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Herzog ohne Land

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Nach den Zeiten im Zeichen der Brunos sei nun das „Leo-poldinische Zeitalter“ angebrochen, erzählt man sich, wenn Kenner der SPÖ-Interna zu vorgerückter Stunde beisammensitzen. In Wien hat Leopold Gratz die Macht übernommen und in Kärnten steht Leopold Wagner an der Schwelle zu dieser Macht. Nominell regiert dort vorerst freilich noch „Herzog Johann (inzwischen) ohne Land“.

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Nach den Zeiten im Zeichen der Brunos sei nun das „Leo-poldinische Zeitalter“ angebrochen, erzählt man sich, wenn Kenner der SPÖ-Interna zu vorgerückter Stunde beisammensitzen. In Wien hat Leopold Gratz die Macht übernommen und in Kärnten steht Leopold Wagner an der Schwelle zu dieser Macht. Nominell regiert dort vorerst freilich noch „Herzog Johann (inzwischen) ohne Land“.

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Letztgenannter Landesfürst Hans Sima dürfte freilich auch bald der verbalen Insignien politischen Herr-schertums verlustig gehen, obwohl er sich nun noch einmal als höheres Wesen gebärden kann: „Wenn der Hansi net will, nützt des gor nix“, soll angeblich die neue Kennmelodie der Kärntner-SP-Spitzengremien sein, die am 10. September zusammentreten werden, um parteiofflziell die Sima-Ablöse und andere Personalfragen zu klären.

Nachdem das Kärntner SP-Präsidium bereits in kollektiven Nachdenkprozessen zum Entschluß gekommen sein soll (was freilich nur inoffiziell durch Klagenfurter Polstertüren sickerte), den als Parteichef bereits gestürzten Sima mit Auslaufen der kommenden Frühjahrssession (also im Sommer 1974) zum Rücktritt als Landeshauptmann aufzufordern, dürfte der Parteivorstand am 10. September wohl zur selben Ansicht gelangen.

Doch, wie gesagt — wenn Sima nicht will, nützen alle Vorstandsund Präsidiumsbeschlüsse seiner Partei nichts. Er muß freiwillig zurücktreten. Und ob er das tun wird, ist eine Frage, deren Beantwortung er derzeit in mirakelhafter Verklausulierung vor sich gehen läßt.

Ein Sima-Sturz durch Vertrauensentzug im Landtag wird jedenfalls unmöglich sein, da ein solches negatives Votum einer Zweidrittelmehrheit bedürfte. ÖVP und FPÖ werden sich jedoch davor hüten, dem erklärten Sima-Nachf olger Leopold Wagner vorzeitig auf den Landeshauptmannsessel zu verhelfen, um ihm dadurch eine bessere Startposition für die spätestens im Frühjahr 1975 fälligen Kärntner Landtagswahlen zu verschaffen.

Der 10. September hat für die SPÖ aber auch noch dn anderer Weise personalpolitische Bedeutung. Der Parteivorstand soll sich bei dieser Sitzung auch mit dem zu erwartenden Rücktritt des schwererkrankten Landeshauptmannstellvertreters Erich Suchanek beschäftigen. Letzterer wollte während der vergangenen Wochen schon mehrmals abgelöst werden. Und nun, da Bundeskanzler Kreisky sich damit einverstanden erklärt hat, seinen Verkehrsminister Frühbauer (ein Wahl-Villacher und ÖGB-Spitzenmann wie Suchanek) zurück nach Süden ziehen zu lassen, gilt diese Rochade als besiegelt, wenngleich Beschlüsse erst zu fassen sein werden.

Der integre Suchanek dürfte damit in ansprechender Weise ersetzt werden. Ob Minister Frühbauer jedoch als Landeshauptmannstellvertreter oder nur als Landesrat in das Klagenfurter Regierungsgebäude einziehen wird, ist noch offen. Kenner der Situation tippen eher auf die zweite Möglichkeit, da der bisherige Landesrat Hans Schober nun wenigstens mit einer „Beförderung“ für seine Verdienste um den Sima-Sturz belohnt werden soll. Und in diesem Zusammenhang und Sinne gibt es auch noch eine zweite Belohnungsbeförderung vorzunehmen, die dem ehemaligen Klagenfurter Bürgermeister Hans Ausserwinkler gelten müßte. Er, so raunt man sich zu, soll den freiwerdenden Regierungsplatz von Landesrat Leopold Wagner besetzen, sobald dieser Landeshauptmann Sima ablöst.

Ob sich nach der vollzogenen Rochade jedoch viel an der Struktur in der Kärntner SP-Spdtze ändert, muß eher angezweifelt werden. Politische Witzbolde haben sich dazu bereits etwas einfallen lassen: Der letzte (und noch von Sima präsidierte) Kärntner SP-Parteitag faßte nämlich den Beschluß, eine Demokratiereformkommission einzusetzen — ein sogenanntes Reformatorium, wie man das Gremium taufte. Nun allerdings, da nur die Creme der Parteiführung in diesem Gremium sitzt, spricht man bereits von einem Crematorium, dessen Mitglieder ein so distanziertes Verhältnis zur innerparteilichen Demokratie hätten, daß größtmögliche Objektivität gewährleistet sei...

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