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Zwischen Hoffen und Bangen

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Wohl kaum jemals ist die Rückkehr eines Außenministers von einem Auslandsbesuch mit solcher Ungeduld von einer Volksgruppe erwartet worden, wie die Dr. K r e i s k y s von seiner Bonner Mission. Bringt er doch in seinem Reisegepäck die diesmal wohl endgültige Stellungnahme der höchsten, entscheidenden deutschen Stellen, unter anderem auch die des Bundesfinanzministers Etzel, über die Höhe jener deutschen Globalsumme mit, die es ermöglichen soll, die in Österreich lebenden Volksdeutschen, gleichgültig welche Staatsangehörigkeit sie heute besitzen, in eine dem bundesdeutschen Lastenausgleich analoge österreichische Entschädigungsaktion einzubeziehen.

Wir erinnern uns, daß die in dieser Frage zuletzt im Februar 1959 in Wien geführten VerHandlungen völlig ergebnislos abgebrochen wurden, da die Deutsche Bundesrepublik damals ein Entschädigungsangebot stellte, das als völlig unzureichend abgelehnt werden mußte. Sie wollte lediglich 50 Prozent des erforderlichen Aufwandes für die deutschen Staatsa.ngehörigen unter den in Österreich lebenden Heimatvertriebenen, allenfalls den gleichen Prozentsatz für die Staatenlosen unter ihnen, tragen, lehnte es hingegen strikte ab, etwas für jene 270.000 Heimatvertriebenen zu tun, die seit 1945 die österreichische Staatsbürgerschaft erworben haben. Die Wogen der Erregung gingen damals beiderseits recht hoch; man sprach bei uns unter Hinweis auf die von der DBR gegenüber anderen Staaten geleisteten Entschädigungen von einer Diskriminierung Österreichs, und nur Dr. Kreisky, damals noch Staatssekretär, erklärte in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“, dies könne nicht das letzte Wort sein, die Verhandlungen müßten eben weitergehen; es gelte jetzt, in Ruhe nach neuen Lösungsvorschlägen zu suchen.

Die Deutsche Bundesrepublik hat seither ihren Standpunkt, Österreich habe im Staatsvertrag ihr gegenüber einen Forderungsverzicht ausgesprochen, und jedes Zugeständnis, das sie in dieser Frage überhaupt mache, sei ein durchaus freiwilliges, nicht geändert und weder eine Intervention des deutschen Verkehrsministers Dr. S e e b o h m, des Sprechers der Sudetendeutschen in der Bundesrepublik, bei seinen ministeriellen Kollegen noch unmittelbare Schritte der Heimatvertriebenenverbände bei bundesdeutschen Stellen hatten hier einen Erfolg zu buchen. Außenminister Kreisky hat nun noch vor seiner Abfahrt aus Wien erklärt, daß konkrete Gespräche über diese Frage in Bonn vorgesehen seien, er erwarte zwar nicht, daß diese Verhandlungen noch während seiner dortigen Anwesenheit abgeschlossen werden könnten, aber er könnte sich vorstellen, daß dadurch die eheste Fortsetzung derselben, diesmal aber auf interministerieller Ebene, wobei die Verhandlungspartner mit größten Vollmachten ausgestattet sein sollten, ermöglicht werden würde.

Während also in der Vermögensentschädigungsfrage für unsere Volksdeutschen immerhin noch Grund zu einigem Optimismus besteht, hat sich ihrer in einer anderen Frage eine schwere Niedergeschlagenheit bemächtigt. Bereits seit Jahren wird in unserem Sozialministerium an dem Entwurf eines Auslands-renten-Übernahmegesetzes (ARÜG) gearbeitet, das die völlige Gleichstellung“ dePHeimatvertriebehen mit den Österreicher “andern Gebiete der Sozialversicherung bringen soll. Ein eigenes Ministerkomitee, dem neben dem Sozialminister auch der Finanz- und der Außenminister angehörten, hat sich zuletzt im Dezember des Vorjahres mit ihm beschäftigt. Daß es Einwände geben werde, war von vornherein klar, so solche der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten, für die zehn Millionen Schilling, und solche der Bergarbeiter-Versicherungsanstalt, für die zwei Mil-iionen Schilling jährliche Mehrauslagen durch das Gesetz entstehen würden. Natürlich auch Einwände des Finanzministers, der der Pen-sionsversicherungsanstalt der Arbeiter weitere sieben Millionen jährlich zuschießen müßte. Die durch das Gesetz entstehende Gesamtbelastung wird sich auf 20 Millionen Schilling jährlich belaufen. Wenn die Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft dann mit allem Nachdrück darauf hinwies, daß diese Mehrbelastung von der Deutschen Bundesrepublik getragen werden sollte, so hieße das, unsere Volksdeutschen auf den „St.-Nimmerleins-Tag“ zu vertrösten. Viel mehr hat aber noch unsere Volksdeutschen betrübt, daß sich schließlich auch der Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes zu Wort meldete und erklärte, ein solches Gesetz könne überhaupt nicht als zum Sozialversicherungswesen gehörig angesehen werden; es bringe überdies die Gefahr einer Differenzierung in der Behandlung der einzelnen Staatsbürger mit sich und lasse sich daher mit dem Gleichheitsgrundsatz unserer Bundesverfassung nicht vereinbaren. — Es ist hier nicht der Platz, diese Einwände zu widerlegen, doch möchten wir uns wünschen, daß der Verfassungsdienst die gleiche Initiative auch bei der Beurteilung der durch die Rentenruhensbestimmun-g e n des ASVG gemachten Differenzierungen entfaltet, die doch dem Glekhheitsprinzip der Bundesverfassung so sehr widersprechen. Nun, man hofft trotz alledem, den, Gesetzentwurf, im Nationalrat in Bälde, einbringen zu können. Einstweilen ist allerdings die Enttäuschung unter unseren Volksdeutschen, die das Gesetz noch erleben möchten, allgemein.

Zum Schluß möchten wir noch darauf hinweisen, daß der Deutsche Bundestag am 22. Jänner d. J. die Regierungsvorlage über ein Fremdrenten- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetz einstimmig verabschiedet hat und daß das Gesetz mit 1. Jänner d. J. in Kraft getreten ist. Im Bundeshaushaltsplan für 1960 sind für Leistungen nach demselben 195 Millionen D-Mark eingesetzt. — In Österreich sollte Ähnliches mit nur 20 Millionen Schilling nicht möglich sein?

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