7024917-1989_08_01.jpg
Digital In Arbeit

Haider stoppt Haider

Werbung
Werbung
Werbung

Wer stoppt Jörg Haider? Diese Frage, nach den FPÖ-Wahlerfol- gen von 1986 bis 1988 vielfach gestellt, hat jetzt in der Person des freiheitlichen Polit-Aufsteigers ihre Antwort gefunden: Haider stoppt Haider.

Kaum gerät er in Schwierigkeiten, beginnt der Jörg zu schwimmen. Ob er sich da mit Norbert Burger oder dort mit Udo Proksch trifft: einmal gestellt, reicht es nur zu einer recht jämmerlichen Vorstellung. Ausreden, Ausflüchte, Widersprüche, dazu eine Portion Wehleidigkeit - der Mann ist nur halb so alt, wie er sich verhält. Und er verhält sich wie ein Polit- Funktionär alten Zuschnitts, auch wenn er sich als jugendlicher Fe- schak gibt.

Nach dem Maßstab, den Haider an die SPÖ im Zusammenhang mit deren Steueraffäre angelegt hat, muß* er sich und seine FPÖ messen lassen: Kann er sich da morgens noch ungeniert in den Spiegel schauen? Seinen vielzitierten „kleinen Leuten“ in die Augen?

Der selbsternannte Saubermann Haider hat sich selbst demaskiert. Seine Glaubwürdigkeit - das wichtigste Kapital eines Politikers — hat einen Kurssturz erfahren.

Unmittelbare Rückwirkungen für die Wahlgänge am 12. März in Kärnten, Salzburg und Tirol sollten trotzdem nicht erwartet werden. Im Gegenteil: Geschickt wird von der FPÖ mit einer „Polit- Kampagne gegen Jörg Haider“ gespielt, um Mitleid und Solidarisierung mit dem angegriffenen FP-Führer zu mobilisieren. Und das hat - wie Beispiele der Vergangenheit deutlich zeigen - seine Wirkung.

Man sollte den Verlust an Glaubwürdigkeit unabhängig von einem einzigen Wahltag sehen. Wähler sind Menschen. Und es ist für keinen Menschen leicht, sich mit einer enttäuschten Hoffnung abzufinden: Zuerst kann und will man es nicht glauben, man lehnt sich dagegen auf, getäuscht worden zu sein, dann findet man sich langsam damit ab - ein schmerzlicher Sickerprozeß.

Der ist im Gang. Als Saubermann läuft Haiders Rolle aus. Das wird auf Wechsel- und Persönlichkeitswähler nicht ohne Wirkung bleiben. Das wird auch dem Lager angewiderter Nicht-Wähler neuen Zulauf bringen.

Haider wird sich dagegen aufbäumen, wird versuchen, verlorenes Terrain anderswo dazuzugewinnen: durch soziale Demagogie in großem Maßstab, durch noch direkteres Aufgreifen von dumpfen Ressentiments. Versucht er das, rückt er noch weiter nach rechts.

Jene, die ihn - salopp formuliert - gerne als sauberen Schwiegersohn haben wollten, wird er dort nicht mehr treffen. Deren Sympathien hat er innerhalb kurzer Zeit verloren: Er ist auch nicht anders…

Haider stoppt Haider. Es war eine Zeitfrage. Charakter, so Bert Brecht, ist eine Zeitfrage.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung