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„STEIRERZIMMER" FÜR DAS EUROPAHAUS

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In der Politik geht es, selten genug, aber manchmal doch, viel rascher als man denkt. Ein besonders gutes Beispiel für eine derartige Entwicklung liefert das Thema Österreichs Mitgliedschaft im Europa der Europäischen Gemeinschaft. Vor zwei, drei Jahren hierzulande noch belächelte Illusion, bedeutet es heute bereits intensive politische Verhandlungen und administrative Knochenarbeit und hoffentlich schon morgen Realität und Alltag.

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In der Politik geht es, selten genug, aber manchmal doch, viel rascher als man denkt. Ein besonders gutes Beispiel für eine derartige Entwicklung liefert das Thema Österreichs Mitgliedschaft im Europa der Europäischen Gemeinschaft. Vor zwei, drei Jahren hierzulande noch belächelte Illusion, bedeutet es heute bereits intensive politische Verhandlungen und administrative Knochenarbeit und hoffentlich schon morgen Realität und Alltag.

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Die Steiermark hat sich vor etwas mehr als einem Jahr als erstes österreichisches Bundesland, und damals von manchen belächelt, den „Luxus" eines eigenen Europareferats im Amt der Landesregierung geleistet. Heute ist man froh darüber, daß man rechtzeitig Vorsorge dafür getroffen hat, daß Landespolitik und Landesverwaltung eine funktionierende Koordinations- und Stabsstelle für alle Fragen in Sachen EWR und EG-Mitgliedschaft nutzen können, im Dienste der Wahrnehmung von Landespositionen im geradezu sintflutartig hereinströ-menden europäischen Recht.

Und anderswo lächelt heute niemand mehr über die vorschnellen Steirer. Man hat sich vielmehrauch in allen anderen Ländern an diesem Beispiel orientiert und eigene Einrichtungen geschaffen. Man ist sogar, wieder unter tatkräftiger Mitarbeit der Steiermark, noch einen Schritt weiter gegangen und hat zusätzlich noch ein gesamtösterreichisches Ländervertretungsorgan für Fragen der Europäischen Integration geschaffen, den sogenannten Ständigen Integrationsausschuß der Länder (SIL), und man hat in Brüssel, in der Österreichischen EG-Mission, einen gemeinsamen Ländervertreter installiert, um sich damit auch eine Art Brüsseler Standbein zu sichern.

Arbeit gibt es für alle diese Einrichtungen in Hülle und Fülle. Für die laufenden Verhandlungen mit EFTA und EG müssen Informationen, Stellungnahmen und Vorschläge der Länder dem Bund rechtzeitig unterbreitet werden, damit er sie dann in Genf und in Brüssel und anderswo in europäischen Hauptstädten auch in entsprechender Weise vertritt. Bei diesen Arbeiten geht es häufig auch um politisch brisante Themen. Etwa um die Furcht vieler vor einem Ausverkauf unserer Heimat, also um die Frage des sogenannten Ausländergrundverkehrs, um die Absicherung österreichischer Positionen zumindest/ für eine;Übergangszeit, und um eine EG-konforme Umgestaltung des einschlägigen österreichischen Rechts.

Ähnlich heiß geht es auch bei einem anderen Thema zu. Wenn öffentliche Aufträge in Zukunft, wie es so schön heißt, nicht diskriminierend vergeben werden müssen, dann verlieren lokale Anbieter ihren Heimvorteil. Da braucht es dann viel Aufklärungsarbeit, um allen Beteiligten klarzumachen, daß Veränderungen wie diese auch für die heimische Wirtschaft eine Chance bedeuten, und auch nicht ganz ohne -, daß sich die sogenannten öffentlichen Hände, die Länder und die Gemeinden vielleicht in Zukunft bei der Auftragsvergabe auch einiges ersparen können. Ein fast noch heißeres Eisen ist der Umbau der lokalen und regionalen Wirtschaftsförderung. Hier hat man in der Steiermark glücklicherweise schon sehr frühzeitig die Zeichen der Zeit erkannt und die dafür zuständige Wirtschaftslandesrätin hat nicht zuletzt auch nach eigenen Vorsprachen in Brüssel so rasch gehandelt, daß wir heute in der Steiermark diesbezüglich keine besonderen Ängste vor den EG-Regeln in diesem Bereich haben müssen.

