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Ein steirischer Horchposten für Brüssel

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Als eine der ersten Landeshauptstädte h·at Graz ein eigenes Europa-Referat einge richtet. Die Steiermark kämpft auch vehe-: ment für eine bessere Verkehrs-Einbindung· in das neue Europa. Diese und andere in teressante Entwicklungen in der ,,G rünen Mark" sind Thema des Dossiers.

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Als eine der ersten Landeshauptstädte h·at Graz ein eigenes Europa-Referat einge richtet. Die Steiermark kämpft auch vehe-: ment für eine bessere Verkehrs-Einbindung· in das neue Europa. Diese und andere in teressante Entwicklungen in der ,,G rünen Mark" sind Thema des Dossiers.

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Glücklich kann sich preisen, wer in Brüssel eine Einladung zum ,blau-weißen-Stammtisch' erhält, der jeden zweiten Dienstag im Monat stattfindet. Bayerische Besucher Brüssels und Freunde Bayerns in der belgischen Metropole brauchen so auf die blau-weiß gedeckten Tische, bayerisches Bier und Frankenwein nicht zu verzichten. Wie wichtig den Bayern der ,Horchposten' Brüssel ist, kann man aus der Tatsache entnehmen, daß Bayern zwei Häuser gekauft

hat, die sich im Umbau befinden. Eins davon soll dann auch einen Bierkeller erhalten, der der Bayerischen Vertretung in Bonn soviel Freunde beschert hat. Das deutsche Beispiel scheint in Brüssel Schule zu machen. Eine Reihe von anderen Ländern, so zum Beispiel Frankreich, Kanada, die , USA, Großbritannien, Italien und Spanien sind inzwischen auch mit Regionalbüros vertreten."

Mit diesen Worten faßt ein aktueller Beitrag im Maiheft des EGMagazins zusammen, weshalb es heutzutage so viele öffentliche und halböffentliche Stellen nahezu als unverzichtbar erachten, eine eigene Adresse in Brüssel zu haben.

Zuvor finden sich in diesem Artikel die konkreten Gründe für die Errichtung derartiger Länderbüros in Brüssel minutiös angeführt: Die Wirtschaft des eigenen Landes hat eine Anlaufstelle in Brüssel, der Kontakt zu den Landsleuten in den Institutionen der Europäischen Gemeinschaft ist direkter, Besuchergruppen aus dem eigenen Bundesland haben ein „Zuhause" in der EG-Hauptstadt. Anfragen aus der Heimat - speziell von mittleren Betrieben, die sich keine eigene Vertretung leisten können - werden schneller und unbürokratischer erledigt. Das eigene Land wird in Brüssel bekannter. Und last but not least wer in und wer mit Brüssel

Geschäfte machen oder Politik betreiben will, muß sich den dortigen Gewohnheiten anpassen. Und die sind nun einmal auf Insiderinformationen, persönliche Bekanntschaften und permanentes Präsentsein ausgerichtet. Werden auch die österreichischen Bundesländer, und wird konkret etwa auch die Steiermark diesem (bayerischen) Vorbild folgen (müssen)?

Bevor man auf diese Fragen vernünftig antworten kann, ist es erforderlich, das Bild der (deutschen) Länderinteressenvertretung i n Sachen Europäische Integration rioch um einiges zu ergänzen. Die deutschen Länder setzen für diese Aufgabe nämlich nicht nur eigene Büros in Brüssel ein, zur Vertretung ihrer Europabelange haben sie allesamt auch'noch in ihren jeweiligen Landeshauptstädten eigene Europareferate. eingerichtet. Diese Europareferate habep dann ihrer

ihrerseits wieder eigene Außenstellen beim Bund, in der Noch-Bundeshauptstadt Bonn. Und schließlich gibt es, diesmal als eine Einrichtung aller deutschen Länder gemeinsam, den sogenannten Länderbeobachter in Brüssel/Bonn und im Deutschen Bundesrat, der Länderinteressenvertretungskammer auf Bundesebene, einen speziellen Ausschuß, die sogenannte Europakammer.

Wird diese Fülle und die Zahl von „Europadienststellen" auch ' hierzulande von den Ländern angestrebt und droht uns damit im künftig gemeinsamen Europa neben einer europäischen Zentralbürokratie auch noch eine ganze Kohorte neuer Ländereurokraten?

Wenn man auf diese Frage eine korrekte Antwort geben will, dann wird diese Antwort vermutlich lauten müssen: Ja, auch die österreichischen Länder werden, um im Europa der Zukunft entsprechend

präsent ·zu sein, vieles (wenn nicht sogar alles) von dem nachahmen müssen, was es an derartigen Einrichtungen gibt.

Freilich, und nun wird den Österreichern hoffentlich gleich weniger bang, alles zu seiner Zeit und alles in den richtigen Dimensionen.

Konkret heißt das, daß vorausschauenderweise heute bereits von den österreichischen Ländern für die Zukunft über Einrichtungen in der geschilderten Art nachgedacht werden soll; vieles wird notwendig sein, aber erst Zug um Zug und das heißt realistischerweise etwa in den nächsten zehn Jahren.

Und auch was die Größenverhältnisse anlangt, wird man sich wohl nicht Bayern zum Vorbild nehmen können. Die österreichischen Bundesländer wei:den vielmehr maximal an das denken können, was beispielsweise der größenordnungsmäßig vergleichbare Stadtstaat Bremen oder sonstige kleinere deutsche Länder wie RheinlandPfalz, das Saarland oder Schleswig- Holstein als ausreichend empfinden.

Im Sinne eines derartigen Schrittfür- Schritt-Konzepts hat im April dieses Jahres die Steiermärkische Landesregierung vorerst auch einmal nur bei sich zu Hause im Amt ein eigenes Europareferat eingerichtet und dieses mit einem universitären Experten als Europabeauftragten und einem kleinen Mitarbeiterstab bestückt.

Die Arbeit, die auf das Team wartet, ist beachtlich. Es gilt, den fast täglich zunehmenden Strom an Informationen aus der und über die EG zu sichten und für die anderen Fach- und

Wenn dann noch ein wenig Zeit dafür übrig bleibt, dann werden auch Direktkontakte in Brüssel, in Straßburg und in Luxemburg aufzunehmen und auszubauen sein, so wie das erst unlängst Landeshauptmann Josef Krainer mit seiner Teilnahme an der zweiten Konferenz zum Thema „Europa der Regionen" in Brüssel im April dieses Jahres vorexerziert hat.

Für derartige zukünftige Direktkontakte kommt dann vielleicht auch das eingangs erwähnte bayerische Modell - leicht abgewandelt - zur Anwendung. Wie es der stellvertretende Landesamtsdirektor Hofrat . Ortner anläßlich der Vorstellung des neuen steirischen Europabeauftragten durchaus ernsthaft angekündigt hat: „Ein paar Flaschen Schilcher und Verhackertbrote werden schon drin' sein."

Der Autor ist Profes????r am Institut für Öffentliches Recht, Politikwissenschaften und Verwaltungslehre an der Universität Graz sowie seit April Europabeauftragter des LandesSteiermark.

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