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„Änderungen beim Karenzgeld dringend notwendig”

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Die koalitionsinternen Sparüberlegungen umfassen auch das Karenzgeld. In der „Familienpartei” ÖVP entzündet sich nun die Kritik am Gesetzestext selbst.

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Die koalitionsinternen Sparüberlegungen umfassen auch das Karenzgeld. In der „Familienpartei” ÖVP entzündet sich nun die Kritik am Gesetzestext selbst.

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Eine finanzielle Umverteilung bei der Finanzierung des Karenzurlaubsgeldes (KUG) verlangt der Familiensprecher der ÖVP, Nationalratsabgeordneter Hans Hafner. Der steiri-sche Familienpolitiker fordert, daß künftig 70 Prozent des Karenzurlaubsgeldes aus dem Arbeitslosenversicherungsfonds und nur 30 Prozent aus dem Familienlastenausgleichsfonds bezahlt werden (bisher 50:50). Auch „bei den Pensionsbeiträgen sollten künftig nur 30 Prozent aus dem FLAF statt wie bisher 100 Prozent kommen”, meint Hafner.

Denn ,?geflissentlich werde gegenüber der Öffentlichkeit verschwiegen, daß durch die Einführung des zweiten Karenzurlaubsjahres, das vor allem von den berufstätigen Müttern in Anspruch genommen wird, der Arbeitsmarkt um 34.000 Personen entlastet werde”.

Paradoxerweise will das Sozialministerium nun für 1994 genau das Gegenteil: Rauch-Kallats Familienministerium soll 70 Prozent bestreiten, Sozialminister Hesoun will nur mehr für 30 Prozent des KUG aufkommen. Bezüglich der Finanzierung des FLAF erinnert Hafner im Gespräch mit der FURCHE, daß bei dessen Gründung ein Lohnverzicht Pate gestanden habe. In der jetzigen Situation sei dies - bei einer isolierten Betrachtung - eine einseitige Belastung der Dienstgeber. „Ich bekenne mich dazu, daß hier mehrheitlich die Dienstnehmer profitieren, aber es wäre im Sinne einer allgemeinen und richtigen Solidarität, daß hier alle dazuzahlen.” Denn in dem Moment, wo 70 Prozent des KUG aus dem Arbeitslosenversicherungsfonds bezahlt werden, zahlen automatisch die Dienstnehmer 50 Prozent dazu. Massive Kritik übt der VP-Familienspre-cher an der sogenannten „Selbstträgerschaft”. So erhalten nicht alle Arbeitnehmer die Beihilfen aus dem FLAF ausbezahlt. Bund, Länder und Gemeinden über 2.000 Einwohner zahlen die Familienbeihilfe direkt an ihre Arbeitnehmer (Beamte) und Pensionisten. In Summe ist dies weitaus weniger als der4,5prozentige Dienstgeberbeitrag. Dadurch entgehen dem FLAF jährlich Hunderte von Millionen Schilling. Zudem haben seit Anfang der siebziger Jahre Dienstnehmer von Bund, Ländern und Gemeinden Anspruch auf „Leistungen” aus dem FLAF, ohne daß ihre Dienstgeber einen Beitrag zum FLAF leisten (Schülerfreifahrt, Gratis-Schulbuchaktion).

Nach internen Berechnungen sparen sich der Finanzminister und die Länder für 1992rund vier Milliarden durch das Nichtbezahlen des Dienstgeberbeitrages an den FLAF. Die Tatsache, daß über die Schülerfreifahrten indirekt das ÖBB-Defizit teilweise abgedeckt werde, sei eine „Budgetsanierung auf Kosten des FLAF', kritisiert Hafner.

„Die Volkspartei sei immer für eine dreijährige Karenz eingetreten”, so Hafner, „wir haben jetzt nach gar nicht einfachen Verhandlungen das zweite Karenzjahr erreicht.” Es stehe außer Zweifel, daß in einer wirtschaftlich schwierigen Zeit eine Verbesserung nicht möglieh sei: „Das zweite Karenzjahr muß aber bleiben.”

Für das „erhöhte Karenzgeld” müsse man jedoch zu einer tauglichen Regelung kommen, wobei den wirklich Hilfsbedürftigen geholfen werden müsse. Die gegenwärtige Gesetzeslage, die Definition von „alleinstehend” wie auch die Praxis seien kein taugliches Mittel, um etwaigen Mißbräuchen vorzubeugen. Es vergehe keine Versammlung, wo dem VP-Nationalratsabgeordneten nicht vorgeworfen werde, durch die herrschende Gesetzeslage die „Menschen zum Lügen zu erziehen”, so Hafner: „Hier muß es zu einer Änderung kommen”. Es sei nicht einsichtig, daß diejenigen, die alleine bleiben, „automatisch” dreijährige Karenz haben. Denn die Alleinstehenden hätten Anspruch auf zwei Jahre Karenzurlaub und im dritten Lebensjahr des Kindes Anspruch auf Bezug der Sondernotstandshilfe. „Alleinstehend dürfe kein Kriterium für den Bezug des Karenzurlaubsgeldes sein”, betont Hafner. Die wirtschaftliche Situation der Betroffenen müsse stärker berücksichtigt werden. „Wenn ich da lese, daß es entscheidend sei, daß der Vater des Kindes bei der Mutter lebt oder nicht, dann frage ich mich, was dann ist, wenn diese Mutter mit jemand anderem zusammenlebt”, stellt Hafner das Gesetz in Frage. „Dann bekomme sie ja trotzdem das erhöhte Karenzurlaubsgeld.” Mit diesen unscharfen Formulierungen im Gesetzestext selbst haben die Gesetzgeber „der Manipulation Tür und Tor geöffnet”, kritisiert Hafner. Seitens der SPÖ habe es bisher aber noch keine Änderungsbereitschaft gegeben.

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