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Die gebremsten Sdiattenminister

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Von den zehn Arbeltsausschüssen, deren Einrichtung die Bundesparteileitung der Volkspartei beschlossen hat, ist seither in der Öffentlichkeit immer weniger die Rede gewesen. In den letzten Wochen des Wiener Mind-Wahlkampfes, des Aufmarsches der Politiker-Elite in Tirol und auch angesichts der permanenten Wahlkampf-Gags hat man von diesen Gremien, die, wie schon ihr Name besagt, zu arbeiten und zunächst nur wenig zu verlautbaren haben, so gut wie nichts mehr gehört. Die zehn Arbeitsausschüsse wurden nach dem Wunsch der ÖVP-Bundes-partedleitung so zusammengesetzt, daß sie „in ihrer Gesamtheit sämtliche Ressorts der Bundesregierung abdecken“. Die Vorsitzenden sind durchwegs prominentere und jüngere Abgeordnete der ÖVP: Die beiden früheren Minister Prof. Koren und Dr. Mock für Finanzpolitik und Bildungspolitik, der Generalsekretär der Bundeswirtschaftskammer Doktor Mussil für Wirtschaftspolitik, der Generalsekretär der Präsidialkonferenz der Landwirtschaftskammern Dr. Brandstätter für die Agrarpolitik, die Abgeordneten Dr. Kohl-maier und Ing. Heibich für Sozialpolitik und Wohnbaupolitik, die Abgeordneten TÖdling und Dr. Kara-sek für Wehrpolitik und Außenpolitik. Die beiden einzigen Ausschußvorsitzenden, die kein Abgeordnetenmandat zum Nationalist besitzen, sind der frühere Staatssekretär Doktor Taus für Verkehrspolitik, Verstaatlichte Industrie und Energiewirtschaft sowie Bundesrat Dr. Iro für Rechtspolitik (einschließlich Agenden des Innenressorts und insbesondere Wahlrecht). Zur Zeit der Errichtung dieser Ausschüsse hat es in der von den Massenmedien gelenkten Öffentlichkeit eine Zeitlang eine Diskussion darüber gegeben, ob das im wesentlichen ein Schattenkabinett sei und ob demnach die zehn Ausschußvorsitzenden nach dem bekannten englischen Muster als Schattenminister anzusprechen seien. Die Führung der Volkspartei wehrte Sich von Anfang an gegen diese Annahme, denn sie meinte, daß die Ausschüsse, wenn man von ihnen brauchbare Leistungen zur Entscheidungsvorbereitung erwartet, sich auf eine gute Teamarbeit konzentrieren müssen. Wer als zukünftiger Ministerkandidat anzusehen ist, könne unter den obwaltenden Umständen nur ein zweitrangiges Problem sein. So verloren die Ausschüsse und ihre Vorsitzenden allerdings etwas an publikumswirksamer Attraktivität, aber es gelang dafür, die Ausschüsse hinter dem Rauchvorhang der Regierungsaktivität und des täglichen politischen Streites von Anfang Juni an in Ruhe zu etablieren und in Gang zu setzen. Das war etwas Neues und, wenn man die gewohnten Verhältnisse in der ÖVP in Betracht zieht, beinahe etwas Umstürzendes. Der Umsturz ereignete sich auch diesmal nur beinahe. Denn die drei Bünde, die zugleich die Stärke und die Schwäche der ÖVP ausmachen, machen auch die „Kerntruppe“ der Arbeitsausschüsse aus. Und das steht auch im Mittelpunkt der Kritik an der Zusammensetzung und der Arbeit der Ausschüsse: sie sind nicht das, was sie sein könnten, weil die bündischen Interessen stets sofort in die Debatten getragen werden. Rückblickend auf das erste Vierteljahr der Tätigkeit der zehn Arbeitsausschüsse — mehr war es nicht, denn im Sommer tagten die meisten Ausschüsse nur sporadisch —, kann vorläufig festgestellt werden, daß die Arbeitsintensität und das Arbeitsergebnis der Ausschüsse verschieden war. Das lag freilich schon in der Natur der Sache, denn ein Ausschuß für Außenpolitik zum Beispiel kann unter normalen Umständen im Falle des neutralen Kleinstaates Österreich nicht so viele Entscheidungen vorbereiten wie ein Finanzausschuß zur Budgetzeit. Einige Ausschüsse bereiten Entwürfe vor und diskutieren sie wie zum Beispiel der Bautenausschuß eine Neubewertung des Bundesstraßennetzes sowie ein Staditerneuerungs- und Bodenbeschaffungsgesetz, oder der Verteidigungsausschuß das Gegenkonzept zu den wehrpolitischen Vorstellungen Kreiskys, neue Initiativen lassen aber noch auf sich warten. Der Unterrichtsausschuß hat ein umfassendes Bildungsprogramm in Buchform herausgegeben.

Der Finanzausschuß wird wohl in den nächsten Wochen die Hauptlast der Aktivität der ÖVP tragen. Zur Durchleuchtung des Budgets und zur Erarbeitung von Alternativen hat er beizeiten einen Unterausschuß eingesetzt, der seither permanent tagt. Initiativen zur Steuerpolitik mit dezidierten Stellungnahmen zu den Vorstellungen der Regierung werden genauestens vorbereitet. Der Sozialausschuß hat auf vielen Einzelgebieten Initiatvanträge ausgearbeitet. Sie betreffen Reformen der Gesundheitsfürsorge für die Ehegattin, ein Bonussystem für Pensionisten, die länger arbeiten wollen, Karenz-urliauibageld für Mütter, Kinderbeihilfennovelle und anderes mehr. Der Rechtsausschuß machte mit seinem Vorstoß zur Entkriminalisierung des Verkehrsstrafrechtes und mit seinem Alternativ-Vorschlag zum Beschwerdeausschuß (Ombudsman) von sich reden.

Wesentlich erscheint dem Beobachter dies: in den Ausschüssen selbst muß jenes Gleichgewicht zwischen Bünden und Experten gefunden werden, das Verzerrungen in der Sachpolitik wie im Erscheinungsbild der Partei vermeiden läßt. Die fachlich zuständigen Apparate der Ministerien stehen der Oppositionspartei nicht zur Verfügung. Wirtschaftsbund und Bauernbund verfügen über genügend geschulte Kammerbeamte, der Arbeiter- und Angestelltenbund tut sich da viel schwerer. Der ÖVP-Dreifuß hinkt also. Das zweite Problem betrifft die Koordinierung und das reibungslose Zusammenwirken der Ausschüsse mit den „Soldaten an der Front“: den Abgeordneten im Nationalrat. Mit Geistesgegenwart, Disziplin und Imprbvisationskurast einzelner

Schlüsselpersonen wird man hier manches kaschieren können. Ein wirklich überzeugender Erfolg hat tiefere und längerfristige Voraussetzungen: auf programmatischem und personalpolitischem Gebiet.

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