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Eine Affäre?

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Der Fall Borodajkewycz selbst war so etwas wie eine österreichische Affäre, ohne Zweifel; ganz gleich, in welchem Grade er Symptom oder nur Einzelfall war. Der ominöse amerikanische Fernsehfilm, gesendet (gezielt?) am 15. Mai dieses Jahres mit österreichischem Drehbuchmitverfasser und Meinungen von Österreichern, ist es nicht.

Es ist kein guter Film, wovon man sich am Sonntag zu ungut früher Abendstunde im Österreichischen Fernsehen durch die Vorführung des Bildoriginals mit da und dort fehlerhafter deutscher Übersetzung und anschließender Diskussion der Beteiligten, einschließlich eines advocatus diaboli der Hochschülerschaft, der sich übrigens tapfer schlug, überzeugen konnte.

Entlastet ist der Großteil der österreichischen Interviewten, die nach ihrer eigenen Erklärung, ohne das Gesamtkonzept zu kennen, einfach befragt wurden und nach bestem Wissen und Gewissen antworteten („drei Stunden lang“, sagte einer, „aber hörbar wurde nur der Umfang von etwa eineinhalb Maschinschrift- seiten“).

Nicht entlastet ist damit die Anlage des Drehbuches, die den Antisemitismus und Nazismus in Österreich zeigen sollte, aber vorwiegend Genrebildchen aus Sauf- und Mensurunsitten von jungen und alten Herren der schlagenden Verbindungen brachte. Hier hakte in der Diskussion richtig der Vertreter der Hochschülerschaft ein, erklärte diese Darstellung als unrepräsentabel, indem er die gezeigten Helden in jenen stillen, einflußlosen Winkel verwies, wohin sie gehörten — der Großteil der demokratischen, österreichbekennenden unserer 40.000 Hochschüler sei im Film unsichtbar und unihörbar geblieben.

Nicht entlastet ist auch die unglückliche Formulierung eines Befragten, die Moskauer Deklaration habe den Österreichern in einem „schrecklichen Irrtum“ alles Schuldgefühl geraubt. So meinte er sie waren Wasser auf die Mühle jener, die ein fleißiges, geruhsames Land mit Außenseitern, wie es sie überall gibt, zu einem Tummel- und Rummelplatz gefährlicher Unruhen und zu einer unnotwendigen Fernsehsensation hochspielten.

es zumindest, im unr aer - Amerikaner klang es anders. Auch ein anderer. Vorwurf, die österreichischen Truppen seien nur „für zeremonielle Pflichten“ da und würden „gelegentlich für Operetten verwendet", ist angesichts der letzten Katastrophenhilfen bitter ungerecht.

Unter den unterschiedlichen Anrufen während der Sendung hätten die rüden Töne unterbleiben sollen;

Der Film sprach für sich selbst. Die Antwort sollte sachlich und kurz sein.

Anführungszeichenösterreicher

Es gibt Österreicher und „Österreicher“. Letztere sind leicht daran zu erkennen, daß sie gerne alles, was mit einer festen Verankerung der österreichischen Staatsidee in den Herzen unserer Bürger zusammenhängt, in Frage stellen beziehungsweise unter Anführungszeichen setzen. Ein solcher Anführungszeichen-Österreicher ist der vor Jahresfrist einer bekannten Wiener Tageszeitung zugewachsene neue Ressortleiter für Innenpolitik. Wie so manche andere, die in ihrer Jugend sich einer Österreich feindlichen Idee verschrieben hatten, akzeptiert er nun zwar die Republik Österreich gleichsam als Vereinigte- Bundesländerkonsumenten-G. m. b. H. Aber alles, was einer stärkeren Betonung der österreichischen Staatsidee gleichkommt, findet bei ihm nur kühle Reserven. Ein rotes Tuch aber ist es für diesen Repräsentanten eines Salon-Deutschnationalismus, wann immer im Zusammenhang mit Österreich das Wort Nation gebraucht wird.

