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„Keine Bittsteller!“

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FURCHE: Es gibt — auch in internationalen Medien — widersprüchliche Aussagen über Ihren Standpunkt in der Auseinandersetzung um eine für Österreich „maßgeschneiderte“ Form der zukünftigen Zusammenarbeit mit der EG. Halten Sie, im Gegensatz zu Bundeskanzler Franz Vranitzky, eine Vollmitgliedschaft noch für erstrebenswert?

ALOIS MOCK: Seit meinem Amtsantritt habe ich meine Auffassungen über die Weiterentwicklung wiederholt dargelegt, und diese können auch in Kurzfassung der Regierungserklärung entnommen werden. Es gibt keine Meinungsverschiedenheit mit dem Bundeskanzler in Sachen EG-Politik.

FURCHE: Welche Form einer „reduzierten“ Mitgliedschaft wäre dann für Sie denkbar, und welche Handlungsstrategien müßten gesetzt werden?

MOCK: Wir haben die Luxemburger Erklärung von 1984 und das darin vorgegebene Ziel der Schaffung eines einheitlichen europäischen Wirtschaftsraumes als Leitschnur für die Ausweitung der beiderseitigen Zusammenarbeit.

Osterreich muß politisches Engagement zeigen, um mit Nachdruck und Initiative die möglichst weitgehende Teilnahme Österreichs am künftigen europäischen Binnenmarkt und eine Einbindung in die so wichtige europäische Hochtechnologieforschung zu sichern. Wir müssen eine Vielzahl von parallelen Integrationsschritten setzen, um eine Abkop-pelung zu verhindern. Es geht mir also um konkrete Maßnahmen mit praktischen Auswirkungen für die österreichische Wirtschaft.

FURCHE: Gibt es Ihrer Meinung nach in allen Bereichen und Kreisen der heimischen Wirtschaft den uneingeschränkten Wunsch nach einer Neuordnung der EG-Beziehungen?

MOCK: Ich bin mir durchaus bewußt, daß es auch in Kreisen der Wirtschaft manches Zögern geben wird gegen Maßnahmen, die wir in Zukunft werden treffen müssen. Es ist klar, daß jeder Liberalisierungsprozeß den Abschied von Gewohnheiten fordert, ja seine Härten bringen kann. Die statistischen Außenhandelsdaten liefern jedoch den eindeutigen Beweis, daß jeder Integrationsschritt für die österreichische

Wirtschaft bereits mittelfristig bedeutende Vorteile bringt.

FURCHE: Was hat Österreich einzubringen, um in Brüssel nicht als Bittsteller dazustehen?

MOCK: Wir sind ein wichtiger Handelspartner für die Gemeinschaft. Gemeinsam sind die sechs EFTA-Staaten sogar die größten Handelspartner der Gemeinschaft. Bei allen Verhandlungen, die seit 1984 zur Durchführung der Beschlüsse der Luxemburger Erklärung geführt wurden, kamen Österreich und seine EFTA-Part-ner nicht als Bittsteller, sondern es ging um ausgewogene vertragliche Lösungen zum beiderseitigen Vorteil und mit einer gerechten Verteilung von Lasten und Pflichten zwischen den EFTA-

„Bei den Gesprächen geht es nicht um das Aufhalsen von Problemen“

Ländern und der Gemeinschaft. Im übrigen ist Österreich als ein wichtiges europäisches Transitland von besonderem Interesse für die EG.

FURCHE: Innerhalb der Gemeinschaft klaffen aber bereits die Interessen auseinander. Es gibt ein technologisches Nord-Süd-Gefälle, die landwirtschaftlichen Uberschüsse, die hohe Arbeitslosigkeit. Warum sollte sich Brüssel auch noch unsere Probleme aufhalsen?

MOCK: Diese Probleme sind uns heute allen gemeinsam. Bei den Gesprächen geht es nicht um das gegenseitige Aufhalsen von Problemen, sondern um Lösungen zum beiderseitigen Vorteil, um Lösungsversuche in internationaler Kooperation und Abstimmung.

FURCHE: Was rechtfertigt Ihre Hoffnungen, daß der Binnenmarkt tatsächlich bis 1992 verwirklicht sein wird?

