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Gesetz vom Imagedefekt

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Die Vorgeschichte enthält alle Elemente, die Glück und Ende eines Politikers beschreiben, und mag allen jenen, die Politik immer schon für etwas Anrüchiges gehalten haben, ihre Vorurteile bestätigen: Im Spätherbst des vergangenen Jahres stand das heute noch nicht sanierte, wohl aber suspendierte Ortstafelgesetz zur Durchführung. Die Landesregierung exekutierte es. Hans Sima spürte plötzlich starken Gegenwind, der nicht nur faules Obst und Schimpfworte an ihn heranwehte, sondern ihn auch von der Spitze der Bundespartei abtrieb. Die sozialistische, bislang unumstrittene Mehrheit bekam Sprünge. Die Gemeindezusammenlegung in Teilen Kärntens und ein Bundestrend, der bis dahin schon bei einigen lokalen Wahlen aufgetreten war, taten das Ihre, um bei den Gemeinderatswahlen in Klagenfurt und Unterkärnten im März des heurigen Jahres sechsprozentige Verluste der SPÖ Realität werden zu lassen. Der Bürgermeister von Klagenfurt bezahlte den Verlust der absoluten Mehrheit seiner Partei mit dem Verlust seines Bürgermeistersessels; Hans Sima die Summe all dieser Dinge und Umstände eben mit seinem politischen Leben.

Als die Kärntner SPÖ unter kalkulierter Absenz der Bundesspitze am 19. Mai dieses Jahres ihren Landesparteitag abhielt, überwog bei den Delegierten die Meinung, man müsse die Funktionen des Landeshauptmannes von denen des Landespartei-obmannes trennen. Anders gesagt: Die Partei entzog Hans Sima das Vertrauen. Neuer Landesvertrauensmann wurde Hans Wagner.

In der nächsten Szene ging es nicht mehr um den Parteipolitiker, sondern um den Kärntner Landeshauptmann Hans Sima. Dieser wurde ultimativ aufgefordert, seinen Posten in die Hände der Partei zurückzulegen und seinem Nachfolger Platz zu machen. Damit nähern wir uns der Dimension, die hinter dem aktuellen Postenkarussell liegt. Eine Dimension, die von den (einander ausschließenden?) Begriffen Parteidisziplin, freies Mandat, Listenwahlrecht und Persönlichkeitswahl geprägt wird.

Für die Kärntner Sozialisten stellte sich also die Frage, wie man den gestürzten Parteifunktionär vom Stuhl des Landeshauptmannes stürzen kann.

• Mit einer Zweidrittelmehrheit der Stimmen im Landtag, wie es die Landesverfassung vorsieht;

• die Auflösung des Kärntner Landtages, was mit einfacher Mehrheit und folglich von der SPÖ allein durchgeführt werden kann, und nachfolgende Neuwahlen, wobei Sima nicht mehr auf der Parteiliste kandidiert. Und, drittens,

• die Neuverteilung der Kompetenzen (durch Landesgesetz) mit dem Endziel, einen Landeshauptmann ohne Portefeuille, sprich: ohne Aufgaben, hervorzubringen und bis zu den Wahlen im Jahre 1975 mit der Lösung des Problems zu warten.

Das hat sich nun alles deshalb erübrigt, weil Sima einvernehmlich am 12. April 1974 als Landeshauptmann abtreten will.

Hans Sima beantwortete alle Aufforderungen seiner Partei, zurückzutreten, jedenfalls erfolgreich mit den Hinweisen, daß

• einerseits alle Entscheidungen, die ihm nun in der großen Endabrechnung zum Vorwurf gemacht werden, in den zuständigen Gremien und mit Einstimmigkeit gefällt wurden und

• er, anderseits, nach wie. vor, vom Vertrauen des Landtages, besser noch des Kärntner Volkes, seiner Wähler getragen sei.

Formal ist diese Argumentation zweifellos unrichtig. Denn nicht die Kärntner Wähler machten Hans Sima zum Landeshauptmann, sondern die sozialistische Mehrheit im Kärntner Landtag. Nach dem Wahlgesetz, dieses formal genommen, wählt niemand Hans Sima oder Bruno Krei-sky, sondern Liste 1 oder Liste 2. Es wird eben nur der Bundespräsident durch eine direkte Volkswahl gekürt.

Formal ist also dieser Rekurs auf das Volk zweifellos unrichtig. Ist er es auch materiell, also inhaltlich?

Die aktuellen Wahlkämpfe betueisen, daß heute eine starke Personalisierung der Wahlwerbung durchgehalten wird. Ein Wahlkampf ist von der Konstruktion eines Spitzenkandidaten nicht zu trennen. Egal, ob zu einer „Löwenhatz“ oder zu einem Malwettbewerb, mit dem vorgegebenen Sujet Hahn, geblasen wird. In allen Fällen dominiert eine Einzelperson und nicht eine Liste. Der Wähler orientiert sich an Personen, deren Qualitäten, und nicht an abstrakten Reihungen und alphabetischen Aufzählungen von Namen. Man kann das begrüßen oder bedauern, nur nicht leugnen. Und so besehen, hat Hans Sima die vergangenen Kärntner Landtagswahlen geschlagen und gewonnen. Daraus resultiert der Auftrag, zwar nicht des

Kärntner Volkes, aber doch der Mehrheit. Auch das freie Mandat, das Abgeordnete ausdrücklich von Weisungen und Aufträgen entbindet, gehört ebenfalls hierher.

Es scheint also die eigentliche Ursache für den Kärntner Herbst in einem Imagedefekt der ehemaligen Wahllokomotive zu liegen. Der Erfolg versiegte, es versiegt auch die Gefolgschaft.

Bei all dem bleibt natürlich eine Frage offen: wie ein Mann von der Psychostruktur Hans Simas Spitzenfunktionär einer großen Partei werden, dies bis zu seiner Verselbständigung bleiben und unverdrossen weitere Ämter anstreben und angeboten bekommen kann. Und hier liegt der Systemfehler.

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