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Das Peter-Prinzip

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Friedrich Peter, Bundesparteiob-mann der Freiheitlichen Partei, ist wie Quecksilber: will man seine Finger auf ihn legen, so findet sich nichts darunter. Er beruft sich in seiner Argumentation ständig auf sogenannte „freiheitliche Grundsätze“, ohne je einmal hinlänglich dargelegt zu haben, was solche „freiheitliche Grundsätze“ tatsächlich sind oder sein sollen. Auf seine Weise bestätigte er die Definition von Ambrose Bierce, wonach „Politik ein Streit der Interessen ist, der sich als Wettstreit der Prinzipien maskiert hat“.

In den letzten Wochen hat der notorische Wahlverlierer Friedrich Peter gleich zweimal sein großes Spielglück am Verhandlungstisch bewiesen: das eine Mal war die Volkspartei, das andere Mal die Regierungspartei sein Partner. In beiden Fällen erfüllte sich das sogenannte Peter-Prinzip restlos: Mitmischen bei der Leitung und Administration der öffentlichen Angelegenheiten zum sehr großen Vorteil Peters und seiner FPÖ. In beiden Fällen aber auch zeigte sich, wie richtig einst der deutsche Rechtsgelehrte Wilhelm Radbruch die Rolle von Miniparteien beurteilt hat. „Kleine Parteien“, sagte er, „spielen häufig eine vom Standpunkt der politischen Gerechtigkeit verwerfliche Rolle: die Rolle des Zaunkönigs, der sich vom Rük-ken des Adlers noch ein paar Meter über ihn hinaus erhebt. Sie haben einen durch das Gewicht ihrer Stimmen nicht gerechtfertigten Anteil an der Regierungsbildung, wenn sie den großen Parteien dazu dienen, die als Regierungsbasis notwendige Parlamentsmehrheit herzustellen. Sie sind ein Faktor der Störung für die zu einem festen parlamentarischen Regime erwünschte Herausbildung eines Zweiparteiensystems“.

Darum, in der Tat, ging es auch. Erst erkaufte sich das personifizierte Quecksilber der österreichischen Innenpolitik durch vifes Taktieren zunächst die Zustimmung der ober-österreichischen, dann die der Bun-des-ÖVP zum Einzug in den Aufsichtsrat des ORF an Stelle des verstorbenen ORF-Aufsichtsratsvorsitzenden Otto Kranzlmayr, dann sprach er mit dem SPÖ-Vorsitzenden Kreisky in außerparlamentarischen Verhandlungen das „große Mehrwertsteuergeschäft“ ab. Das Ergebnis dieser „Verhandlungen“ ließ Friedrich Peler als den wahren Vertreter der Interessen wichtiger Sektoren der österreichischen Wirtschaft erscheinen.

Er hatte wieder einmal „freiheitliche Grundsätze“ durchgesetzt: für die Exportwirtschaft, die Industrie und die Landwirtschaft in einer „harten“ Auseinandersetzung mit den Vertretern der steuergefräßigen Regierungspartei bedeutende Erleichterungen und Ausnahmebestimmungen erkämpft. Und am Landesparteitag der niederösterreichischen Freiheitlichen Partei meinte Quecksilber-Peter (der so gern ein „großer Zampanao“ sein möchte) in aller Bescheidenheit, die FPÖ hätte bei ihren Verhandlungen mit der SPÖ die Interessen genau jener 49,9 Prozent Österreicher durchgesetzt, die am 10. Oktober 1971 nicht sozialistisch gewählt haben. Davon freilich, daß Peters FPÖ die von Kreisky programmierte Mehrwertsteuerverhandlungspartei war, sprach er mit keinem Wort. Auch davon nicht, daß er lediglich die von der Regierungspartei und ihrem Finanzminister ohnedies gezlanten Zugeständnisse an die Wirtschaft erhandeln konnte — und um kein Jota mehr. Dennoch sollte auch dieses Ergebnis für Peters Wiederwahl zum FPÖ-Bundespartei-obmann in wenigen Monaten genügen.

Freilich hat Friedrich Peter mit der Zustimmung zum sozialistischen Regierungsentwurf zum Mehrwertsteuergesetz auch eine gewaltige Hypothek auf sich und die FPÖ geladen. Einmal scheint nun endgültig bewiesen, daß das Gewicht seiner Versprechen nichts zählt. Bekanntlich stimmte die FPÖ zum Bundesvoranschlag 1971 nur unter der Bedingung, daß bei Einführung der Mehrwertsteuer die Sondersteuern auslaufen müssen. Diese Bedingung wurde nicht erfüllt; man hatte auch nie den Eindruck, daß Peter besonders massiv das Auslaufen der Sondersteuern betrieben hätte. Ferner wurde der SPÖ-FPÖ-Mehrwertsteuer-Pakt genau dort ausgehandelt, wohin Peter seine „freiheitlichen Grundsatz“-Pfeile am liebsten verschoß: im außerparlamentarischen Raum, einem Bereich, aus dem Peters FPÖ während der großen Regierungskoalitionen stets verbannt war. Schließlich aber bedeutet Peters Zustimmung zum SPÖ-Mehrwertsteuerge-setzentwurf auch die Zustimmung zu allen Folgewirkungen, die ein zu hoher Steuersatz, ein falscher Einführungstermin und eine fast ausschließlich nach politischen Gesichtspunkten erstellte Ausnahmen- bzw. Begünstigungsliste mit sich bringen müßten.

Gegen den zu hohen Steuersatz wurde bereits vorgebracht, daß er dem Finanzminister schon mittelfristig zu recht hohen zusätzlichen Steuereinnahmen verhelfen würde; gegen den Einführungstermin spricht, daß schon im ersten Quartal 1973 sehr starke konjunkturelle Auftriebskräfte wirken werden. Überdies bedeutet die Koppelung der Lohn- und Einkommensteuersenkung mit der Mehrwertsteuereinführung, daß die Preisüberwälzung der Mehrwertsteuer angesichts einer zusätzlichen Nachfrage in der Höhe von rund fünf Milliarden Schilling den Unternehmern besonders leichtfallen wird. Überdies wird eine Reihe von Produkten, deren Preiserhöhung erst in den letzten Wochen und Monaten von der Regierung verfügt wurde, ab dem 1. Jänner 1973 neuerlich teurer werden. Dazu zählen beispielsweise der Strom und die Zigaretten, für die schon im Entwurf des Einführungsgesetzes eine neuerliche Preiserhöhung von 6,5 Prozent festgelegt ist.

Auch dafür hat die FPÖ gestimmt. Es scheint fast, als ob sie sich damit für die burgenländischen und oberösterreichischen Landtagswahlen im kommenden Jahr keine sehr hoffnungsfrohe Ausgangsposition ausgehandelt hat. Aber selbst bei Fortsetzung der FPÖ-Wahlniederlagen-serie wird man um die Zukunft der FPÖ und ihres Parteibomannes nicht bangen müssen. In den strategischen Plänen Kreiskys und Schleinzers spielt diese Partei eine so große Rolle, daß sie sich gar nicht zu Tode verlieren kann. Was eigentlich schade ist.

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