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Kärntner in zwei Klassen (eingeteilt

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Wenn es Ziel der Verantwortlichen im Staat sein sollte, einen innen- wie außenpolitisch brisanten Unruheherd zu entgiften, und zwar mit Hilfe der kommenden und nicht der abtretenden Generation, dann hat Österreich in diesen Tagen eine große Chance vertan. Die Kärntner Minderheitenschulfrage wird offenbar auf dem Weg des geringsten Widerstandes „gelöst“ werden.

Eine Reihe der vorgesehenen Maßnahmen verdient volle ZuStimmung, und es ist zu hoffen, daß sie auch verwirklicht werden. Es handelt sich dabei um

• die Verbesserung der Aus- und Fortbildung für Lehrer an zweisprachigen Schulen;

• die methodische Verbesserung des gemeinsamen Unterrichts;

• die klassenübergreifenden ge-meinschaftsfördernden Maßnahmen;

• die Verbesserung des Lehrplans, zum Beispiel für „interkulturelles Lernen“;

• die vertretbare Senkung der Klassenschülerhöchstzahlen;

• die Information der Bevölkerung über die erwähnten Reformschritte im Minderheitensehul-wesen beziehungsweise über den Wert der Zweisprachigkeit und der zweisprachigen Schule; und um den

• Förderungsunterricht in Slowenisch für Kinder ohne ausreichende Kenntnis dieser Sprache, etwa auch für Kinder deutscher Eltern.

Wären solche Maßnahmen nur auf das bisher bereits bestehende Schulsystem angewandt worden, dann hätte Österreich eine international besonders vorbildliche Form der kulturellen Integration einer Volksgruppe und der dauerhaften Beruhigung im Miteinander zweier Völker gefunden.

Leider drohen sie aber durch andere Maßnahmen mehr als aufgehoben zu werden:

1. Sind in einer Klasse mindestens je sieben Schüler zum deutschen beziehungsweise zweisprachigen Unterricht angemeldet, dann ist diese Klasse in eine einsprachige und eine zweisprachige Klasse zu teilen.

Das bedeutet in diesem emotionell so belasteten Gebiet Kärntens, daß die Kinder der beiden Volksgruppen vor allem getrennt werden, damit die deutschsprachigen Kinder nicht nebenher den Slowenischunterricht mithören können; für ihren Schulerfolg war “diese „Belastung“ bislang allerdings kein meßbarer Nachteil.

2. In gemischten Klassen, die die obige Teilungsziffer nicht erreichen, soll ein zweiter Lehrer mit 14 Wochenstunden in den Hauptgegenständen für getrennten Unterricht in derselben Klasse sorgen. Er braucht selbst die slowenische Sprache nicht zu beherrschen.

Damit wird das ohnehin sehr ausgeprägte Gefühl, als Slowene weniger und als Deutscher mehr wert zu sein, allmählich verstärkt und die Assimilierung gefördert. Der Konflikt wird aber geradezu institutionalisiert, wenn in so manchen Klassen Jahr für Jahr der Kampf um den siebenten Schüler von neuem beginnt, der eine Teilung oder Wiederzusammenlegung von Klassen auslöst

In dieser ganzen Auseinandersetzung werden überdies zwei Begriffe in irreführender Weise verwendet: Das „Kärtner Pädagogenmodell“ legt dem Unbefangenen nahe, es gehe hier vor allem um die Klärung pädagogischer Fragen; in Wirklichkeit geht es um eine von Gruppen der Mehrheit vorangetriebene Minderheitenpolitik.

Dabei wird mit dem „Elternrecht“ argumentiert, als dessen selbsternannte Anwälte Kärntner Heimatdienst, Kärntner Abwehrkämpferbund und FPÖ in der Kärntner Pädagogenkommission vertreten waren, während dort keine Mitglieder der Slowenenvertreter geladen waren.

Das erwähnte Elternrecht ist ja nicht von Eltern volksschulpflichtiger Kinder des zweisprachigen Teils von Kärnten in Anspruch genommen worden. Und die Tatsache, daß das Recht eines Teils der Eltern im Recht des anderen Teils seine Grenzen findjpi könnte, wurde ebenso ausgeklammert wie jeglicher Versuch, die Wünsche der direkt betroffenen Eltern überhaupt zu ergründen.

Freilich hat auch in den letzten Jahren die slowenische Volksgruppe Gelegenheiten versäumt, zu einem institutionalisierten Dialog mit der Bundesregierung zu gelangen, etwa im Rahmen der Volksgruppenbeiräte. Wäre dort eine langfristige konstruktive Kooperation zustande gekommen, dann hätten sich die politischen Parteien wohl mehr bemüht, diesen Dialog nicht zu sehr zu gefährden.

Der Autor ist Ko-Vorsitzender des Deutsch-Slowenischen Koordinationsausschusses der Diözese Gurk-Klagenfurt

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