Eine Probe davon hat er am 14. Juni abgegeben. Es galt, den österreichischen Nationalfeiertag mies zu machen. Pardon! Warum schreiben wir Nationalfeiertag? Hans Thürs Feder sträubt sich, dieses Wort zu gebrauchen. Er schreibt konsequent immer nur Staatsfeiertag. Seine Begründung: Es ist manches „in der Volksseele noch nicht gelöst. Aus diesem Grund spricht man ungern vom National-, und statt dessen vom Staatsfeiertag“. Wer ist, blatt vor seine eigenen staatspolitischen Blößen hält.

bitte,1-1 ,',man“?’‘ 'Die Abgeordneten der österreichischen Volksvertretung (mit Ausnahme der Freiheitlichen) können damit nicht gemeint sein. Ihr Votum war klar. Und allein in wessen Seele etwas „nicht gelöst" ist, zeigt der Autor mit seinen Ausführungen deutlich. Daran ändert auch nichts, daß er einige Zitatfetzen aus einer Rede des Präsidenten des Nationalrates gleich einem Felgen-

A propos: Präsident des Nationalrates. Den hätte er nicht bemühen dürfen. Denn wenn ihm schon ein österreichischer Nationalfeiertag ein Greuel ist, so sollte er auch das W'ort österreichischer Nationalrat nicht über die Lippen bringen, nie ein Buch aus der Österreichischen Nationalbibliothek entlehnen und konsequenterweise am Monatsletzten die Annahme von Banknoten verweigern, die von der Österreichischen Nationalbank herausgegeben werden.

Aber so konsequent sind unsere Anführungszeichen-Österreicher wieder nicht.

Wer wiehert da?

Fein säuberlich hatte eine steirische Gastwirtin den Erlagschein für die Grazer Gebietskrankenkasse ausgefüllt („Schilling: 0, Groschen 05“) und dem Schalterbeamten auf der Post durchs Fensterl gereicht. Der stutzte, amtierte dann aber stumm: Die Vorschreibung war klar.

Die Sache schlug Wellen, denn man kann sich an den Fingern ausrechnen, um wieviel teurer der ganze Vorgang von A bis Z war als der ausgeschriebene Betrag.

Antwort aus Graz: Die Frau hätte nicht sofort den „Betrag“ einsenden müssen, es sei ja nur eine Benachrichtigung gewesen

Seit wann ist ein Erlagschein nur eine gütige, unverbindliche Nachricht, auf die man erst gelegentlich reagieren braucht?

Pssst! Wiehert da nicht wer?

Die Kehrseite

Drei Frauen in einem Lebensmittelgeschäft, das in den nächsten Tagen schließt.

Die Geschäftsfrau: „Meine Ware werde ich halbwegs los werden, aber den großen Eisschrank da will niemand haben. Herschenken will ich ihn — aber niemand nimmt ihn mir ab.“

Dr zweite Frau: „Genau wie-W meiner Schwester. Die wollte bei einer Übersiedlung leinen tadellosen’ Stutzflügel anbringen — umsonst! Sie schrieb und fragte herum — überall bedauerndes Achselzucken. Schließlich inserierte sie, sie wolle .umständehalber' einen Stutzflügel verschenken. Zwei ganze Interessenten meldeten sich. Dem einen gefiel die Farbe nicht — sie passe nicht zur (neuen) Wohnungseinrichtung. Dem anderen war .das Zeug' zu groß (er hatte offenbar nichtsahnend mit einem Pianino gerechnet). Schließlich schenkte meine Schwester das Instrument einem Blindenverein, mußte aber noch 300 Schilling Transportkosten zahlen!“

Die Geschäftsfrau: „Ganz ähnliches hat sich hier im Haus abgespielt. Einer Familie wurde durch das Heranwachsen des Kindes das Zimmer zu klein. Also — hinaus mit dem Klavier. Verkaufen? Unmöglich. Verschenken? Unmöglich. Verzweifelt baten die Leute die Polizei um die Erlaubnis, in Erinnerung an die Wiener Entrümpelungsaktion das Klavier auf die Straße stellen zu dürfen, mit einem Täfelchen: Dieses Klavier kann jeder '. Die Polizei mußte nein sagen. Schließlich nahm es ein Bekannter .aus Gefälligkeit', verlangte (und erhielt) aber noch als .Draufgabe' eine Bank und einen Tisch.“

Die dritte Frau, verstört, entsetzt, weil’ sie schon seit Jahren (vergeblich) auf ein Pianino spart, hat stumm zugehört und uns diese Wohlstandsgeschichte erzählt.

Wir glauben ihr.

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