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Die Slowenengespenster

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Ein Gespenst geht um in Kärnten, das Gespenst aus dem altehrwürdigen Kloster Viktring.

Hier der Tatbestand: das bereits viele Jahrhunderte alte Schloß Viktring in unmittelbarer Nähe von Klagenfurt, Konkursmasse des Industriellen Reichmann, wird versteigert. Genauer: die Versteigerung hätte schon im August stattflnden sollen, wurde aber verschoben und soll nun im Dezember erfolgen. So weit so gut. Den hochpolitischen Akzent erhält die Sache erst dadurch, daß als Käufer — und zwar als einziger Käufer — diie unter der Patronanz des Bischofs von Klagenfurt stehende und seit mehr als hundert Jahren bestehende slowenische katholische Sankt-Hermagoras-Bru- derschaft auftritt. Geld aus München oder Frankfurt wäre in diesem Lande gewissen Leuten jederzeit willkommen, weil aber nun ein eingetragener slowenischer Verein die Liegenschaft bei einer öffentlichen Versteigerung erwerben will, ist die Hölle los. Da werden Abwehrkämpfer aus Villach und Klagenfurt bemüht, die das „Deutschtum bedroht“ sehen, da wird die freiheitliche Landtagsfraktion aktiv, da schreiben die „Kärntner Nachrichten“ (freiheitliches Wochenblatt) von rassdhelnden Millionen aus slowenischen Emigrantenkreisen in Nordamerika, da melden sich die bedroht fühlenden Mieter im Schloß, da gibt es einen anonymen Telephonanruf, man würde das Schloß in die Luft sprengen, wenn es in den Besitz der besagten Bruderschaft überginge — und überhaupt: Das Schloß ist

Tagesgespräch in Klagenfurt und Umgebung und darüberhinaus in ganz Kärnten.

Das Tüpfchen auf das i sozusagen aber setzte Landeshauptmann Sima, der in Beantwortung eines Offenen Briefes der Wohnparteien von

Schloß Viktring erklärte, er habe sowohl an die Banken als auch an den Bischof von Gurk appelliert: an erstere, sie mögen die Liegenschaft in eigenem Besitz erhalten, an den Bischof, er möge bei der Hermagoras einen Rücktritt von der Kaufabsicht erwirken. Er, Sima, sei „aus verschiedenen Überlegungen zu der Überzeugung gelangt“, daß der Erwerb des Schlosses'durch die Hermagorasbruderschaft keine „befriedigende Lösung“ darstellen würde. Wer zwischen den Zeilen des Briefes zu lesen versteht, wird erkennen, daß wohl nun wieder einmal staats- politiische Interessen bemüht werden, wie das Landeshauptmann Sima bezüglich des Baues des Gymnasiums Völkermarkt getan, aber dann auf Grund einer Glosse in der Wochen zeitung der christlichen Slowenen korrigiert oder ergänzt hatte.

In letzter Minute sozusagen hat die Bank für Kärnten als Treuhänderin .für eiinen Dritten (man vermutet, daß es sich um eine Bundesdienststelle handelt) beim Masseverwalter Rechtsanwalt Dr. Taterioner ein Anbot eingebrachit, das bis 31. Jänner 1970 gültig ist. Inzwischen hatte man neuerlich Abwehrkämpfer aus ganz Kärnten zusammengetrommelt, die mit Abstinenz bei den Feiern am

10. Oktober 1970 drohten, da Gemeinden, Land und Bund in der Frage Viktring teilnahmslos seien.

Mit doppeltem Boden

Die Vorwahlzeit im winterlich trüben Kärnten treibt seltsame Blüten. Landeshauptmann Sima geriet in dieser seiner eindeutigen Stellungnahme gegen den Ankauf des Schlosses von kärnten-slowenischer Seite in klaren Gegensatz zu den Ausführungen des dritten Landtagspräsidenten Hans Pawlik (ebenfalls SPÖ), der anläßlich der unlängst im Kärntner Landtag abgeschlossenen Budgetdebatte in- Frontstellung gegen die Freiheitlichen in der Affäre Viktring erklärt hatte, die Hermagoras sei seit über hundert Jahren in Kärnten beheimatet. Oder gibt es innerhalb der Partei so etwas wie eine doppelbödige Politik? Das jedenfalls fragen sich in Kärnten auch jene Slowenen, die bisher der SPÖ voll vertraut hatten.

Der Landtag hingegen beschloß mit den Stimmen der SPÖ und der einen (entscheidenden) Stimme der KPÖ seine vorzeitige Auflösung. In SPÖ- Kreisen ist man zuversichtlich, daß nach den nächsten Landtagswahlen (die noch vor den Nationalratswahlen stattflnden werden) eine solche Schützenhilfe, von links nicht mehr notwendig sein wird.

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