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Falscher Nationalstolz
Nur noch 48 Prozent der Österreicher sind für einen Beitritt Österreichs zur EG, ergab eine letzte Woche veröffentlichte Umfrage der Sozialwissenschaftlichen Studiengesellschaft. Was vielleicht sogar noch bedeutender ist: 34 Prozent sind entschieden dagegen, bloß 18 Prozent sind unentschieden.
Ohne eine Umfrage überbewerten zu wollen - daß die Stimmung für unsere EG-Ambitionen im Lande nicht besonders gut ist, mußte in den letzten Wochen jedem einigermaßen sensiblen Menschen auch ohne repräsentative Meinungsforschung auffallen. Angesichts der Bedeutung dieser Frage für die Zukunft unseres Landes wäre es also durchaus angebracht, analog zum Budget-Alarm auch EG-Alarm zu geben.
Die Ursachen für die geringe EG-Begeisterung der Österreicher sind mannigfaltig. Das momentane Stimmungstief wird sicherlich von der EG-Kritik an unserer Jugoslawienpolitik und den wöchentlichen Schlagzeilen zum heldenhaften Kampf von David Streicher gegen Goliath van Miert mit verursacht.
Die Sorge, daß blutleere Bürokraten in Brüssel über uns -auch im übertragenen Sinn -„drüberfahren", war aber sicherlich schon vorher vorhanden. Und spätestens seit dem Golfkrieg fürchten viele Österreicher, ungeachtet aller anderslautenden Beteuerungen, daß Österreich als Vollmitglied der
EG durch EG-Beschlüsse auch in kriegerische Auseinandersetzungen hineingezogen werden könnte.
Daß hierzulande überdurchschnittlich viele Menschen in geschützten Sektoren beschäftigt sind, erhöht auch nicht gerade die Schubkraft Richtung Brüssel. Fürchten sie doch - zu recht -, daß das herrliche, von Konkurrenz unbeschwerte und mit hohen Sozialleistungen versüßte Leben in diesen Bereichen zu Ende geht.
Alles, was die EG an Positivem zu bieten hat, findet in den heimischen Medien praktisch keinen Niederschlag. Das mag an den heimischen Medien und ihrem Drang, sich an Negativa zu weiden, liegen.
Ganz schuldlos daran dürfte aber auch die hohe Politik nicht sein. Wenn Regierungsmitglieder ständig vor laufender Kamera den Eindruck erwecken, gegen „die da in Brüssel" kämpfen zu müssen, darf sich niemand wundern, daß Brüssel keine Liebe auf den ersten Blick geworden ist.
Wahrscheinlich stört es uns Österreicher, die wir uns doch für auf der ganzen Welt beliebt halten, daß wir von Brüssel nicht gleich abgebusselt werden. In solchen Fällen neigen wir ja bekanntermaßen ausnahmsweise zu Nationalstolz: Dann eben nicht! Und vergessen auf die Kleinigkeit, daß nicht die EG uns gerufen, sondern daß wir uns alsMitglied angeboten haben.
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