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Der alte Glanz ist hin

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Viktrings Bürger machten sich Sorgen um ihr Hab und Gut. „Wie kann das Musikforum das Eigentum der Viktringer Bürger schützen“, fragte einer der „Betroffenen“ anläßlich einer Gemeindebürgerversammlung in Sachen Musikfestival, und der Gendarmeriebeamte Cemernjak, seines Zeichens FPÖ-Gemeinde-rat und Fremdenverkehrsreferent des Ortes, zog seine Erfahrung zu Rate: „Ich war beim Militär und weiß daher, daß man eine Gulaschkanone für eine Kompanie von 150 Leuten braucht — wie wollt ihr nun 5000 Jugendliche mit einer Gulaschkanone abspeisen?“

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Viktrings Bürger machten sich Sorgen um ihr Hab und Gut. „Wie kann das Musikforum das Eigentum der Viktringer Bürger schützen“, fragte einer der „Betroffenen“ anläßlich einer Gemeindebürgerversammlung in Sachen Musikfestival, und der Gendarmeriebeamte Cemernjak, seines Zeichens FPÖ-Gemeinde-rat und Fremdenverkehrsreferent des Ortes, zog seine Erfahrung zu Rate: „Ich war beim Militär und weiß daher, daß man eine Gulaschkanone für eine Kompanie von 150 Leuten braucht — wie wollt ihr nun 5000 Jugendliche mit einer Gulaschkanone abspeisen?“

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Der Grund für diese Befürchtungen war die Verlegung des 1968 unter dem Stern Friedrich Guldas gegründeten „Musikforums“ von Ossiach nach Viktring am Stadtrand von Klagenfurt und die damit zu erwartende Kolonne mitunter recht langhaariger Jugendlicher, für die man heuer (nachdem im Vorjahr einige gleich unter Guldas Flügel übernachtet hatten) ein „Camp for Tramps“ errichtet hat. Bürgerbetroffenheit stand also auch heuer wieder an der Wiege des Musikforums, das am neuen Standort (in einem Großraumzelt hinter dem Stift Viktring) von Staatssekretär Dr. Veselsky eröffnet wurde. Und wie die ersten Tage dieses Musikfestivals zeigten, hat man mit dem Stiftshof von Ossiach und Friedrich Gulda (der heuer erstmals nicht mit-von der Partie ist) auch einen Teil des bisher auch vorhandenen Renommierpublikums aufgegeben. Was blieb, sind hauptsächlich musikbesessene junge Leute, ein Programm, wie es in dieser Komplexität erstmals erreicht wurde und der feste Wille der Crew um Siegmar Bergelt, das Musikforum trotz aller in den Weg gelegten Prügel und unter den nunmehr geänderten Vorzeichen auch weiterhin fortzusetzen. „In Richtung Weltmusik“ hat man über das diesjährige Musikforum geschrieben, bei dem der Flamenco-Gitarrist Victor Monge „Serranito“, Egberto Gismonti aus Rio de Janeiro mit lateinamerikanischer Musik, die Jazzer George Gruntz, John Surman, Franco Ambrosetti, Daniel Humair, Pierre Favre, Charly Anto-lini und Isla Eckinger, das indische Shitar-Tabla-Duo Arvind Parikh' Shashi Bellare sowie Dollar Brand und das „Don Cherry Quartet“ auftreten werden.

Ein besonders großes Publikumsinteresse fanden heuer die aus Solisten aus Afrika und Westindien zusammengesetzte Gruppe „Osibisa“, deren Musik auf afrikanischen Criss-Cross-Rhythmen basiert und die mit ihrem Motto „Wir kämpfen nur mit den Waffen der Musik“ in England und Amerika von Erfolg zu Erfolg eilten sowie die vom Wiener Musikethnologen Dr. Gerhard Kubik entdeckten (und nunmehr mit Rassel und Gesang verstärkten) „Ka-chamba-Brothers“ aus Malawi, die im Stil der Kwela-Ensembles, wie sie in den Straßen der südafrikanischen Städte musizieren, mit Penny-whistle (Metallflöte), Gitarre, Rassel und One-String-Baß agieren. „Wir machen nicht Jazz, nicht Soul, nicht Blues, nicht Pop — wir machen alles in einem“, sagen die Kachambas. (Denen man bei einer privaten Zim-mervermieterin in Klagenfurt verbot, Waschraum und Eßzimmer zu betreten.)

