon die Gefahr einer Ausdünnung. Ich habe auch den Eindruck, dass diese Wirklichkeit weitgehend noch nicht in ihrer Dramatik wahrgenommen wurde. Die Salzburger Delegiertenversammlung war für alle ein letztes, fast überraschendes Ereignis, nach dem Resignation eingetreten ist. Ich glaube, dass heute Salzburg in dieser Form nicht mehr möglich wäre, dass viele nicht mehr hinfahren würden. So geht ein Prozess, der schon davor vorhanden war, ungebremst weiter: Man lebt im kleinen Bereich der Gemeinde, der Gruppe. Das ist für das Verständnis von Katholizität ein katastrophaler Zustand, aber eine verständliche Überlebensstrategie.

die furche: Wie kommt man da heraus? Sind die weltkirchlichen Rahmenbedingungen entscheidend?

Struppe: Ich glaube, es ist ein grundsätzliches Problem. Wenn einerseits der Glaube eine freie Entscheidung sein soll, die wesentlich mit persönlicher Intimität und Freiheit zu tun hat, während andererseits die kirchliche Körpersprache auf diözesan- und weltkirchlicher Ebene dem zuwider läuft, wenn ganze Bischofskonferenzen wie Schulbuben voller Angst vor Kopfwäschen nach Rom fahren, dann ist das ein Selbstwiderspruch, der lähmend und unglaubwürdig wirkt.

Es müsste eine neue Dynamik in Gang kommen, sodass ein ernsthafter Respekt voreinander möglich ist. Es wäre notwendig, mit großer Nachdrücklichkeit ein Klima zu erzeugen, wo das Nachdenken und die spirituelle pastorale Kompetenz der unterschiedlichen Bischöfe und Bischofskonferenzen akzeptiert wird - gegen einen eng geführten Zentralismus. Solange einseitige Behauptungen im Raum stehen und Leute das Gefühl haben, dass so etwas wie das Einbringen von Vorschlägen eher stört, solange liegt eine Selbstlähmung des Systems vor.

die furche: Wie sehen Sie Ihre persönliche Zukunft?

Struppe: Derzeit bin ich faktisch eine personelle Leihgabe der Erzdiözese Wien an "Land der Menschen". Das ist bis 31. Dezember 2000 geklärt, danach offen. Ich werde jedenfalls bis Juni "Land der Menschen" weitermachen. Für mich war nur wichtig, auch den Theologischen Kursen gegenüber, jetzt zu sagen, ich komme nach Ende meiner Freistellung nicht zurück. Für mich war es wichtig, diesen Abschied zu nehmen, um danach bis Juni Kopf und Bauch freizuhaben und zu überlegen, in welche Richtung es nachher weitergeht.

Das Gespräch führten Heiner Boberski und Otto Friedrich.

Zur Person: Theologin, scheuklappenlos Es war 1985 eine kleine Sensation, als Kardinal Franz König die 26jährige Theologin Ursula Struppe zur Leiterin der Theologischen Kurse in Wien ernannte. 16 Jahre an der Spitze der renommierten theologischen Ausbildungsinstitution werden es gewesen sein, wenn Struppe mit Jahresende 2000 die Leitung abgibt. Die promovierte Bibelwissenschaftlerin lehrte auch an der philosophisch-theologischen Hochschule in Heiligenkreuz und war als Erwachsenbildnerin tätig. Seit 1993 war sie die Präsidentin der Bundesarbeitsgemeinschaft katholischer Erwachsenenbildung, von 1996 bis November 2000 stand sie deren Nachfolgeorganisation "Forum Katholischer Erwachsenenbildung" vor. Beim "Dialog für Österreich" engagierte sich Struppe stark, insbesondere war sie Ko-Autorin des Arbeitsdokumentes für die Salzburger Delegiertenversammlung im Oktober 1998. Ein Jahr später initiierte Struppe mit anderen Persönlichkeiten die Gesprächsinitiative "Land der Menschen" für die Integration von Ausländern in Österreich. Seit Anfang 2000 ist sie für die Koordination von "Land der Menschen" von den Theologischen Kursen karenziert - als "lebende Personalsubvention" der Erzdiözese Wien.

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