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LEBENSMITTELQUALITAT UND TRANSIT

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FURCHE: Welche Veränderungen sind durch den EG-Beitritt für den Umweltschutz zu erwarten ?

MONIKA LANGTHALER: Der EG- und auch schon der EWR-Bei-tritt Österreichs bedeuten, daß Österreich die Mitsprachemöglichkeit in der künftigen Umwelt-Gesetzgebung verliert. Aus Brüssel vorgegebene Richtlinien werden von uns höchstens „kosmetisch" verändert werden können. Es tritt eindeutig ein Souveränitätsverlust ein. In der österreichischen Umwelt-Gesetzgebung gibt es einerseits Regelungen, die Grenzwerte festlegen, die auf Anlagen bezogen sind, also beispielsweise die Dioxin-Grenzwerte im Luftreinhaltegesetz für Dampfkesselanlagen. Diese können gleichbleiben. Aber in grenzüberschreitenden Problemen werden öster-reichische Lösungen nicht mehr möglich sein. Beispielsweise wird die Herstellung von PVC in Österreich' zwar verboten sein, aber es wird kein Einfuhrverbot geben können. Jedes Produkt, das in einem EG-Land zugelassen ist, muß auch von den übrigen EG-Ländern zugelassen werden. Da das PVC-Verbot (Verpackungsmaterial!) in Österreich wesentlich von Frauen in Bürgerinitiativen mitbewirkt wurde, sind von dieser Schlechterstellung die Frauen besonders betroffen.

FURCHE: Aber können nicht die Frauen als Käuferinnen nochmals Einfluß nehmen ?

LANGTHALER: Dazu wäre aber eine Kennzeichnungspflicht nach österreichischen Kriterien die Voraussetzung. Wenn die Waren nach den EG-Vorschriften gekennzeichnet sind, wird das Material PVC für die Käuferin nicht mehr aus der Kennzeichnung erkennbar sein.

Am gravierendsten scheinen mir die künftigen EG-Regelungen für die Lebensmittelqualität. Die Ernährung der Familie, besonders der Kinder, fällt in erster Linie in die Verantwortung der Frauen: Der Grenzwert für Radioaktivität in der Babynahrung liegt in der EG sechzig mal so hoch wie in Österreich! Auch diese dem österreichischen Lebensmittelgesetz nicht entsprechenden Waren werden wir nach dem EG-Beitritt zulassen müssen.

FURCHE: Es geht also auch hier um die Kennzeichnung und die sich daraus ergebende Kontrollmöglichkeit?

LANGTHALER: Das österreichische Lebensmittelgesetz bleibt durch den EG-Beitritt unverändert. Aber der Import minderwertiger EG-Waren wird bei uns zu Dumping-Preisen führen, die Forderung seitens der Unternehmen nach Entschärfung der österreichischen Gesetzgebung aus Gründen des Wettbewerbes wird die Folge sein.

FURCHE: Welche Beispiele aus der Lebensmittelindustrie gibt es noch?

LANGTHALER: Ein gutes Beispiel sind die sogenannten Milch-Imitate. In Österreich kommen keine Milchprodukte aus sogenannten Milch-Imitaten auf den Markt, aber österreichische echte Milchprodukte werden von den - billiger herstellbaren - Milch-Imitaten preismäßig konFURCHE: Die EG-Gesetzgebung kann aber doch nur von einem EG-Mitglied Österreich mitgestaltet und 'beeinflußt werden?

LANGTHALER: Das scheint nur so. Österreich mit seinen sieben Millionen Einwohnern wird da überstimmt. Gerade in Umweltfragen haben Frankreich, Italien, Griechenland, Spanien, Portugal andere Vorstellungen als Deutschland oder Österreich. Das Mitgestalten stimmt nur in der Theorie.

FURCHE: Wie steht's in der EG um die Behandlung von Sondermüll, um die Grenzwerte bei Wasser- und

LANGTHALER: Die Grenzwerte für die Trinkwasserqualität sind in der EG niedriger als in Österreich, allerdings ist die Kontrolle der Einhaltung dieser Richtlinien problematisch. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) kann zwar jedes Mitgliedsland auf Einhaltung der Richtlinien klagen -nur gibt es bei Nichteinhaltung außer der verbalen Verurteilung keine Sanktionsmöglichkeit. Die EG-Gesetze haben im Bereich der Wasserqualität Österreich überholt, schwierig ist nur deren Vollzug.

FURCHE: Und dieLuftverschmutzung?

LANGTHALER: Das österreichische Luftreinhaltegesetz für Dampfkesselanlagen würde durch den EG-Beitritt nicht unterlaufen. Anders stellt sich die Frage der Belastung durch den Verkehr. Trotz der von Verkehrsminister Rudolf Streicher erreichten LKW-Reduzierung wird ein Anstieg der Emissionen zu verzeichnen sein.

Ein weiterer Problembereich ist die Landwirtschaft, wo wegen des verstärkten Wettbewerbs die Kleinen untergehen und große landwirtschaftliche Betriebe noch mehr Dünger, noch mehr Schädlingsbekämpfungsmittel einsetzen werden.

FURCHE: Sind bei der Behandlung von Sohdermüll in der EG Veränderungen zu erwarten?

LANGTHALER: Künftig soll dort „Abfall" wie ein Wirtschaftsgut deklariert werden. Damit würde einem „Abfalltourismus" in ärmere Länder Tür und Tor geöffnet, da diese Länder Entsorgungsmöglichkeiten für Devisen zur Verfügung stellen. In den reicheren Ländern wird das aufgrund des Bürgerwiderstandes immer schwieriger, aber in den ärmeren Ländern stecken Umweltbewußtsein und entsprechende Bürgerinitiativen noch in den Kinderschuhen.

Wenn Abfall als Wirtschaftsgut behandelt wird, fehlen auch Angaben über Lagerungsort, Mengen und Zusammensetzung, die eine gewisse Kontrolle ermöglichen. In Österreich gibt es derzeit eine Sonderabfallnach-weisverordnung, die eine solche Kontrolle ermöglicht.

FURCHE: Werden in der EG Ihrer Meinung nach Bürgerinitiativen keine Rolle mehr spielen?

LANGTHALER: Alle kleinen Gruppen werden geschwächt, Verantwortung wird auf eine nicht greifbare Ebene abgeschoben.

Das Gespräch mit der Umweltsprecherin der Grünen und studierten Chemikerin führte Leonore Rambosek.

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