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Ein Schritt in die Zukunft

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Nicht der Abbau des zweisprachigen Schulwesens in Kärnten sollte im Vordergrund der aktuellen Diskussion stehen, sondern die Weiterentwicklung zum Nutzen aller.

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Nicht der Abbau des zweisprachigen Schulwesens in Kärnten sollte im Vordergrund der aktuellen Diskussion stehen, sondern die Weiterentwicklung zum Nutzen aller.

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Schon seit längerem wurde von einigen Sozialwissenschaftlern (der Universität für Bildungswissenschaften und des Slowenischen wissenschaftlichen Instituts in Klagenfurt) bemängelt, daß es für das Minderheitenschulwesen in Kärnten trotz Schulversuchszeit in Österreich keine expliziten Schulversuche gegeben hat. Als 1983 die FPÖ Kärntens den Antrag auf Trennung der zweisprachigen Schulklassen einbrachte und der Kärntner Heimatdienst (KHD) im August 1984 das entsprechende Volksbegehren durchführte, formierte sich zunehmend der Gedanke, das zweisprachige Schulwesen müsse ausgebaut und verbessert werden.

Die Kompromisse, von denen immer wieder seitens der Politiker gesprochen wurde, würden nur eine Verschlechterung der ohnehin schon eingeschränkten Schulsituation der slowenischen Volksgruppe bedeuten. Für engagierte Wissenschaftler war es klar, daß nur eine Reform des derzeitigen Minderheitenschulwesens angestrebt werden kann.

Eine Kompromißlösung, im Sinne der Kärntner Parteien und des KHD, würde zudem das Miteinander beider Volksgruppen empfindlich stören und auf die Dauer irreparable Schäden zufügen. Denn Trennung läßt sich nicht nur auf den Schulbereich administrativ oder organisatorisch einschränken; eine solche Maßnahme hat auch Konsequenzen für die Umwelt, für das Agieren im zweisprachigen Gebiet.

Trennung in der Schule würde jene Kommunikations- und Beziehungsstrukturen in der Bevölkerung zerstören, die besonders in letzter Zeit mit sehr viel Sorgfalt, Mühe und Engagement aufgebaut worden sind. Also war es notwendig, einen Schritt vorwärts zu machen, also einen Reformgedanken aufzubauen, der sich in einer verbesserten Schulsituation für beide Volksgruppen ausdrücken würde.

Es war auch klar, daß die Schulversuche im Rahmen der 7. Schul-organisationsgesetz-Novelle, Art. IV, angesiedelt werden sollten: d. h. keine organisatorischen Veränderungen, sondern inhaltliche Verbesserungen, die zum einen die Schulsituation für beide Volksgruppen verbessern, zum anderen aber beide Volksgruppen auch näherbringen (sozialinte--grativer Gedanke).

Eine weitere Idee war es: wenn die Schulversuche gut vorbereitet, wissenschaftlich fundiert beantragt werden, so müssen sie erst einmal von den Befürwortern der Trennung wissenschaftlich widerlegt werden. Außerdem würde dieser Vorwärtsschritt die Diskussion über die Schulfrage nicht in parteipolitischem Gezänk ersticken, sondern sie zu einer echten Sachfrage machen. Eine Schulreform kann doch nicht von parteipolitischem Opportunismus oder Machtausüben bestimmt werden. Sie muß von den zuständigen Fachleuten diskutiert, erwogen und durchgeführt werden.

Im Laufe des Herbstes 1984 wurde an der Universität Klagenfurt eine Fachtagung „Gemeinsam leben - gemeinsam lernen” vorbereitet. Bei dieser Tagung trat man mit Lehrern in den zweisprachigen Volks- und Hauptschulen in Kontakt. Besonders behilflich dabei war der Pädagogische Fachverband, ein vor kurzem neugegründeter Verein, dessen Ziel es ist, auf dem Schulsektor des zweisprachigen Unterrichts Innovationen zu setzen.

Im Februar 1985 wurden auf einer zweitägigen Tagung mit 15 zweisprachigen Lehrern und Lehrerinnen die ersten Konzepte der

Schulversuche zusammengestellt. Nach dieser Tagung wurden andere Lehrer davon informiert bzw. auch die einzelnen wichtigen Personen besucht und über das Vorhaben informiert. Die Schulobrigkeit war darüber nicht erfreut, zum Teil wurden weitere Treffen mit Lehrern sabotiert bzw. boykottiert.

Nachdem die Konzepte weiter gereift sind, wurden sie bei weiteren Lehrertreffen in der zweisprachigen Region den Lehrern zur Kritik übergeben. Solche Treffen waren sehr hilfreich, weil die drei Versuchsmodelle immer mehr an die Möglichkeiten angepaßt wurden und so ein realistischeres Bild bekamen. Diese unmittelbare Beteiligung der Praktiker war eine wichtige Ausgangsposition, weil auch nach der SchOG-Novelle Schulversuche zur inneren Schulreform nur dann sinnvoll sind, wenn sie von der Basis kommen und dort von Beginn weg verankert sind.

Ein wesentliches Ziel dieser Schulreform ist auch, daß eine Veränderung nur dann angestrebt werden kann, wenn sie eine echte Verbesserung wäre. Schulversuche sollten auch durchgeführt werden, um Zeit zu gewinnen, um keine unüberlegten Veränderungen durchzuführen, um politische Emotionen abzubauen.

Mit diesen Modellen sollten auch Zeichen gesetzt werden, wie man ein regionales Anliegen in Österreich durch Schulreformen aufwertet.

Veränderungen im Minderheitenschulwesen müssen von der allgemeinen Reformpraxis im österreichischen Schulwesen ausgehen: Jeder Veränderung im Schulwesen geht eine Zeit der Schulversuche voraus. Dasselbe Prinzip ist auch im Minderheiten-Schulwesen anzuwenden.

Der Autor ist Assistent am Institut für Schulpädagogik und Sozialpädagogik der Universität für Bildungswissenschaften in Klagenfurt.

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