7062208-1991_41_04.jpg
Digital In Arbeit

Haider und die Versuchung

Werbung
Werbung
Werbung

In der ÖVP wird man nachdenklich, nachdem nun auch die Bastion Oberösterreich gefallen ist, das heißt: Die Volkspartei hat auch im Land ob der Enns keine absolute Mehrheit mehr. Seit die ÖVP in der Großen Koalition ist, verliert sie eine Wahl nach der anderen. Erhard Busek beginnt schon laut nachzudenken: Mehr Reformdruck sei innerhalb der Koalition notwendig, die Entscheidungen dürften nicht auf die lange Bank geschoben werden.

Und wenn alles nichts nützt, kommt dann die Annäherung an die FPÖ des Jörg Haider?

In der Steiermark, wo man sich mit dem oberösterreichi-'schen Wahlergebnis nur widerwillig tröstet, hat der geschäftsführende Landesparteiobmann Gerhard Hirschmann dieser Tage gemeint, man habe versucht, in der Sachpolitik zu „punkten", sei aber draufgekom-men, daß mehr Emotionalisie-rung notwendig sei. Das klingt ein bisserl nach Trotz und entspricht auch nicht ganz den Tatsachen, denn gerade im Wahlkampf hat die steirische Volkspartei gezeigt, daß sie ihre Politik unterhaltsam und gefühlsbetont zu verkaufen sucht.

Gerade da liegt ja die Versuchung für die großen Parteien, die immer kleiner werden: Jörg Haider macht mit Emotionen Politik und Stimmengewinne. Die großen Themen bei den Wahlauseinandersetzungen gibt es nicht mehr, wohl aber eine Summe von kleinen und größeren Verstimmungen, die eine Oppositionspartei nützen kann.

Haider nützt sie mit lockerer Unverschämtheit - bis hin zum gar nicht mehr versteckten Spiel mit Ressentiments, wenn er zum Beispiel in der Steiermark den Namen des SPÖ-Spitzenkandida-ten Schachner-Blazizek diskreditiert oder wenn der Volkspartei in Oberösterreich vorgeworfen wird, eine „Politik für Sandler, Tachinierer, Sozialschmarotzer und Faulpelze" zu betreiben.

Die FPÖ sammelt die Unzufriedenen, die allzu Zufriedenen, die ein wenig Abwechslung auch in der Politik aus Unterhaltungsgründen für notwendig erachten - und viele Jungwähler, die den Wirbel, flotte Sprüche und braungebrannte Gesichter schätzen. Die Koalitionsparteien, denen Demagogie auch nicht fremd ist, sind baff und lernwillig. Peter Turrini hat einmal gemeint, daß Jörg Haider nicht der Bekämpfet der Großparteien sei, sondern ihr Übertreiber. Da ist was Wahres dran. Ich kann mir vorstellen, wie nun überlegt wird, dem Übertreibungskünstler nachzueifern.

Das Fatale daran ist nur, daß der FPÖ-Chef das immer besser können wird als die doch etwas gehemmteren Großkoalitionäre.

Die SPÖ hat Vranitzky, die ÖVP hat scheinbar nur die Wahl zwischen dem langsamen Erlöschen in der Großen Koalition und einem schmählichen Ende auf Kärntner Art.

Und Jörg Haider handelt nach dem Prinzip, das der französische Politiker Jean Lecanuet einmal so formuliert hat: „Opposition ist die Fähigkeit, den Ast der Regierung so abzusägen, daß man darauf noch sitzen kann."

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung