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SCHŪLERFREIFAHRTEN: RECHNUNGSHOF-ROHBERICHT

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Jahrelang wurde der Familienfonds zum Stopfen von Budgetlöchern mißbraucht. Heuer, im „Jahr der Familie", wird der Fonds ein Rekord-Defizit in Milliardenhöhe aufweisen.

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Jahrelang wurde der Familienfonds zum Stopfen von Budgetlöchern mißbraucht. Heuer, im „Jahr der Familie", wird der Fonds ein Rekord-Defizit in Milliardenhöhe aufweisen.

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Wenn sich Anfang März die Spitzen der Koahtionspar-teien zusammensetzen, um über die Zukunft des Famihen-La-stenausgleichsfonds (FLAF) zu diskutieren, werden sie - aller Voraussicht nach ~ über eine brisante Entscheidungshilfe verfügen: einen Rechnungshofbericht über die vom FLAF finanzierten und mittlerweile vieldiskutierten Schülerfreifahrten.

Brisant sind dabei weniger die Ergebnisse der Gebahrungsüberprü-fung als die zu erwartenden Empfehlungen der Rechnungshof-Experten. Im Klartext: die den FLAF verwaltenden Beamten des Familienministeriums werden größtenteils von der Kritik verschont, hingegen werden die Mängel des von der Politik geschaffenen Förderungssystems schonungslos aufgezeigt.

Und wenn die Anzeichen nicht trügen, werden die Experten des Rechnungshofes ein heißes Eisen anfassen: Ob nicht eine direkte finanzielle Förderung der Familien sinnvoller und vor allem kostensparender wäre als die bisherige Form der „Sachsubventionen".

Denn bislang übernahm der FLAF die Kosten für die sogenannten Schülerfreifahrten - allerdings zu höheren Preisen, als die altersbedingt ermäßigten „Individualtarife".

„Familienfremde" Leistungen wie diese bescheren dem Fonds ein Milliarden-Defizit: So fehlen 1994 zwischen vier und fünf Milliarden Schilling im „Selbstbedienungstopf" FLAF. Denn seit Jahren wird der Fonds zur Defizitabdeckung von Bahn und Bus verwendet (siehe FURCHE 35/1993); von einem „Rabatt" für den „Großkunden" FLAF kann nicht die Rede sein. Laut „Kurier" kostet etwa in Innsbruck eine Monatsnetzkarte für Erwachsene 300 Schilling, während der FLAF für Schüler bis zu 333 Schilling berappen muß. Ähnlich ist die Situation in Linz und Wien. Und auch bei der neuen Bahn fährt jeder jugendliche Individual-reisende kostengünstiger als die Schüler mit ihren FLAF-ge-sponserten „Freifahrten". Allein die Wiener Verkehrsbetriebe kassierten 1992 über 400 Millionen Schilling für die Beförderung der schulpflichtigen Kinder „von ei-ner Straßenbahnhaltestelle zur nächsten". Aber erst seit der Pleitegeier über den FLAF zu kreisen beginnt, werfen nun auch die Familienpolitiker ihre Dogmen über Bord. Wählend noch im Laufe der Budgetverhandlungen Ende 1993 vereinbart worden war, daß nur mehr jene Schüler und Studenten einen Freifahrtsausweis erhalten, die mehr als zwei Kilometer von ihrer Schule oder Universität entfernt wohnen (Experten rechnen mit einer Einsparung von 250 Millionen Schilling), .verweigerte kürzlich die SPÖ einen koalitionären Initiativantrag mit dem Hinweis auf ein Sicherheitsrisiko für die Kinder und Studenten. Für SPÖ-Familienspreche-rin Ilse Mertel ist diese stil e Subvention finanzmaroder Verkehrsbetriebe ein „Mitnahmeeffekt".

Finanziell noch besser schneiden die chronisch finanzgeplagten ÖBB mit den Schülerfreifahrten (1993 über eine Milliarde Schilling) am FLAF-Selbstbedienungskuchen mit. Denn die defizitären Staatsbahnen bekommen nicht nur den herkömmlichen Tarif für die Schülerkarten ersetzt, sondern auch noch 50 Prozent des Regeltarifs. Pro Schüler mit einem ÖBB-Freifahrtsausweis überweist der FLAF jährlich exakt 10.103 SchiUing in die leeren Kassen der Bundesbahnen. Auch bei der ÖBB zahlen damit Einzelkunden weniger als der Großkunde FLAF.

Finanziert wird der FLAF zu 90 Prozent von den österreichischen Betrieben in Form des Dienstgeberbeitrags (4,5 Prozent der Lohnsumme) - 1992 rund 34 Milharden Schilling. Diese Bundesabgabe betrug 1951 noch 6 Prozent und wurde in zwei Etappen zur Zeit der „familien-freundlichen" Kreisky-Alleinregierung auf 4,5 Prozent gestutzt. Der Verlust für die Familien von 1978 bis 1993: 110 Milliarden Schilling. In Tausend-Schilling-Noten gestapelt ergibt diesen einen Berg von 15.400 Metern. Laut Frieder Herrmann, Präsident des Katholischen Familienverbandes (KFÖ), wäre ohne Kürzung des Dienstgeberbeitrages genug Geld da, wenn die jeweilige Regierung damit „verant-wortungsvo 1 und sorgfältig umgegangen ' wären. Der KFÖ verweist seit Jahren auf die eigentliche Aufgabe des Fonds - nämlich „Sicherung der Familien- und Geburtenbeihilfe". Denn durch „fondsfremde Leistungen", so Herrmann, konnten die Familienbeihilfen nicht „im notwendigen Ausmaß erhöht werden".

Auch die jeweiligen, für den FLAF zuständigen Famihenminister fordern stereotyp die Ausgliederung der eigentlich „gesundheitspolitischen Leistungen", die aus Mitteln des FLAF finanziert werden. 1992 waren dies 60 Millionen für die Schüler-Unfallversicherungen, 1,7 Milliarden als 50-Prozent-Beitrag zum Wochengeld und die 500 Millionen Schilling zur Finanzierung des Mutter-Kind-Passes. Während SPÖ-Familiensprecherin Ilse Mertel fordert, daß auch Bauern und Selbständige höhere Beiträge leisten sollten, plädiert Martin Mayr seitens der Wirtschaftskammer, daß auch die Arbeitnehmer an der Finanzierung des FLAF beteiligt werden sollten.

Und als Beamten-Dienstgeber zahlen Bund, Länder und größere Gemeinden über 2.000 Einwohner zwar nichts in den FLAF ein, wollen aber künftig die Familienbeihilfen aus dem FLAF ausbezahlt haben. Unter dem Stichwort „Selbstträgerschaft" zahlten die Gebietskörperschaften die Familienbeihilfe bisher selbst an die männlichen Bediensteten aus. Geht es nach dem Finanzminister, wird aber die direkt an die Mütter ausbezahlte Familienbeihilfe aus dem FLAF kommen...

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