Etwas anders verhält es sich beim Thema Transitverkehr. Hier mußte man dem Bund, den EFTA-Partnern und den Staaten der Europäischen Gemeinschaft erst einmal klar machen, daß die Frage des Transitverkehrs in Österreich nicht nur in Tirol und nur auf der Brenner-Route ein Problem darstellt, das man lösen muß, damit die Bevölkerung dann auch mit gutem Grund „Ja“ zum Gemeinsamen Europa sagen wird können. Aus steirischer Sicht folgt daraus das Verlangen nach einer Einbindung der Pyhm-Route in österreichische Transit-Pla-fondierungsmodelle und die Forde rung nach einem besseren Ausbau der Eisenbahn-Infrastruktur sowohl durch das Palten-Liesingtal als auch auf der Achse Wien-Graz-Klagenfurt.

Arbeit gibt es für den Europabeauftragten und seine Mitarbeiter aber nicht nur im Außenbereich. Eine zumindest ebenso wichtige Aufgabe des Europareferates besteht darin, möglichst viele Mitarbeiter im Bereich der Landesverwaltung in Sachen Europäische Integration aus- und weiterzubilden. Dazu werden an der Steirischen Verwaltungsakademie Einführungskurse in das Europäische Gemeinschaftsrecht durchgeführt und daneben und darüber hinaus wird versucht, auch spezielle Themen im Rahmen von Sonderveranstaltungen, an denen hochqualifizierte in- und ausländische Referenten teilnehmen, aufzubereiten.Verbessert werden

müssen auch die Fremdsprachenkenntnisse vieler Mitarbeiter im Dienste des Landes. In Brüssel wird eben immer noch in erster Linie französisch gesprochen und verhandelt, und für Gespräche und Verhandlungen in und mit Brüssel wird man sich daher auch an das bereits klassische Motto „in Rome do as the Romans do“ halten müssen - leicht abgewandelt natürlich.

Mit dem EG-Referat in seiner bisherigen Konstellation wird man auf Dauer aber nicht das Auslangen finden. Es besteht vielmehr heute bereits ein Bedarf danach, und dieser wird sich künftig noch steigern, daß die einzelnen Rechts- und Fachabteilungen des Amtes, die ja die eigentliche Arbeit der Landesverwaltung leisten, jeweils mit eigenen „kleinen“ Europareferenten ausgestattet werden. Derartige Spezialisten, die es derzeit noch nicht gibt, müssen rasch gefunden und einer intensiven Spezialausbildung unterzogen werden, wobei auch ein mehrjähriger Auslandsaufenthalt bei verschiedenen EG- und

EFTA-Dienststellen in Betracht zu ziehen sein wird. Mit einer derartigen Suche nach geeigneten Personen im eigenen internen Bereich der Landesverwaltung aber auch, soweit dieses Angebot nicht ausreicht, durch Neueinstellungen hat die Steiermark bereits begonnen und hat damit wieder einen Schritt gesetzt, der auch die übrigen Bundesländer zum Nachdenken in die gleiche Richtung angeregt hat.

Daß es gar nicht so einfach sein wird, geeignete Personen für derartige Europakarrieren zu finden, liegt auf der Hand. Im besonderen ist zu befürchten, daß sich die ja durchwegs zahlungskräftigere Wirtschaft die besten Kandidaten sichern wird. Die Länder werden sich daher anstrengen müssen, daß sie auf ihre Weise konkurrenzfähige Angebote für die bestqualifizierten Mitarbeiter erstellen, etwa mit flankierenden Maßnahmen in Fragen wie Übersiedlungsmöglichkeit mit der Familie, Wohnungssuche, Ausbildung der Kinder in internationalen Schulen und so weiter.

Diese Ausführungen drängen die Frage auf, wann denn nun die Steiermark wirklich in Brüssel vertreten sein wird. Dies wird wohl noch eine Weile dauern; vorerst plant man die nach dem geschilderten Ausbildungsprogramm einschlägig qualifizierten Personen als Mitarbeiter in die EG zu entsenden, um auf diese Weise für die in der heimischen Landesverwaltung Tätigen Ansprechpartner in Brüssel zu haben. Langfristig gesehen wird aber mit solchen „Steiermark-Beauftragten“ in der EG nicht das Auslangen gefunden werden, sondern es wird sich die Einrichtung eines eigenen Steiermark-Büros nach dem Beispiel der deutschen Bundesländer als zweckmäßigerweisen. Der Zeitpunkt hiefür könnte realistischerweise der der Unterschrift unter den EG-Beitrittsvertrag sein. Wenn, wie beabsichtigt ist, ein gemeinsames Domizil für alle österreichischen Anliegen in Brüssel gefunden wird, werden wir uns bemühen, im Gemeinsamen Österreichhaus ein paar Zimmer auch für die Steiermark zu reservieren.

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