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Kulturreparationen

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Der jugoslawische Delegierte, Dr. Bebler, stellte bei der Debatte in Lancaster House die Behauptung auf, daß entgegen österreichischen Feststellungen nach dem ersten Weltkriege die kulturellen Reparationen nicht durchgefiihrt worden seien und die beanspruchten serbischen Kunstgegenstände sich noch immer bei uns befinden. Damit legte sich der Hauptdelegierte auf die Linie jener von näheren geschichtlichen Kenntnissen unbeschwerten Presseerzeugnisse jenseits der Karawanken fest, die vermeinen, der kulturelle Stand Österreichs sei so tief, daß er der Ergänzung bedürfe.

Man muß aber in dieser Fehde mit erhitzten Köpfen nüchtern ein wenig Buch führen. Es ist noch gar nicht solange her, daß im Zuge der Planwirtschaft und des Aufbaues Südslawiens die Notwendigkeit betont wurde, die vorhandenen kulturellen Einrichtungen in jenen Gebieten, die nach dem ersten Weltkriege zum damaligen Königreiche der Serben, Kroaten und Slowenen gekommen, weiter aufzubauen, beziehungsweise wiederaufzubauen, da sie durch die Ereignisse des zweiten Weltkrieges gelitten hätten. Welches aber sind diese Einrichtungen? Die Älteren unter uns werden noch gut wissen, wieviel an Steuergeldern der später freilich sehr geschrrfähten Monarchie nach den Randländern der Krone, also neben Galizien, nach Bosnien und der Herzegowina, gewandert sind — und darunter waren ja auch Steuergelder der nichtslawischen Teile der Monarchie. Bahnen, Straßen, Schulen und Krankenhäuser sind damals entstanden, das vernachlässigte Land, ehedem türkischer Besitz, wurde einer ungeahnten Blüte entgegengeführt. Und dies alles ohne Verpflichtung der fremdsprachigen Bevölkerung, ohne Rekrutierung von Jungstoßtrupplern und Zwangsarbeitslagern, ohne die Schauprozesse um verfolgte Priester, ohne Pressereklame. In Wien fanden die Gelehrten wissenschaftliche Bildung, die sie in ihrer Heimat zum Vorteile der einheimischen Bevölkerung weiterverbreiteten. Wiener Druckereien sind es gewesen, die serbische, slowenische und kroatische periodische Schriften an die Öffentlichkeit brachten, bis die technische Entwicklung im Süden soweit vervollkommnet war. Von der Zensurtoleranz wollen wir ganz schweigen.

Dr. Bebler behauptete weiter, daß Österreich den im Friedensvertrag von St.-Germain festgelegten Verpflichtungen zur Freiheit der Benützung der slowenischen Sprache für Gottesdienste nicht nachgekommen sei. Wir lesen demgegenüber in Dr. Josef Gurtners „Die Kirchenmusik im Lichte der Zahlen” (1936, Leogesellschaft) zum Berichtsjahr 1932, daß von 243 Chorleitern der Gurker Diözese 78 Slowenen gewesen sind. 20 Gemeinden sangen slowenisch, 70 Kirchenchöre waren slowenisch. Es gab 5 slowenische Kirchengesangbücher mit 16 slowenischen Singmessen von 15 slowenischen Komponisten. 33 Komponisten nennt das Buch als Verfasser slowenischer kirchlicher Kunstlieder.

Es geht daraus nicht ‘ nur der ganze tolerante Geist hervor, der den österreichischen Menschen seit Jahrhunderten auszeichnet, man ist vielmehr versucht zu sagen, daß in einer Debatte über Kulturreparationen w i r es sein könnten, die solche zu fordern hätten. Aber wir fordern sie nidit. Denn der Österreicher fand seit je den schönsten Lohn in der Tätigkeit für die Gesamtheit einer Völkerfamilie und im weiteren für die Menschheit, und nicht in einer mystischen Strömung separativen Geistes.

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