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Ein Beitritt mit Folgen

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Die EG wächst in den kommenden Jahren zum größten einheitlichen Wirtschaftsmarkt der Erde heran. Österreich bleibt - nach Meinung vieler Experten - keine Alternative.

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Die EG wächst in den kommenden Jahren zum größten einheitlichen Wirtschaftsmarkt der Erde heran. Österreich bleibt - nach Meinung vieler Experten - keine Alternative.

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Taumelt Österreich von einer Isolation in die nächste? So etwa könnte man salopp die Thematik der heurigen Volkswirtschaftlichen Tagung der österreichischen Nationalbank formulieren, die in der ersten Maiwoche in Baden bei Wien stattfand.

Konkreter gesagt ging es um „Die Vollendung des Europäischen Binnenmarktes, Folgen und Folgerungen für Österreich“ .

Wahrscheinlich gibt es auch gar keine Alternative zu einer engeren Bindung — das machte schon Generaldirektor Heinz Kienzl in seinem Einleitungsstatement klar, als er von einem Besuch bei der griechischen Zentralbank berichtete und man ihn dort fragte, wie sich denn Österreich in seiner Rolle als Nicht-EG-Mitglied und damit quasi als Außenseiter fühle. Eine Kooperation, in welcher Form immer, wird jedoch viele Probleme und Anpassungsschwierigkeiten mit sich bringen, wie die Tagungsreferate teilweise sehr eindringlich zeigten.

Zunächst erläuterte Fernand Braun, der zuständige Generaldirektor der EG-Kommission, das Programm der EG zur Erreichung des einheitlichen Binnenmarktes bis 1992. Die EG strebt die Einheitlichkeit ihres Wirtschaftsraumes durch uneingeschränkte Freizügigkeit für Waren, Dienstleistungen, Personen (und damit Arbeitskräfte) und Kapital an. Damit wird innerhalb weniger Jahre ein integrierter Wirtschaftsblock von 320 Millionen Menschen entstehen - der größte einheitliche Wirtschaftsraum der Welt, der aufgrund seiner Zersplitterung bisher jedoch global gesehen relativ schwach war.

Damit Österreich hier nicht übrigbleibt, bietet sich zunächst an, sich gemeinsam mit den EFTA- Partnern (Schweden, Schweiz,

Norwegen, Finnland, Island) um ein entsprechendes Naheverhältnis zur EG zu bemühen. Das wird seitens Brüssels auch durchaus begrüßt, wenn Braun auch die Grenzen dieser Kooperation sehr deutlich machte: An den Entscheidungen innerhalb der EG können die EFTA-Staaten nicht teilnehmen.

Sollte Österreich hingegen eher versuchen, auf bilateralem Weg sich der EG zu nähern, so empfiehlt Braun ein an den jeweiligen Gegebenheiten und Möglichkeiten ausgerichtetes Verhalten.

Dies entspräche ziemlich genau dem Weg, den die Schweiz in dieser Frage eingeschlagen hat, wie der für Integrationsfragen zuständige Minister im Eidgenössischen Departement für Auswärtige Angelegenheiten, Jakob Kellenberger, ausführte. Die Schweiz hat für sich einen Beitritt als Vollmitglied aus staats- und neutralitätspolitischen Gründen ausdrücklich ausgeschlossen, weil man Probleme bei der Erhaltung der innerstaatlichen Einheit und bezüglich des Systems der direkten Demokratie sieht.

Eines der heikelsten Probleme, die sich für Österreich im Falle ei-

ner diesbezüglichen Angleichung an die EG-Bestimmungen stellen würden, griff Frau Oberrat Ingrid Nowotny (Bundesministerium für Soziale Verwaltung) auf, nämlich die Frage der unbeschränkten Mobilität von Personen im EG-Bereich. Hier müßte Österreich zweifellos gewisse Bestimmungen lockern.

Der Präsident der österreichischen Nationalbank, Stephan Koren, ließ keinen Zweifel daran, daß Österreich seiner Meinung nach keine Alternative zur

Anpassung an die Entwicklungen in der EG habe und sich in dieser Frage keine zwiespältige Haltung erlauben könne. Auf währungspolitischem Gebiet selbst sieht Koren keine Probleme: Österreich verfolge seit Jahren das Ziel, zum Europäischen Währungssystem (EWS) in engem Kontakt und stabil zu dessen härtester Währung zu bleiben.

Wesentlich schwieriger könnte es im Bereich der Steuerpolitik werden, wie Gerhard Lehner (Wirtschaftsforschungsinstitut) ausführte. Die Steuerstruktur Österreichs unterscheidet sich nämlich stark von jener in den meisten anderen EG-Ländern. Eine Angleichung müßte zunächst bei den indirekten Steuern (Mehrwertsteuer, diverse Verbrauchssteuern) erfolgen, was zu Einnahmenausfällen im Budget führen würde.

Am düstersten erscheint die Lage im Bereich der Landwirtschaft. Hier vertrat der Generalsekretär der Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammern, Hans Korbl, die Meinung, daß die EG derzeit an einem Mitwirken Österreichs, wegen eigener größter Schwierigkeiten in diesem Bereich, nicht sehr interessiert sei. Österreich habe auf diesem Gebiet viel versäumt und müsse nun rasch und auch unter Inkaufnahme schmerzhafter Anpassungsprobleme aufzuholen versuchen.

Abschließend legte der Vizepräsident der EG-Kommission, Lord Francis Arthur Cockfield, seine globale Sicht der kommenden EG-Entwicklung dar. Er gab sich optimistisch bezüglich der Verwirklichung des Binnenmarktes bis 1992. Die Lösung des Beschäftigungsproblems, dessen Auftreten Cockfield als relatives Versagen der Gemeinschaft be- zeichnete, die Sicherung des hohen Lebensstandards und damit der politischen Stabilität in Westeuropa können nur durch Schaffung eines einheitlichen Marktes erreicht werden.

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