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Österreichs Erfolge beim Run nach Brüssel

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In Brüssel erwartet man von Österreichs Forschung Anstöße für die Osterweiterung der EU und für die Erhaltung des kulturellen Erbes.

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In Brüssel erwartet man von Österreichs Forschung Anstöße für die Osterweiterung der EU und für die Erhaltung des kulturellen Erbes.

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Ein Jahr nach Österreichs Beitritt zur Europäischen Union ist die öffentliche Meinung, was Vor-und Nachteile betrifft, eher auf Moll gestimmt. Von der Euphorie der Zweidrittel-Mehrheit vom 12. Juni 1994 ist nichts mehr zu spüren.

Wer jedoch hinter die Kulissen sehen kann, wer weniger publikumswirksame Berichte unter die Lupe nimmt, kann ein wesentlich positiveres Bild mitnehmen - etwa in dem für Europas wie Österreichs Zukunft besonders wichtigen Bereich von Forschung und Entwicklung. Daß Forschung - und nicht nur technisch-naturwissenschaftliche - längst nicht mehr allein im stillen Kämmerlein, im beschränkten nationalen Bereich betrieben werden kann, sondern internationaler Zusammenarbeit bedarf, ist. seit Jahrzehnten selbstverständlich.

Die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG), heute die Europäische Union (EU) hat diese Zusammenarbeit seit je intensiv gefördert. Als Österreich mit 1. Jänner 1995 der EU beitrat, konnte es sich sofort an der ersten Ausschreibung des Vierten Rahmenprogramms der EU für Forschung und Entwicklung beteiligen.

Dieses Programm startete am 15. Dezember 1994 und soll bis 1998 laufen. Es soll

■ die wissenschaftlich-technischen Grundlagen der europäischen Industrie auf den Weltmärkten fördern und in technologischen Schlüsselbereichen gegenüber den USA und Japan wieder wettbewerbsfähig machen;

■ die Koordinierung der Forschungspolitik zwischen den Mitgliedstaaten sowie

■ die Verwertung und Vermarktung von Forschungsergebnissen verbessern, um europäische Schwächen im Technologietransfer zu überwinden und damit vor allem der mittelständischen Wirtschaft zu helfen;

■ und schließlich Verkehrs-, Umwelt-und Sozialpolitik der EU technologisch flankieren.

Für dieses Programm sollen bis Ende 1998 12,3 Milliarden ECU - rund 175 Milliarden Schilling - aufgewendet werden, wobei die dicksten Brocken bei der Informations- und Kommunikationstechnologie mit 28 Prozent, der Energieforschung mit 18 und Projekten der Industrie- und Werkstofftechnologien mit 16 Prozent liegen. 13 Prozent sind Biowissenschaften gewidmet, neun Prozent der Umweltforschung.

Österreich steht bereits mitten drin. Die Zusammenarbeit im Rahmen des EWR-Vertrags bot die Vorstufe. Im Wissenschaftsministerium ist der Leiter der Sektion IV, Internationale Zusammenarbeit, Raoul Kneucker, zuständig, die in sechs Ministerien verlaufenden Fäden zusammenzufassen und in Brüssel als Österreichs Sprecher in Forschungsbelangen aufzutreten. Neben dem Wissenschaftsministerium sind die Bundes-ministerien für öffentliche Wirtschaft und Verkehr, für Wirtschaft, für Landwirtschaft, für Umwelt und für Gesundheit unmittelbar einbezogen, das Unterrichtsministerium darüber hinaus für Erzie-hungs- und Bildungsfragen.

Zwei zentrale Betreuungsorganisationen -die eine für die Bildung, die andere für die Forschungsund Entwicklungsprogramme - fassen die jeweils befaßten Dienststellen - Ministerien, Kammern, Fonds, Landesregierungen - als Interessenten wie Geldgeber zusammen. Und sie erleichtern dadurch die Abwicklung -allein in Bayern arbeiten etwa 200 Betreuungsstellen nebeneinander.

Im Rahmen der ersten Ausschreibung des Programms gingen europaweit 13.400 Anträge ein - davon rund 1.400 - 10,5 Prozent - mit österreichischer Beteiligung. 210 davon sollten von österreichischen Wissenschaftlern koordiniert werden.

Nach strenger Sichtung wurden schließlich 300 Projekte ausgewählt, an denen österreichische Forscher mit ausländischen Kollegen zusammenarbeiten und die nun von der EU finanziert werden sollen. Die Erfolgsrate liegt damit bei 21 Prozent.

Von den erfaßten Projekten beziehen sich 58 auf Energieforschung, 45 auf Biomedizin und Gesundheit, 33 auf Telekommunikation, 29 auf Umwelt und Klima und 24 auf Verkehrsprobleme. Aber auch sieben agrarwis-senschaftliche und sieben gesellschaftspolitische Projekte - neben rund 70 anderen - erfaßt.

Österreichs Zahlungen an die EU machen zur Zeit 22 Milliarden Schilling pro Jahr aus. Davon entfallen anteilsmäßig etwa 800 Millionen auf den Forschungsbereich - aber schon aus der ersten Ausschreibung des vierten Rahmenprogramms laufen 600 Millionen Schilling wieder nach Österreich zurück und finanzieren hier die wissenschaftliche Arbeit. Wesentlich mehr als erwartet - Kneucker hätte mit 50 bis 60 Prozent Rückflüssen gerechnet.

Für ihn sind die Rückflüsse nicht nur finanziell von Bedeutung. Die internationale Zusammenarbeit bedeutet Teilung des Risikos - das in der Forschung immer groß ist -, der Kosten - die allein von Österreich nie ge tragen werden können -, aber auch der Ergebnisse: Alles, was die ausländischen Kollegen an Erkenntnissen in den gemeinsamen Projekten beitragen, kommt auch Österreich zugute, Eine Nichtteilnahme würde einen Ausschluß aus dieser wissenschaftlichen Entwicklung bedeuten.

Am ersten Run auf die Ausschreibung aus Brüssel beteiligten sich vor allem jene Forscher, die schon seit lan gern im internationalen Bereich zu Hause sind. Die Beteiligung an den nächsten Ausschreibungen wird die „Nagelprobe" bringen, wie weit Österreichs Wissenschaft tatsächlich schon auf die Integration vorbereitet ist. Dann werden neue Forschergene rationen heranwachsen müssen - und dabei drohen die Sparprogramme in Staat und Wirtschaft mit sehr negati ven Auswirkungen

Österreich hat einen guten Ruf un ter den EU-Mitgliedern, nicht nur als Netto-Zahler angesichts der immer größer werdenden Zahl an Beitrittswerbern, die sich vor allem Hilfe er warten.

Von Österreich werden in Brüssel vor allem Akzente in den Bereichen der Osterweiterung wie der Kultur erwartet. Für den Beitritt der ost- und mittelosteuropäischen Nachbarstaaten liegt bereits der Entwurf eines Strategiepapiers vor. Im Kulturbereich steht vor allem der Schutz des kulturellen Erbes im Vordergrund -und da ist Österreich ja schon mehrfach vorangegangen.

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