7033611-1989_40_24.jpg
Digital In Arbeit

Droht dem der mediale

Werbung
Werbung
Werbung

Wenn der EG-Binnenmarkt in den neunziger Jahren Realität werden sollte, wird dies auch Auswirkungen auf die Bereiche der Medienwirtschaft und Telekommunikation haben. 320 Millionen EG-Bürger werden dann den potentesten Medienmarkt der Welt bilden. Schon heute hat dies zu turbulenten Entwicklungen geführt und es werden wirtschaftliche, politische und rechtliche Weichen gestellt, die vor allem in Richtung Internationali-sierung und Kommerzialisierung gehen. Auch für die österreichische

Medienlandschaft, die bereits heftig in Bewegung geraten ist, wird dies nicht ohne Folgen bleiben.

Die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft „entdeckte“ die Medien erst in den frühen achtziger Jahren. Das sogenannte „Grünbuch“ über die Errichtung eines gemeinsamen Marktes für den Rundfunk, dem ein gewisser Signalcharakter zukommt, wurde 1984 publiziert. Es setzte sich im wesentlichen drei Ziele:

1. die Rolle der Medien für den europäischen Integrationsprozeß hervorzuheben und zu verstärken,

2. zu untersuchen, inwieweit der EG-Vertrag auch für den Mediensektor anzuwenden ist,

3. eine Angleichung der Gesetzgebung in den EG-Mitgliedsländern für das Rundfunk- und das Urheberrecht vorzuschlagen.

Beim ersten Punkt ging es um die politisch-ideologische Bedeutung der grenzüberschreitenden Medienkommunikation in Europa. Das Interesse galt aber vor allem der Interpretation von Rundfunk - von

den Printmedien war in der EG bisher kaum die Rede - als „Dienstleistung“. Bislang war Rundfunk in der nach 1945 in Europa entstandenen Medienordnung ja primär als „öffentliches“ und „kulturelles“ Gut verstanden worden - wofür die EG nicht zuständig wäre. Die Einschätzung des Rundfunks als Dienstleistung bedeutete nun, daß er unter die vier „Freiheiten“ zu rechnen war, für die 1992 die Grenzen endgültig fallen sollten.

Schließlich sollten im Wege der allmählichen Rechtsangleichung auch die legislativen Voraussetzungen für die Schaffung eines gemeinsamen EG-Medienmarktes geschaffen werden. Das Instrument dafür war die Deregulierung der nationalen Rundfunkgesetzgebung - insbesondere in Richtung Privatfunk -, verbunden mit der Festlegung von möglichst geringen Mindestansprüchen. Die inzwischen verabschiedete Europarats-Konvention über grenzüberschreitenden Rundfunk entspricht diesen Interessen weitgehend. Hingegen hat die 1986 zum erstenmal vorgelegte Rundfunkrichtlinie der EG-Kommission in Brüssel, die 1988 überarbeitet wurde, bisher keine einhellige Zustimmung gefunden, sodaß bis auf weiteres die ursprünglich mit ganz anderen Zielsetzungen initiierte Europarats-Konvention Grundlage der weiteren Entwicklung bleibt.

Zur deklarierten EG-Politik gehörte aber auch die generelle Absicht, die audiovisuelle Produktionskapazität in der EG zu verstärken. Angesichts des hohen Anteils von zumeist billigen Film- und TV-Importen vornehmlich aus den USA sowie des Umstandes, daß die Filmwirtschaft in den meisten europäischen Ländern in eine Krise geraten

war, wurde nach langen Jahren schöner Worte für den europäischen Film unter dem Titel „Media 92“ ein Förderungsprogramm entwickelt, das in den Bereichen Produktion, Vertrieb, Ausbildung und Finanzierung eine Reihe von Maßnahmen zur Ankurbelung dieses Marktes vorsieht. Der Gesamtrahmen der dafür vorgesehenen Mittel ist allerdings noch bescheiden. Er lag 1988 bei rund 70 Millionen Schilling, heuer soll dieser Betrag jedoch auf 500 Millionen erhöht werden.

