Wenn Spenderherzen bluten

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Fünf Schilling für P.S.K.-Erlagscheine und eine saftige Tariferhöhung beim Versand von "Bettelbriefen": Im vermeintlich spendenfreudigen Österreich wird das Geben und Sammeln künftig noch schwerer gemacht.

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Fünf Schilling für P.S.K.-Erlagscheine und eine saftige Tariferhöhung beim Versand von "Bettelbriefen": Im vermeintlich spendenfreudigen Österreich wird das Geben und Sammeln künftig noch schwerer gemacht.

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Zwei Männer sehen rot. Eine "erste Trägerrakete" sei mit der "überfallsartigen Einführung" dieser "Spendensteuer auf Nächstenliebe" abgefeuert worden. Zwar wolle man das Schlamassel der P.S.K. nicht allein vorwerfen, doch auf der anderen Seite sei ihr Verhalten schon "zutiefst unmoralisch". Kurt Bergmann, Leiter der humanitären Aktionen des ORF, und Erik Hanke, Präsident von "Licht ins Dunkel", fordern demnach P.S.K., Post und Regierung auf: "Hände weg von den Spendengeldern".

Bei Österreichs Hilfsorganisationen gehen die Wogen hoch. Seit1. Juli bittet die Postsparkasse Spender bei Bareinzahlungen mit fünf Schilling zur Kassa. Dabei könnten die vielen 50- bis 150-Schilling-Geber den Eindruck gewinnen, "dass sie mit ihrer Spende staatsnahe Einrichtungen bedenken", warnt Bergmann, Ziehvater der Aktion "Licht ins Dunkel". Immerhin zwei Drittel des Spendenaufkommens stamme von solchen Kleinspendern, rechnet er vor.

Gebühren-Stakkato Auch andere Belastungen stoßen den Spendenorganisationen sauer auf: etwa die im Vorjahr eingeführte Sondergebühr für beigelegte Zahlscheine, die 2001 um weitere 15 Prozent erhöht werden soll. Auch die Kapitalertragssteuer (KEST) auf Bankzinsen sowie die nicht abzugsfähige Mehrwertsteuer sorgen für Unmut. Ein Belastungspaket von zehn bis 15 Millionen Schilling käme auf sie zu, schlagen die in der "Aktion Licht ins Dunkel" zusammengefassten Hilfsorganisationen Alarm.

Es sei nicht einzusehen, dass "immer mehr Aufgaben von der öffentlichen Hand an private Hilfsorganisationen abgeschoben werden und andererseits neue Belastungen entstehen", kritisiert Kurt Bergmann. Um dem entgegenzuwirken, präsentiert "Licht ins Dunkel" schließlich sieben Forderungen. Bis zu einer Höhe von 100 Euro (rund 1.380 Schilling) sollen karitative Spenden von der Einkommensteuer absetzbar sein. Und die Neubelastungen gehörten überhaupt rückgängig gemacht. Im Ernstfall müsse eben der Staat Post und P.S.K. für Einnahmenausfälle entschädigen.

Davon kann die Post im Moment nur träumen. Der 900 Millionen Schilling-Zuschuss des Bundes für den Postzeitungsdienst wurde drastisch gekürzt - auf 150 Millionen Schilling für dieses Halbjahr und 200 Millionen für 2001. Die Reaktion der Post auf diese Hiobsbotschaft geriet entsprechend heftig: Erhöhung der Versandtarife um 65 Prozent. Nach langem Hin und Her hat man schließlich dem Regierungsvorschlag einer "nur" 15prozentigen Erhöhung zugestimmt und den entsprechenden Antrag gestellt. "Um kostendeckend zu fahren, hätten wir aber weit mehr als 65 Prozent verlangen müssen," zieht man in der Pressestelle der Post bitter Bilanz. Bis Ende August soll die endgültige Entscheidung fallen. Kommt es zu keiner Einigung, sitzt der Postfuchs in der Zwickmühle.

Aktionäre verpflichten Indes sorgt bei der P.S.K. der Vorwurf, für Unmut, aus der Großherzigkeit anderer Kapital schlagen zu wollen: "Wir sind seit 1997 eine Aktiengesellschaft, also profit- und ergebnis-orientiert. Der Aktionär verlangt, dass wir Gewinne machen." Und der Zahlungsverkehr bei Spenden-Bareinzahlungen sei eben defizitär, verteidigt Pressesprecher Dieter Pietschmann die Erlagscheingebühr.

Im Vorjahr hätte man die Hilfsorganisationen ohnehin mit zehn Millionen Schilling unterstützt - durch Spenden oder Nachlässe. Von einer "überfallsartigen Einführung" der Gebühr könne überhaupt keine Rede sein: "Wir haben schon vor längerer Zeit unseren Partnern klar gemacht, dass wir uns das kurz vor der Privatisierung nicht mehr leisten können." Alternative Vorschläge seitens der P.S.K. hätte es gegeben: etwa die Einrichtung einer elektronischen Spendenplattform, die schon im September verfügbar sein soll. Jeder, der über einen Internetzugang verfügt, könne von überall her kostenlos spenden. Bei Bareinzahlungen sei jedoch eine Gebühr unausweichlich, die - wohlbemerkt - nur die Hälte der tatsächlichen Kosten deckt, moniert die P.S.K.

