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Obwohl Erfolge nicht zu leugnen sind, so erwiesen sich doch die bisherigen Integrationsregelungen als unzureichend. Es zeigte sich, daß die zugrundeliegenden Integrationskonzepte Freihandelszone, Zollunion, „Gemeinsamer Markt“ und so weiter im Hinblick auf die heutigen Verhältnisse zu kurz gegriffen waren.

Dreißig Jahre nach der Gründung der EWG ist dieser Markt in Wirklichkeit immer noch zersplittert. Dafür gibt es zahlreiche und sehr verschiedenartige Gründe, wie nationale Subventionen, nationale Normen, Regierungskäufe von nationalen Produkten und so weiter. Da Westeuropa gegenüber seiner Konkurrenz aus Ubersee zurückzufallen droht, entschloß sich die EG zu ihrem Binnenmarktprogramm.

Bevor eine Weiterentwicklung der österreichischen Integrationspolitik in Betracht gezogen wird, sollte aber die bisherige Po-

litik überprüft werden, die zu Kritik Anlaß gibt. Als Österreicher im Ausland ist man vielleicht besonders kritisch, aber Österreich treibt unter allen EFTA-Staaten die widersprüchlichste Integrationspolitik.

Einerseits tritt das Land für eine möglichst enge Bindung an die EG ein, jedenfalls verbal, anderseits stehen viele Handlungen dazu im Gegensatz:

• Unter den industrialisierten EFTA-Staaten ist Österreichs Handelspolitik am stärksten pro-tektionistisch: gegenüber Drittstaaten durch die höchsten Zölle und gegenüber Integrationspartnern durch sehr restriktive Regelungen bei Regierungskäufen.

• Österreich versäumte weitgehend eine Strukturanpassung, um in der EG bestehen zu können; Bund und einzelne Länder erschwerten sie sogar.

• Österreichs Juristen lieben die Eigenständigkeit der nationalen Rechtsetzung und berücksichtigen zuwenig das Bedürfnis nach Rechtsharmonisierung in einem westeuropäischen Kontext.

• Ein weiterer Widerspruch liegt bei der währungspolitischen Bindung des Schillings an die D-Mark, ohne daß die „Konsolidierung“ der österreichischen Staatsfinanzen ähnlich wie in der Bundesrepublik vorangetrieben würde. ,

Offensichtlich fehlt also ein konsistentes integrationspolitisches Konzept. Da ist es nur allzu verständlich, daß wieder die Frage diskutiert wird, ob Österreich der EG beitreten solle oder nicht, so als ob damit alle Fragen beantwortet würden.

Die Frage eines allfälligen Beitritts ist vor allem außenpolitischer Natur, aber es gibt selbstverständlich auch wirtschaftspolitische Erwägungen. Als EG-Mitgliedstaat hätte Österreich die besten Voraussetzungen für den Zugang zu den EG-Märkten und zu den EG-Entscheidungsmechanismen, um seine Wirtschaftsinteressen zu vertreten. Dies umso mehr, als der EG sehr daran gelegen ist, alles zu vermeiden, was Regelungen mit Nicht-Mitgliedstaaten als zu attraktiv für diese erscheinen läßt.

Den Vorteilen eines Beitritts stehen aber auch Nachteile gegenüber, wie die Zahlung von bald 1,6 Prozentpunkten der Mehrwertsteuer an die EG, die Einbindung in die geradezu unheimlich werdende EG-Agrarpolitik und die oftmalige Handlungsunfähigkeit der Gemeinschaft in sensiblen Fragen, wie Umweltschutz; von dem enormen zusätzlichen administrativen Aufwand nicht zu reden.

Es ist auch ein Nachteil, sich eng an eine Gemeinschaft zu binden, von der man gar nicht wissen kann, was aus ihr wird, und dies — als Kleinstaat - ohne maßgeblichen Einfluß auf die Entscheidungsbildung: Es liegt auch noch sehr im dunkeln, welche wirtschaftspolitische Entscheidungen in Zukunft auf welchen Ebenen -Gemeinschaft oder Mitgliedstäal — getroffen werden sollen. Diese Unsicherheiten würden jedenfalls ein Abwarten nahelegen.

Dies sollte aber nicht mit Tatenlosigkeit verwechselt werden. Es ist möglich, daß die wirtschaftspolitischen Ziele Österreichs auch außerhalb der Mitgliedschaft in der EG großteils verwirklicht werden können. Als wichtigste Instrumente zählen dazu eine Zollharmonisierung Österreichs mit der EG, wodurch im Handelsverkehr mit der EG auf die beschwerlichen Ursprungsregeln verzichtet werden könnte, und ein „Nachvollzug“ gegenüber den Harmonisierungsmaßnahmen der EG, die die Vollendung des EG-Binnenmarktes bezwecken.

Wo bleibt da die „Mitsprache“ Österreichs? Nehmen wir doch zur Kenntnis, so bedauerlich es , ist: Eine Mitsprache ist außerhalb der EG-Gremien nicht erreichbar. Ich schätze aber den echten „Autonomieverlust“ nicht hoch ein, weil es sich um Sachentscheidungen handelt, bei denen die Einheitlichkeit wichtiger ist als unterschiedliche Meinungen zu relativ winzigen Sachfragen. Eine solche einseitige Annäherung Österreichs an die EG, die es übrigens schon in viel wichtigeren Fragen wie der Bindung der österreichischen Geld- und Währungspolitik an die D-Mark gibt, ist solange erwägenswert, als der EG nicht der Schritt zur Wirtschafts- und Währungsunion gelingt; das heißt, auf absehbare Zeit.

Ob daher eine einseitige Annäherung Österreichs an die EG ein Schritt zum Beitritt oder eine Alternative hiezu ist, könnte erst die Zukunft zeigen.

Der Autor ist gebürtiger Österreicher, Professor für Volkswirtschaftslehre an der Fachhochschule Biberach in der Bundesre-

Sublik Deutschland und Dozent an der [ochschule St. Gallen.

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