7094111-1994_40_02.jpg
Digital In Arbeit

Familienpolitische Bilanz: die Sünden der Regierung

19451960198020002020

Der Mißbrauch des Familienlastenausgleichsfonds (FLAF) für kurzfristige budgetpolitische Interessen widerlegt die angeblich familienfreundliche Politik der Koalition.

19451960198020002020

Der Mißbrauch des Familienlastenausgleichsfonds (FLAF) für kurzfristige budgetpolitische Interessen widerlegt die angeblich familienfreundliche Politik der Koalition.

Werbung
Werbung
Werbung

Keine geeignete Diskussionsgrundlage“ sei die FLAF-Stu- die von WU-Professor Christoph Badelt, beschied Finanzminister Ferdinand Lacina (SPÖ) der FLAF-Reformgruppe des Familienministeriums und zog seine Finanzbeamten kurz vor der Nationalratswahl aus der Arbeitsgruppe zurück.

Lacinas Reaktion ist verständlich. Stellt doch Badelt in seinem Bericht an das Familienministerium fest, daß sich der FLAF „in den vergangenen fünfzehn Jahren zum ,Puffer“ für die Finanzpolitik entwickelt“ habe. Und seit mehr als fünfzehn Jahren trägt die SPÖ und der von ihr gestellte Finanzminister die Hauptverantwortung für die Budgetpolitik des Bundes. Nach Badelt seien die „vom FLAF in den letzten Jahren erwirtschafteten Defizite die unmittelbare Folge finanzpolitischer und nicht familienpolitischer Entscheidungen“. Wenngleich oft beträchtliche Ausgabensteigerungen (etwabeim Karenzurlaubsgeld) getätigt wurden, die sich aber „nicht in unmittelbar merkbaren Verbesserungen der ökonomischen Lage von Familien niedergeschlagen“ haben. Letztlich aber seien die „Ausgaben für Familienpolitik im Untersuchungszeitraum sowohl gegenüber den gesamten Bundesausgaben als auch gegenüber den Sozialausgaben des Bundes deutlich zurückgegangen“, diagnostiziert Badelt.

Bezeichnend ist die Entwicklung bei der Schülerfreifahrt: Denn in den letzten 15 Jahren sind die Ausgaben für die Schulfahrtsbeihilfe um 186 Prozent und jene für die Schülerfreifahrt um 118 Prozent gestiegen. Für Badelt ist dies „umso paradoxer, als die Zahl der Anspruchsberechtigten zurückgegangen“ ist,* die’Kostensteigerungen auf eine „dramatische Aufwärtsentwicklung des Aufwands pro Schüler“ zurückzuführen ist. Daher hätten diese Ausgabensteigerungen „keine weitere finanzielle Entlastung für die Kinder und deren Eltern, sondern ausschließlich Vorteile für die Verkehrsträger gebracht“. Nicht den Familien, sondern dem chronisch defizitären ÖBB-Haushalt sind — über politisch festgesetzte Tarife — die Milliarden zugeflossen.

Auch die Kostenteilung für das Karenzurlaubsgeld war nach Badelt „nie von grundsätzlichen ökonomischen Gesichtspunkten, sondern ausschließlich von kurzfristigen budgetären Überlegungen“ getragen. Sorefundierte der FLAF Anfang der achtziger Jahre nur 25 Prozent, ab 1982 50 Prozent, 1987 sogar 75 Prozent und 1991 wieder 50 Prozent an die Arbeitslosenversicherung.

Aufgrund dieser steigenden „Fremdleistungen“ fällt die direkte FLAF-Leistung „Familienbeihilfe“ immer wieder dem Rechenstift des Finanzministers zum Opfer. So ist der Anteil der Familien- und Geburtenbeihilfe in den letzten fünfzehn Jahren von rund 86 Prozent des Ausgabenvolumens des FLAF auf 72,7 Prozent zurückgegangen.

TEURE FREMDLEISTUNGEN

Da die Familienbeihilfe in Österreich nicht dynamisiert ist, bedarf es für Erhöhungen eines Gesetzesbeschlusses. Nun bewirken aber die explodierenden „Fremdleistungen“ des FLAF wie Karenzurlaubsgeld und Schülerfreifahrt eine seltsame Eigendynamik: der Druck des Finanzministers, die Stammleistung Familienbeihilfe nicht zu erhöhen, wird durch das vermeintliche Argument erhärtet, der FLAF könne sich eine Erhöhung nicht leisten. Dadurch wird aber der ursprüngliche Aufgabenbereich des Fonds „immer stärker eingeschränkt“. War doch der FLAF ursprünglich als „pauschale Verbesserung der ökonomischen Situation der Familien“ gedacht, ohne daß „spezifische Eingriffe in die Verwendung der ausgeschütteten Mittel“ vorgesehen war.

Eigentliche Ursache der chronischen Finanzschwache des FLAF ist freilich die Reduktion der Haupteinnahmequelle „Dienstgeberbeitrag“. Denn während dieser bis 1977 noch sechs Prozent der Bruttolohnsumme betragen hatte, wurde er unter Kreisky zuerst auf fünf und 1981 gar auf 4,5 Prozent reduziert. Nach Badelt widerspricht dies „nicht nur familienpolitischer, sondern auch jeglicher finanzpolitischer Rationalität, wenn in einer zweckgebundenen Gebarung“ gleichzeitig Einnahmen gekürzt und Ausgaben erhöht“ werden. Wäre es beim Dienstgeberbeitrag von sechs Prozent geblieben, hätten sich bis 1993 Reserven in der Höhe von 104 Milliarden Schilling (ohne Zinsen) ergeben. Damit wäre es möglich gewesen, die „Fremdleistungen“ des FLAF zu finanzieren. Diese betrugen von 1979 bis 1993 rund 115 Milliarden Schilling.

Wenig Freude dürfte Lacina auch mit Badelts Resümee haben, daß „eine solche Politik nur sehr kurze Zeit möglich ist, bevor jegliche Gebarung in eine chronisch defizitäre Lage schlittern muß“. Im Wahljahr 1994 wird Lacina fünf Milliarden für den FLAF auftreiben müssen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung