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Die Stunde der Claqueure

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In der FPÖ rollen liberale Köpfe. Empörung bei politischen Beobachtern und der Konkurrenz. Mehr als ein kleines Häuflein freiheitlicher Funktionäre regt das freilich in der eigenen Partei nicht auf. Und Haider-Wähler läßt es überhaupt kalt, im Gegenteil: Das paßt zum Bild vom starken Mann.

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In der FPÖ rollen liberale Köpfe. Empörung bei politischen Beobachtern und der Konkurrenz. Mehr als ein kleines Häuflein freiheitlicher Funktionäre regt das freilich in der eigenen Partei nicht auf. Und Haider-Wähler läßt es überhaupt kalt, im Gegenteil: Das paßt zum Bild vom starken Mann.

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Es war nicht die erste „Säuberungsaktion" und wird nicht die letzte gewesen sein: Polit-Leichen säumen Jörg Haiders Weg, Förderer nicht ausgenommen. Liberale oder nationale Positionen der Betroffenen spielen dabei nur eine untergeordnete Rolle. Eine Rolle spielt, ob jemand ein politischer Kopf ist oder nicht. Und ob sich jemand unterordnet.

Jörg Haider duldet neben sich keine politischen Köpfe. Christian G. Allesch, Universitätsdozent für Psychologie in Salzburg, weiß, wovon er im Rückblick spricht: Er war von 1977 bis 1980 Bujidesobmann des Rings freiheitlicher Jugend und 1980 bis 1981 Geschäftsführer des Freiheitlichen Bildungswerkes. Allesch, der schon Jung-Haider kennengelernt hat: „Es ist immer ein Zug von ihm gewesen, alles auf sich selbst und seine Person zu konzentrieren." Er habe nie koordiniert, habe immer seine Person als Maßstab genommen und sei „Leuten, die ihn zu Kompromissen hätten zwingen können, oder die ihn zu einer Reflexion der Dinge gezwungen haben, aus dem Weg gegangen". Für den Salzburger Psychologie-Dozenten ist es daher „kein Zufall,daß er zum Beispiel im Atterseekreis eigentlich nie präsent war - weil das ein Kreis war, der ihn relativiert hätte". Obwohl in Haiders (Selbst-)Darstel-lungen ein Hinweis auf die Reformergruppierung der FPÖ selbstverständlich nie fehlen durfte.

Eine Führerpartei, „ohne das mit irgendwelchen historischen Parallelen zu belasten", entspricht dem Charakter Haiders und dies habe Georg Mautner Markhof ausgesprochen: „Das Letzte, was man braucht, ist eine Ein-Mann-Partei, eine Führerpartei." Um selbst größer zu erscheinen, als er tatsächlich ist, umgebe er sich - das auszusprechen wurde eigentlich Mautner Markhof zum Verhängnis - „mit einem Kreis von jungen Leuten, denen er auch Macht gibt, mit denen man aber über Politik nicht wirklich reden kann". Jene, die Haider kritiklos verehren. Das hat, meint Allesch, viel mit Haiders Selbsteinschätzung zu tun.

Haiders Selbsteinschätzung -„Selbstüberschätzung kann man erst im nachhinein feststellen" - ist auch für den Wiener Politikwissenschaftler Peter A. Ulram der springende Punkt: eine Charaktersache. Für ihn ist Haider tatsächlich ein „maßloser Mensch", nämlich einer, „der Widerspruch prinzipeil nicht duldet". Suspekt werde, wer sich Haider nicht „total" unterordne. „Und der Parlamentsklub war bis jetzt das von Haider am wenigsten kontrollierbare Gremium", von dem - „von der politischen Statur her, wenn auch nicht wahlpolitisch wirksam" - Widerstand zu erwarten war - „und Konkurrenz hätte erwachsen können."

Deshalb kehrte Haider jetzt nach Wien zurück. Und für Allesch ist es dann nur mehr die „Frage einer kurzen Zeit", bis auch Friedhelm Frischenschlager geht, weil er sich nicht unterwerfen will. Das Schicksal von Heide Schmidt dürfte ohnehin bereits besiegelt sein: In den Tagen nach dem ersten Wahlgang zur Bundespräsidentenwahl wird daher die Dritte Präsidentin des Nationalrates die Konsequenzen ihres Abschneidens ihrem Obmann abzunehmen haben. So „freiwillig", wie alle anderen weichen mußten.

Haider-Wähler - und in diesem Zusammenhang verweist Ex-FPÖ-Funktionär Allesch auf die im Drava-Verlag erschienene Publikation, Jörg Haider und sein Publikum" (siehe Kasten nebenan) - werde das trotzdem nicht irritieren, vielmehr sei das Teil der Haider-Inszenierung und seines Erfolges. Eine Einschätzung, die auch Politikwissenschaftler Ul-ram teilt. Er registriert sogar „eine breite Toleranz gegenüber nichtdemokratischen Verhaltsweisen". Der starke Mann ist gefragt, so wie etwa Josef Riegler als OVP-Chef angekreidet wurde, daß er seine Autorität nicht betont hat.

Das nützt Haider, „Die Toleranz für Ausrutscher", ist Allesch sogar überzeugt, „wächst mit der politischen Unzufriedenheit in der Bevölkerung. Das hängt auch mit der Wohlstandsentwicklung zusammen. Tatsächlich wird das Leben für viele Leute immer ,enger'. Die Ansprüche wachsen und die Möglichkeiten des einzelnen, für sich selbst finanzielle und wirtschaftliche Ressourcen zu gewinnen, werden eher kleiner. Das erhöht die Unzufriedenheit." Und dies ist Haiders Potential. Für Ulram heißt das: „Haider kann, darf gar kein - was man gemeinhin darunter versteht - seriöser Politiker werden, weil er dann nicht mehr die große Alternative wäre." Er braucht aberheute-mehr dennje -die „permanente Erfolgszu-schreibung".

Diesen Erfolg sehe Haider nicht in einer „absehbaren Regierungsbeteiligung" der FPÖ -„und das unterscheidet ihn ja von den anderen wie Gugerbauer", meint Allesch -.sondern in der Überzeugung, „daß sich durch diese Strategie das politische System in Österreich über kurz oder lang so aushöhlen wird, daß er eine Chance auf den ersten Platz hat. Das ist, glaube ich, für ihn eine realistische Kalkulation." Um das noch zu beschleunigen, „geht Jörg Haider jetzt nach Wien".

So leicht, meint der Politikwissenschaftler Ulram, dürfte es letztlich doch nicht werden: „Natürlich braucht er heute mehr denn je das Protestpotential. So lange aber die anderen Parteien halten - also weder hysterisch werden noch sich selbst umbringen -wird es nicht reichen. Je mehr sich die Protestwähler über ihn jetzt freuen, desto kleiner wird jetzt seine Chance, daß er Wähler anspricht, die ihn auch als seriöse politische Alternative empfinden."

Bedeutet nunmehr das Hinausekeln Mautner Markhofs und das buchstäbliche Verschwinden Norbert Guger-bauers in der Versenkung einen Rechtsruck der Partei? Haider habe -nach Meinung von Allesch - seit seiner Jugend beide Rollen, liberal und national, immer abwechselnd gespielt, habe sich je nachdem „draufgesetzt", „ich glaube aber schon, daß sich etwas verschiebt: seine Toleranz in Richtung nach rechts wird größer."

Das wäre aber auch schon die einzii ge Toleranz, die dem FPÖ-Obmann heute nachgesagt werden kann.

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