"Das ist ein nicht durchdachter Vorschlag", kommentiert dagegen Gerhard Bittner vom Österreichischen Institut für Spendenwesen diese virtuelle Vision. "Das Internet ist genau dort, wo keine Spendenaufkommen erzielt werden. Der Hauptteil der Spender hat mit dem Internet nichts am Hut."

Auch bei der Caritas hält sich das Verständnis für die P.S.K. in Grenzen. "Die hat doch noch einen durchaus erklecklichen Gewinn," ist Caritaspräsident Franz Küberl überzeugt und sieht in den fünf Schilling pro Zahlschein - gerade bei kleinen Spenden - eine "Unverhältnismäßigkeit". Ein Wechsel des Geldinstitus sei dennoch unwahrscheinlich, betont Küberl: "Das wäre eine Aktion zwischen Skylla und Charybdis: Die P.S.K. ist ein gewachsener Partner der Caritas." Wie stark sich die Zahlscheingebühr auf das Spendenverhalten auswirkt, ist noch unklar. Erste Aufschlüsse erwartet man sich nach der Augustsammlung. Sinnträchtiges Motto der heurigen Aktion mit Schwerpunkt Äthiopien: "Meine Spende lebt".

Ob solcher Schikanen drohe die große Spendenfreudigkeit der Österreicherinnen und Österreicher nachzulassen, warnen die Hilfsorganisationen. Allein: Sie war - international besehen - nie mehr als ein Mythos. "Licht ins Dunkel"-Spitzenwerte hin, "Nachbar in Not"-Rekorde her: Die Vergleichszahlen sind ernüchternd, weiß Gerhard Bittner, auch Direktor der Kommission "Iustitia et Pax": "Gemessen an Deutschland und der Schweiz ist das Spendenaufkommen deutlich geringer, sowohl was die Spendenbereitschaft, als auch was die Höhe betrifft."

Spendables Österreich?

Zwar nimmt das Gesamtvolumen an Spenden hierzulande noch immer zu und hält derzeit bei 3,8 Milliarden Schilling pro Jahr. Doch nur die Hälfte der Bevölkerung greife freiwillig ins Portemonnaie, weiß Bittner. Vornehmlich "aus Mitleid" und für Kinder, Behinderte oder Tiere geben sich Herr und Frau Österreicher einen Ruck. Asylwerber, Jugendliche, Alkohol- und Drogenkranke rangieren dagegen am Ende der Spendenskala. Laut der letzten repräsentativen Umfrage von 1996 gaben die Spender dabei durchschnittlich 1.100 Schilling pro Jahr. 1.570 Schilling waren es dagegen in Deutschland und ganze 2.220 in der Schweiz. Auch nach einer Korrektur durch die Kaufkraftparität sieht die Spendenfreudigkeit der Österreicher nicht viel besser aus.

Einer der Gründe dafür ist denkbar simpel: Bareinzahlungen orientieren sich am kleinsten Papierschein. Und in Österreich ist dieser Wert mit 20 Schilling vergleichbar niedrig. Auch der Anreiz zur freien Gabe hält sich hierzulande in Grenzen: In Deutschland sind Spenden steuerlich absetzbar, auch in der Schweiz wird das Stiften leicht gemacht. Eine Zentrale vermeidet dort zudem unnötige Konkurrenz am Spendenmarkt Nicht zu vergleichen sei freilich die österreichische Situation mit angelsächsischen Ländern, betont Bittner: "Dort herrscht ein völlig anderes Verständnis von Bürgerbeteiligung. In Großbritannien leben ganze Museen von privaten Spenden."

Das größte Manko hierzulande sei jedoch ein fehlendes Spendegütesiegel, klagt der Experte. Erst wenige Organisationen, darunter das Rote Kreuz, die Katholische und die Evangelische Kirche, haben sich zu Selbstverpflichtungen durchgerungen. Durch EDV und ausgeklügelte Werbestrategien ist das Spendenwesen zum Geschäft geworden - Transparenz und Kontrolle würden demnach unumgänglich, mahnt Bittner. "Spenden sammeln kostet Geld. Das muss man dem Spender auch vermitteln."

Drang nach mehr Nicht die Geldsumme macht das Spendenwesen bedeutsam. Vielmehr sei Spenden "eine wesentliche, heute oft einzig mögliche Form aktueller politischer Beteiligung", stellt Gerhard Bittner klar. In Österreich gehe es jedoch weniger um das Engagement von Bürgerinnen und Bürgern als "einfach ums Geld".

Gerade die Medien tragen ihr Scherflein zur Rekordsucht bei, kann er sich schließlich einen Seitenhieb nicht verkneifen: "Licht ins Dunkel bringt mit gut 100 Millionen Schilling so viel ein wie die jährliche Dreikönigsaktion. Und das mit Breitwandbespielungen am ganzen Heiligen Abend."

Caritas-Augustsammlung 2000. "Meine Spende lebt.". P.S.K.-Spendenkonto 7.700.004

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