MOCK: Der EG ist es gelungen, durch die Lösung wichtiger interner Probleme, aber auch durch die Einführung eines flexiblen

Entscheidungsverfahrens die Voraussetzungen für die Verwirklichung des Binnenmarktes zu verbessern. Dennoch sind große Hindernisse zu überwinden. Ich denke da an so dornige Probleme wie jenes der Beseitigung der Steuerschranken. Der einheitliche Binnenmarkt steht aber eindeutig an der Spitze der Prioritätenliste, und seine Vollendung ist eine wirtschaftliche Notwendigkeit für EG-Mitgliedstaaten. Ohne sich an bestimmte Fallfristen zu binden, muß man wohl davon ausgehen, daß es — wenn auch vielleicht mit Verzögerungen — gelingen wird, das ehrgeizige Programm in die Tat umzusetzen.

FURCHE: Wenn Österreich tatsächlich diese engere Bindung mit der EG eingeht, hätte das nicht

Auswirkungen auf die Neutralitätspolitik? Könnten wir dann noch unbelastet die ,ßrücken-funktion“ zwischen Ost und West spielen, wie derzeit in der Wiener Hofburg?

MOCK: Ebensowenig wie eine Vollmitgliedschaft in der EG ist

„Die Europäische Polith sehe Zusammenarbeit ist derzeit nicht aktuell“

für Österreich das Problem einer vollen Teilnahme an der europäischen politischen Zusammenarbeit derzeit aktuell. Dies hindert aber nicht, daß wir uns genau über die politischen Überlegungen informieren oder fallweise in verschiedenen politischen Fragen

oder vor internationalen Foren eine ähnliche Haltung einnehmen. Unser Status der immerwährenden Neutralität und dem als ein Land, das sich der westlich-demokratischen Demokratie zugehörig fühlt, bestimmt unser Handeln. Dies war auch in der Vergangenheit der Fall.

FURCHE: Wie realistisch ist die Verwirklichung der österreichischen Absichten? Könnte es nicht sein, daß beispielsweise Italien, wie schon 1967, wieder Südtirol als Druckmittel ins Spiel bringt, um eine Annäherung zu verhindern?

MOCK: Ich bin durchaus optimistisch, daß es uns gelingen wird, durch eine Vielzahl von Integrationsschritten die Teilnahme an der Integrationsdynamik der EG zu sichern. Der EG-Ministerrat hat sich im Herbst 1986 nachdrücklich zu einem Ausbau der Beziehungen zu den EFTA-Ländern bekannt und als gemeinsames Ziel die Schaffung eines homogenen europäischen Wirtschaftsraumes hervorgehoben. Dies entspricht genau unseren

„Ich sehe keinen Grund, daß man uns Hindernisse in den Weg legen sollte“

Auffassungen, und ich sehe keinen Grund, daß von EG-Seite Österreich künstliche Hindernisse in den Weg gelegt werden sollten. Wir haben mit Italien gutnachbarliche Beziehungen und werden uns auch in Zukunft mit Entschiedenheit für eine volle Erfüllung des Südtirolpaketes einsetzen. Italien hat unseren Annäherungsbemühungen an die EG in den letzten Jahren immer Verständnis entgegengebracht, sodaß ich Ihre Befürchtungen in keiner Weise teile.

FURCHE: Sie stehen an der Spitze der EDU. Im Europäischen Parlament hat aber die EVP, die Europäische Volkspartei, das Sagen. Wie wollen Sie hier Einfluß nehmen?

MOCK: Wie Sie wissen, habe ich von meiner Tätigkeit in der EDU her engen Kontakt mit meinen Parteifreunden aus den Ländern der Gemeinschaft, die vielfach führende politische Rollen spielen. Ich werde auch in Zukunft diese Beziehungen nützen, um über gegenseitige Anliegen zu sprechen. Außerdem haben wir den ehemaligen Bundesminister Lujo Toncic-Sorinj als unsere ständige Kontaktpersönlichkeit zur EVP.

Besonders wichtig für Österreich ist auch der permanente Dialog mit dem Europäischen Parlament, der durch die „Kontaktdelegation“ zwischen dem österreichischen und dem Europäischen Parlament gepflegt wird.

Die Fragen an Vizekanzler und Außenminister Alois Mock richtete Elfi Thiemer.

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