Weitaus massiver sind dagegen die Anstrengungen der EG im Bereich der neuen Medien- und Kommunikations-Technologien ausgefallen. Hier heißt der Hauptkonkurrent nicht USA, sondern Japan. HDTV, das Kürzel für die neue Qualitätsmarke „hochauflpsendes Fernsehen“, das auf der letzten Berliner Funkausstellung für Furore sorgte, ist hier ein wichtiger Hebel in der Auseinandersetzung um einen auf viele Milliarden geschätzten Zukunftsmarkt. Die Festsetzung einheitlicher EG-Normen könnte möglicherweise die fernöstliche übermächtige Konkurrenz in Schranken verweisen.

Massiv gefördert wird auch die Forschung in diesem Sektor. Die generelle Tendenz geht in die Richtung der Durchsetzung des Marktmodells auf allen Ebenen, etwa auch im Bereich der nationalen Postverwaltungen, die nun „liberalisiert“ und „privatisiert“ werden sollen. Antriebskräfte sind neben der Wirtschaft und der Werbung die EG-Bürokratie, aber in vielen Ländern auch die Politik.

Nutznießer dieser Entwicklung dürften in erster Linie jene großen, transnationalen Multi-Medien-Unternehmen sein, die in den ver-

gangenen Jahren eine enorme Expansion erfahren haben. Sie verbinden sich mit den Namen von „Me-dien-Tycoons“ wie Silvio Berlusconi, Leo Kirch, Murdoch, Maxwell, Benedetti oder Hersant, aber auch mit „stillen Riesen“ wie dem bis vor kurzem weltgrößten Medienkonzern Bertelsmann oder dem „WAZ“-Konzern. Diese Unternehmen, die längst auch in anderen Wirtschaftsbereichen aktiv sind, haben die Chancen genutzt, die sich einerseits durch die technologische Entwicklung, andererseits durch die Ausdehnung der Märkte und die rasante Steigerung der Werbeaufwendungen ergeben haben. Die „Privatisierung“ des Rundfunks hat diesen Prozeß nachhaltig gefördert, in einer Reihe von Ländern sind die öffentlich-rechtlichen Anstalten weit zurückgedrängt worden.

Werden nun rechtliche Deregulierung und die Unternehmenspolitik der Konzerne in Zukunft für einen medialen europäischen „Einheitsbrei“ sorgen, dem die nationalen medienkulturellen Besonderheiten zum Opfer fallen werden? Solche Befürchtungen sind sicher nicht ganz von der Hand zu weisen, doch wird es auch in Zukunft Barrieren geben, die die Realisierung eines ge-

meinsamen EG-Medienmarktes noch auf lange Zeit behindern werden. Vor allem die Sprachgrenzen haben sich hier als großes Handicap erwiesen: Noch immer verfügen zumindest zwei Drittel der EG-Bürger über keine ausreichenden Fremdsprachenkenntnisse. Der Mißerfolg von Programmen wie „Sky Channel“ auch hierzulande ist nicht zuletzt diesem Umstand zuzurechnen. Und es gibt kaum Fachleute, die etwa dem Projekt einer Euro-Tageszeitung in englischer Sprache und mit Massenauflage -dessen Start von seinem Erfinder Robert Maxwell immer wieder verschoben wurde - echte Chancen einräumen.

Nicht zuletzt aufgrund seiner geographischen Lage ist Österreich von der im EG-Raum durch die Ankündigung der Verwirklichung des Binnenmarktes 1992 ausgelösten Dynamik nicht allzu massiv betroffen worden. Doch hat auch die bisherige Entwicklung bereits zu einigen „Beben“ in der heimischen Medienlandschaft geführt: Das Engagement bundesdeutschen Medienkapitals, allen voran des „ WAZ “-Konzerns, wird erst auf dem Hintergrund des mit dem EG-Medienmarkt verbundenen Zwangs zur

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung