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Auf schiefer Bahn

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Was ist so neu an der Neuen Bahn? — Diese Preise sind bravissimi.“ Mit diesem Slogan werben die ÖBB für ihre Produkte. Sind die Preise wirklich immer so hervorragend?

Die 1972 eingeführte Schüler- „frei“-fahrt sorgt immer wieder für Diskussionen. Sie wird aus dem Familienlastenausgleichsfonds (FLAF) bezahlt und kostete im Einführungsjahr 416 Millionen Schilling. 1989 muß der Familien-

lastenausgleichfonds dafür voraussichtlich rund 3,6 Milliarden Schilling aufwenden, das sind zirka zehn Prozent der vorgesehenen Fonds-Ausgaben.

Nach dem Familienlastenausgleichsgesetz schließt das Bun- desministerium für Umwelt, Jugend und Familie Verträge mit den Verkehrsunternehmen ab. Der Bund, also der FLAF, ersetzt „den Verkehrsuntemehmen die im Tarif jeweils vorgesehenen Fahrpreise für die Beförderung der Schüler zur und von der Schule“. Dafür werden die Schüler „frei“ befördert. Das Gesetz bestimmt weiters: „Der zu ersetzende Fahrpreis ist nach den für die in Betracht kommenden Benützer der öffentlichen Verkehrsmittel jeweils vorgesehenen weitestgehenden Ermäßigungen zu ermitteln.“

Im Zuge der Budgetsanierung 1987/88 wurde auch der Familienlastenausgleichsfonds von der SPÖ-ÖVP-Koalition wieder kräftig zur Kassa gebeten. Man schuf unter anderem eine neue Regelung für die ÖBB, wonach diese 75 Prozent des Regeltarifs (der Fahrpreis einer einfachen Fahrkarte für einen Erwachsenen) ersetzt erhalten. Dies bedeutet FLAF-Mehrausgaben von rund 600 Millionen Schilling.

Was die „weitestgehenden Ermäßigungen“ betrifft, ist folgendes Beispiel interessant: Auf der Strecke Wels-Linz zahlt ein Erwachsener (Regeltarif) 42, ein Kind 21 Schilling. Eine Monatsstreckenkarte für Erwachsene, für Lehrlinge oder für Schüler kostet 312 Schilling. Unter der Annahme von zwei Fahrten je Tag, sechs Tagen pro Woche und vier

Wochen pro Monat ist diese Monatsstreckenkarte gegenüber dem Regeltarif um rund 85 Prozent (!) ermäßigt. Die Preise gegenüber dem FLAF sind aber nur um 25 Prozent ermäßigt.

Die Zahlungen aus dem Familienfonds werden auf der Basis von 44 Fahrten pro Monat berechnet. Dies hat zur Folge, daß der FLAF für einen Schüler auf der Strecke Wels—Linz für die monatliche Karte 1.386 Schilling aufwenden muß.

Ein Schuljahr (zehn Monate) kostet bei diesem Beispiel pro Schüler für den FLAF 13.860, beim Kauf durch die Eltern direkt aber nur 3.120 Schilling. Würde der Betrag, den der FLAF bezahlen muß, den Eltern direkt ausbezahlt werden, blieben ihnen nach Abzug der zehn Monatsnetzkarten noch monatlich 895 Schilling.

Die ÖBB wollen, wie aus dem Familienministerium zu erfahren ist, mehr Fahrten — man spricht von 60—ersetzt haben. Dies würde bei unserem Beispiel monatlich

1.890 Schilling aus dem Famüien- lastenausgleichsfonds erfordern. Bei Direktauszahlung des Betrages an die Eltern verbliebe ihnen nach dem Kauf von zehn Monatsnetzkarten, auf zwölf Monate aufgeteilt, monatlich der Betrag von 1.315 Schilling: Sie erhielten eine zweite Familienbeihilfe.

Schon 1987 forderte der Familienpolitische Beirat, daß die ÖBB höchstens 50 Prozent des Re- geltarifes ersetzt erhalten. Daß diese Reduzierung nicht erfolgt, ist eigentlich kaum zu verstehen.

Ebenso unverständlich ist, daß nicht schon der Rechnungshof diesen Fall aufgegriffen hat. Bereits 1974 gab er in seinem Prüfbericht „zu bedenken, daß die wenn auch indirekte Unterstützung notleidender Linienverkehrsun- temehmen nicht Aufgabe des Ausgleichsfonds sein kann. Die unterschiedliche Gestaltung der Preise für Fahrten, die aus den Mitteln des Ausgleichsfonds re- fundiert werden, und für Fahrten, die der Benützer selbst zu zahlen hat, kommt einer ungerechtfertigten Belastung des Ausgleichsfonds gleich.“ Und weiter: Die angewandte Art der Tarifgestaltung käme „einer zweckwidrigen Verwendung zweckgebundener Mittel des Ausgleichsfonds gleich“.

Und heute?

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