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Bevor man nun allerdings „in Richtung Weltmusdk“ musizieren konnte, hatte das Musikforum heuer mehr als die nun ohnehin schon obligatorischen Schwierigkeiten zu überwinden. Vorerst war es einmal unmöglich, den Stiftshof von Ossiach noch einmal zu bekommen, wofür Renovierungsarbeiten einerseits und der dort noch immer vorhandene Volkszorn gegen trampende Gäste anderseits ausschlaggebend waren (im übrigen meinte die Wirtin des Ossiacher „Hotel Post“1 dazu: „Wir brauchen das Musikforum nicht mehr, wir sind jetzt sowieso die ganze Saison ausgebucht“). Auch die MusiWorumorganisatoren waren über diesen Abschied nicht weiter traurig, hatte man doch mit Viktring einen anderen günstigen Austragungsort ausgemacht, an dem man sich noch dazu verstärkte Unterstützung erwartete. So beschloß man also die Liquidierung des Vereines „Musikforum Ossiachersee“ (die allerdings erst vollzogen werden kann, wenn noch vorhandene Verbindlichkeiten beglichen sind, was mit einer noch ausständigen Subvention des Landes Kärnten geschehen soll) und gründete den Verein „Musikforum Kärnten“ mit dem Sitz in Viktring.

Inzwischen mußte man sich auch damit abfinden, daß Friedrich Gulda — bisher der anziehende Pol des Musikforums — nicht mehr mitmacht, da er — wie es offiziell heißt — „eine Institutionaliisierung des Festivals befürchtet“. Intern ist jedoch bekannt, daß die wahren Gründe der Gulda-Absenz in einer persönlichen Kontraverse mit seinem langjährigen Manager und Musikforum-Promotor Siegmar Bergelt liegen, dessen Vertrag mit Gulda im Februar 1973 ausläuft (Gulda wird mittlerweile bereits von einer Genfer Konzertagentur gemanagt).

Es scheint nun so zu sein, daß der Gulda-Abgang ein vorbeugendes „Gesundschrumpfen“ auf jenes jugendliche Publikum bedeutet hat, das weniger von großen Namen als von dieser improvisierten Form des Festivals angelockt wird. Damit vermag das Musikforum auch nicht mehr den Glanz vergangener Jahre auszustrahlen — es ist dafür aber zu einem vielleicht interessanteren, unkonventionellen Großseminar geworden.

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Schließlich geriet das Musikforum aber auch noch mitten in einen Strudel politischer Querelen, von deren Ausgang für die Zukunft dieser Veranstaltung sehr viel abhängen kann. Vorerst hatten nämlich Viktrings Bürgermeister PoZcjJnig die Obmann-stelle des Musikforums und Landeshauptmann Sima den Ehrenschutz übernommen. Wenige Wochen vor Veranstaltungsbeginn legten beide (durch Parteifreundschaft verbundenen) Herren ihre Ämter zurück. Offiziell begründete man das mit der kurzen Vorbereitungszeit und der angeblich ungesicherten finanziellen Situation. Insider glauben freilich zu wissen, daß man auf dem Weg zur Weltmusik deshalb des Beistands von Landeshauptmann und Bürgermeister entbehren muß, weil es im kommenden Frühjahr Gemeindezu-saniinenllegungen (Viktring kommt zu Klagenfurt) und Gemeinderatswahlen gibt. Die beiden Genossen bangen um die Stimmen vieler, wegen des Musikforums und seiner langhaarigen Besucher in einen unartikulierten Emotionszustand geratenen Wähler, weshalb man sich absetzte (obwohl Unterrichtsminister Sino-watz weiter zum Musikforum stand und das Land Kärnten seine 200.000 Schilling Subvention nicht zurückzog) und nun ablehnende Zurückhaltung übt. So griff Sima am Eröffnungstag persönlich zum Telephon und recherchierte bei seinem Parteiblatt „Kärntner Tageszeitung“, wer sich erfrecht hatte, einen positiven Artikel anläßlich der Musikforumeröffnung zu schreiben. Zur allgemeinen Verwirrung trug dann noch Regierungsmitglied Veselsky bei, der in seiner Eröffnungsansprache feststellte, daß „die Welt nicht heil ist und die Musik daher auch nicht immer so heil zu sein braucht, wie sich das viele Etablierte wünschen“.

Beim Musikforum äußert man derweil den „starken Verdacht, daß die öffentlichen Stellen das Musikforum in den Kulturbetrieb integrieren wollen“. Um das zu verhindern, strebt man nun die „totale Demokratisierung“ dieser Veranstaltung an, indem man aus Offiziellen, Künstlern und Publikum zusammengesetzte Arbeitsgruppen eingesetzt hat, die während des diesjährigen Musikforums ein „musikideologisches und gesellschaftspolitisch relevantes Konzept erarbeiten sollen, das einen klaren Auftrag an die Organisatoren für das nächste Musikforum darstellt“. Man will so der Infiltration durch Kulturbeamte begegnen und „Widerstände von außen durch Offenlegungen von innen verhindern“, damit das Musikforum auch im nächsten Jahr stattfinden kann — wo dies allerdings der Fall sein soll, scheint derzeit noch völlig ungeklärt zu sein.

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