6561165-1948_49_02.jpg
Digital In Arbeit

Geldschrankmoral?

Werbung
Werbung
Werbung

In der Budgetdebatte des Nationalrates gab Finanzminister Dr. Zimmermann di eindrucksvollen Zahlen der vom Bund für die Ausländsrbetreuung ausgeworfenen Beträge bekannt. Im Budget stehen 80 Millionen Schilling für Ausländerbetreuung, von denen 45 Millionen fremdsprachigen, 35 Millionen den reichs- und Volksdeutschen „Flüchtlingen” zugedacht sind. Der Finanzminister bemerkte dazu:

„Die Ausländerbetreuung stellt für Österreich noch immer eine schwere Belastung dar, weil unser Land nahezu 600.000 aus ihren Heimstätten vertriebene Ausländer, das sind nahezu 10 Prozent der Gesamtbevölkerung, beherbergt. Von diesen Personen sind mehr als 100.000 in Lagern untergebnacht. Die mit den Fragen der Ausländerbetreuung befaßte internationale Organisation der Vereinten Nationen (IRO) leistet zwar Beiträge für den Unterhalt dieser Flüchtlinge, doch reichen diese keineswegs aus. Sie beziehen sich nur auf jene Personen, die nach dem Statut unter die Betreuung der internationalen Flüchtlingsbetreuung fallen. Ausgeschlossen sind somit im wesentlichen die noch in Österreich befindlichen Reichs- und Volksdeutschen.”

An die Mitteilung des Finanzministers schloß sich eine Pressepolemik zwischen bekannt xenophoben Organen der Linken und volksdeutschen Blättern. Es wurde dabei bekannt, daß die Zahl der noch in Österreich befindlichen Volksdeutschen 320.000 Personen beiträgt, von denen 159.545, also ein verhältnismäßig hoher Prozentsatz, in Arbeit stehen. Der Rest setzt sich aus Familienangehörigen, Kindern, Greisen, Kranken, Arbeitsunfähigen und Arbeitslosen zusammen. Gegenüber den Feststellungen des Finanzministers wurde nun folgende Gegenrechnung aufgemacht:

Von den 159.545 in Arbeit stehenden Volksdeutschen werden jährlich rund 45 Millionen Schilling an Sozialversicherungsbeiträgen für Unfall- und Krankheitsversicherung, Invaliden- und Rentnerversorgung abgeführt, ohne daß die Einzahlenden, die überwiegend für Auswanderung bestimmt sind, von den Wohltaten der Rentner- und Invalidenversicherung jemals Gebrauch machen werden. Von rund 200.000 bereits abgeschobenen Volksdeutschen erflossen außerdem seit 1945 ungezählte Millionen, desgleichen wohl auf 10 Millionen zu veranschlagende Beträge aus verschiedenen Gebühren (Aufenthaltsbewilligung, Verlängerungen und dergleichen). Die für die Betreuung der Volksdeutschen ausgeworfenen 35 Millionen erscheinen, so meint das diese Rechnung aufstellende Blatt, dadurch reichlich abgegolten.

Hinzu kommen aber noch die Werte der „oftmals gedrückt billigen Arbeitsleistungen der Volksdeutschen”, die meist zu niederen, von Österreichern verschmähten Arbeitseinsätzen als Hilfsarbeiter, Knechte, Bau- und Landarbeiter und ähnliches herangezogen werden. Diese durchschnittlich schwächer entlohnten Arbeitsleistungen werden mit täglich 1,276.360 Arbeitsstunden angesetzt. So steht es um den volksdeutschen Beitrag zur Wiederaufbauleistung Österreichs. Das Blatt stellt abschließend die Frage, ob unter diesen Umständen die Volksdeutschen wirklich eine Belastung für Österreich sind, und glaubt, darauf ‘mit nein antworten zu können.

Wenn die wiedergegebenen Aufstellungen zutreffen — und es käme dabei nicht auf die Buchstabengenauigkeit, sondern die allgemeine Wahrheit an —, so wird man diesem Urteil zustimmen müssen. Wir fragen uns aber, ob durch die Alternative „wohlfeil oder teuer” das Problem der Volksdeutschen nicht überhaupt grundsätzlich auf falscher Basis durch den Finanzminister betrachtet erscheint. Bei der Lösung dieser Frage haben, will uns scheinen, außer den rein materiellen noch wesentlich andere Erwägungen mitzusprechen. Es ist noch zu sagen, daß neben politischen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten die menschlichen und die christlichen den Verantwortlichen mehr in die Augen fallen sollten. Das große Wort: „Der Mensch lebt nicht vom Brot allein …” gilt auch im rechten Sinne vom Staat. Auch der Staat lebt von der Gerechtigkeit und der Beachtung der Gesetze der Menschlichkeit.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung