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Nadelstiche in Klagenfurt

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Seltsames tut sich in der deutschen Stadt Klagenfurt, wo der slowenische Verein „Kulturni dorn“ auf einem Teil der Kardinalschütt eine slowenische Kulturstätte errichten wollte. Doch kaum, daß der Plan, die dafür bestimmte Liegenschaft zu erwerben, im Magistrat ruchbar wurde, entdeckte der Magistrat der Kärntner Landeshauptstadt sein Herz für die städtebaulichen und kulturhistorischen Werte, die durch die Umbauabsichten des slowenischen Vereines gefährdet wurden.

Das Seltsame daran ist die Tatsache, daß Umbauabsichten des Vorbesitzers im Klagenfurter Magistrat niemanden gestört haben. Hier die Genesis der undurchsichtigen Geschichte, soweit sie der Öffentlichkeit bekannt wurde, in Kürze. In FURCHE Nr. 22/1975 findet die Tatsache, „daß das Klagenfurter Rathaus wegen des von slowenischen Organisationen erworbenen und zur Errichtung des slowenischen Kulturheimes bestimmten -Baugrunds eiligst den Verbauungsplan der Stadt abänderte, so daß der erworbene Baugrund nunmehr für eine Grünfläche bestimmt ist“, einen publizistischen Niederschlag.

In FURCHE Nr. 26/1975 hatte die Pressestelle des Klagenfurter Magistrats Gelegenheit, ihren Standpunkt in dieser Sache darzulegen. Demzufolge wäre die Stadt an der Parzelle, auf der das Haus Kardinalschütt Nr. 7 steht, bereits seit Jahren „aktenkundig nachweisbar“ interi essiert gewesen, „zumal sie auch unmittelbar angrenzend an das nunmehr umgewidmete Grundstück selbst Grundeigentümer ist“. Die Umwidmung, so Walter Perkounig im Namen des Magistrats, erfolgte lediglich deshalb, weil „auf der Kardinalschütt noch gut erhaltene Reste der Festungsbauwerke des 16. Jahrhunderts erhalten sind“. Im Jahr des Denkmalschutzes „würde es niemand verstehen, wenn dieses echte historische Denkmal aus den Überlegungen für die Altstadterhaltung ausgeklammert bliebe“.

Nun hätte der Plan, auf der Kardinalschütt ein slowenisches Kulturhaus zu errichten, keine historische Kasematte gefährdet, wenn auch vielleicht diesen historischen Boden im Empfinden mancher treudeutschen Seele fremdländisch besudelt. Der städtischen Beteuerung, die Umwidmung habe mit den slowenischen Bauabsichten nichts, aber schon gar nichts zu tun gehabt, ist vor allem ein gewichtiges Argument entgegenzuhalten.

Nämlich das Faktum, daß noch im März 1964 die Stadtverwaltung dem Vorbesitzer des Grundstückes, der es später an die slowenischen Vereine veräußerte, schriftlich mitteilte, daß gegen seine eigenen Bebauungspläne nichts einzuwenden und keine Umwidmung ins Auge gefaßt sei. Erst, als die Slowenen diese Liegenschaft erwarben und ihre Absicht bekanntgaben, hier ein slowenisches Kulturheim, zu bauen, entdeckte der Magistrat sein Herz für die historischen Werte. Für das Jahr des Denkmalschutzes kam diese Entdeckung, wie man selbst im Klagenfurter Rathaus einsehen wird, etwas knapp. Und das von der Pressestelle erwähnte, angeblich seit Jahren bestehende Interesse an dieser Liegenschaft kann demnach wenig Anspruch auf Glaubwürdigkeit erheben. Siehe den faksimilierten Brief an den Vorbesitzer.

So bleibt die Tatsache bestehen, daß in Klagenfurt tatsächlich erst, als das Grundstück von slowenischen Verbänden erworben und als Standort für ein slowenisches Kulturzentrum ausersehen wurde, eine Umwidmung dieses Grundstückes erfolgte. Und es bleibt, bewiesen durch den von uns abgedruckten Brief, die Tatsache bestehen, daß von einer solchen Umwidmung vorher nicht die Rede war — was immer die Pressestelle dieser Stadt jetzt dazu von sich gibt.

Die Slowenen selbst kann ein solches Vorgehen des Klagenfurter Magistrates nur darin bestärken, daß sie in Kärnten nicht gelitten sind, und daß man entschlossen ist, ihnen, wo immer möglich, das Leben mit Nadelstichen zu erschweren — zumindest das Leben als Minderheit mit eigenständiger Kultur. Im österreichischen Pressewald erzeugt solche den Slowenen immer wieder zuteil werdende Unbill längst kein unwilliges Rauschen mehr. Man verdirbt es sich nicht gerne mit den Lesern. Daher fanden ja auch die jugoslawischen Ausfälle gegen Österreich eine wesentlich empörtere österreichische Presse als beispielsweise die nur am Rande oder gar nicht zur Kenntnis genommene Tatsache, daß im Bezirk Völkermarkt die Häuser zahlreicher Sowenen, unter ihnen ehemaliger KZ-Häftlinge, mit Schmier-Inschriften wie „Tod den Slowenen“ versehen wurden. Und in Eisenkappel der Vorsitzende des dortigen Kulturvereines Zarja von Unbekannten niedergeschlagen, als „Bandit“ beschimpft und aufgefordert wurde, „nach Jugoslawien zu verschwinden“.

Das Klima in Kärnten wird nicht durch solche Übergriffe bestimmt, sondern durch den Alltag der Antipathie, die den Slowenen entgegenschlägt, wo immer sie sich nicht bravster Gleichschaltung befleißigen. Es wird von der lauen Reaktion auf solche Übergriffe bestimmt. Und — im Falle Kardinalschütt — von den Nadelstichen einer Behörde, bei der die Slowenen ihre Anliegen als nationale Minderheit noch niemals in verständnsivollen Händen wußten.

Seit dein „Ortstafelkrieg“ sind die

Verhältnisse nicht besser, sondern schlimmer geworden, denn der Ortstafelkonflikt war die Stunde der Wahrheit — und die Stunde der He-gierungsohnmacht angesichts des nationalen Zornes. In einem Bundesland, dessen Landeshauptmann nicht nur ein „hochgradiger Hitlerjunge“ war, sondern diese unrühmliche Vergangenheit auch gezielt im Wahlkampf einzusetzen wußte, wird sich niemand mehr um deutsche Wählerstimmen bringen, indem er sich in Verdacht bringt, es mit den Slowenen zu halten.

Und in diesen Verdacht gerät man, wie die Dinge heute in Kärnten liegen, sehr schnell. Fragt sich nur, was man angesichts solcher Sachlage vorzubringen gedenkt, wenn Österreich wieder einmal, und vielleicht in sachlicher und darum um so gefährlicherer Form, Vertragsbruch, Chauvinismus und Minderheitendiskriminierung vorgeworfen wird.

Wäre man ehrlich, könnte man nur noch antworten: „Wissen wir alles, aber unsere Leutein sind halt so.“

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