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Gegen das Volksempfinden

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Am 10. Oktober jährt sich heuer der Tag der Volksabstimmung, durch die der Verbleib Unterkärntens bei Österreich gesichert wurde, zum 50. Male. Schon den 40. Volksabstimmungsjahrestag hatte man mit Riesenaufmarsch und einer Festrede des damaligen Bundeskanzlers Raab in Klagenfurt gefeiert. Daneben finden alle Jahre lO.-Oktober-Feiern in allen Landesteilen statt

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Am 10. Oktober jährt sich heuer der Tag der Volksabstimmung, durch die der Verbleib Unterkärntens bei Österreich gesichert wurde, zum 50. Male. Schon den 40. Volksabstimmungsjahrestag hatte man mit Riesenaufmarsch und einer Festrede des damaligen Bundeskanzlers Raab in Klagenfurt gefeiert. Daneben finden alle Jahre lO.-Oktober-Feiern in allen Landesteilen statt

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Alle diese Festlichkeiten will man jedoch heuer bei weitem in den Schatten stellen. Der ORF wollte bereits ein Jahr im voraus den Kärntnern zu ihrem Festtag seine Reverenz erweisen und ließ für das Fernsehen einen Film „50 Jahre Kärnten“ drehen. Diese Feiertagsgabe wurde vor den Karawanken vom gesunden Volksempfinden als Provokation aufgefaßt. Vorerst filmte man von Bundesheersoldaten gestellte K lpfszenen, das fand man in Ordnung, danach gaben Alt-Landeshauptmann W e d e n i g und andere Veteranen Statements ab, auch sie hörte man sich zufrieden an. Doch dann kam etwas, was absolut nicht allgemeine Zustimmung fand. Die TV-Leute wollten nämlich auch das heutige Kärnten zeigen, und da rutschten ihnen neben Aufnahmen über eine Bundesheerfestivität auch einige Kärntner Künstler bzw. solche, die hier leben, hinein, wodurch sich die noch immer zu einem gewissen Teil meinungsbildend wirkenden Volkskunst- (oder was man als solche bezeichnet) und Traditionspfleger ins Gesicht geschlagen fühlten. Dieser Volkszorn ist nun verraucht, und der TV-Film fast vergessen.

Man schreitet neuen, größeren Taten entgegen. An jedem Sonntag finden irgendwo Gausingen, Blasmusikfeste, Gesangsvereinsjubiläen, Gedenkfahrten nach Unterkärnten, Gedenkabende, Festveranstaltungen und in den für die Urlauber erstellten Veranstaltungskalendern vermerkte Heldenehrungen statt. Alles unter dem Motto: „50 Jahre Kärnten frei und ungeteilt.“ Jährlich finden von der Landesregierung finanzierte Erholungsaktionen für Kärntner Abwehrkämpfer statt. Heuer wurde das

Kontingent der „Erholungisberechtig-ten“ wesentlich vergrößert, und Kla-n genfurts Bürgermeister lud die Abwehrkämpfer zu einer Bootsrundfahrt auf dem Wörthensee ein. Der Abwehrkämpfer werden freilich immer weniger. Viele „echte“ Heimatverteidiger haben sich gar nicht erst als solche registrieren lassen und verfolgen das Treiben nun eher erstaunt. An ihre Stelle sind aber 2.-Weltkriegs-Teilnehimer getreten, die als Traditionsträger die Fahne hochhalten und sich nur zu gern gleich als Abwehrkämpfer „mitfeiern“ lassen. Sie sind auch die treibenden Kräfte der überall veranstalteten Feiern, die am 10. Oktober in Klagenfurt mit einer Großkundgebung — man rechnet mit der Teilnahme des Bundespräsidenten und Bundeskanzlers — ihren Höhepunkt finden sollen. Für die Mitglieder der „teilnehmenden kulturellen und anderen Vereine“ wurden bereits Ausweise gedruckt, um diesen Personen die Anreise in die Landeshauptstadt mit einem öffentlichen Verkehrsmittel zu einem verbilligten Fahrpreis zu ermöglichen. Kärnten soll an diesem Tag „wie ein Mann aufstehen“ (Standardformulierung aus den jährlich gehaltenen Festreden), um in Reih und Glied durch Klagen-furt zu marschieren.

Einerseits — anderseits Trotzdem gibt es — wenn auch wenige — Stimmen, die zu bedenken geben, daß man sich einerseits bemüht, einen herzlichen Kontakt zu den südlichen Nachbarn herzustellen und anderseits die Slowenen jährlich mit Trommelwirbel an ihre Niederlage von 1920 erinnert. Als „Landesverräter“ gelten in gewissen Kreisen selbst jene, die den Kärntner Abwehrkampf voll zu würdigen wissen, i jedoch gegen die Form der jährlichen Gedenkfeiern und die dort — des öfteren in aggressiver Tonart — gehaltenen Reden opponieren. So zog erst kürzlich im Rahmen einer .Pädagogischen Woche“ Landesarchiv-direktor Dr. Neumann gegen „jugendliche Neutöner in der Geschichtsdeutung“ zu Felde und fand damit mehr Zustimmung als alle mehr „Mäßigung“ fordernden Personen zusammen.

Trotzdem gibt es in Kärnten Leute, die glauben, daß der 10. Oktober heuer zum letztenmal in diesem Ausmaß gefeiert wird. Vor allem in der engagierten Jugend Kärntens gibt es nicht zu übersehende Gruppen, die zwar weniger den Abwehrkampf in Frage stellen, aber von Gedenkfeiern nichts mehr wissen wollen. In diesem Sinne dürfte auch eine in der letzten Ausgabe der von der jungen Generation in der ÖVP-Kärnten herausgegebenen Zeitschrift „activ“ erschienene Ankündigung zu deuten sein, daß man in der nächsten — im September — erscheinenden Nummer bekanntgeben will, wie man über die Feierlichkeiten zum Volksabstimmungsjubiläum denkt.

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