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Falsche Gelassenheit

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Die viel größere Gelassenheit der Schweizer in Sachen EG-Beitritt wird, zu Recht, auf den Umstand zurückgeführt, daß die Schweiz über den „Umweg“ ihrer zahlreichen international tätigen Konzerne ohnehin schon ausreichend Standbeine im geplanten Binnenmarkt hätte.

Nun vollzieht sich derzeit bekanntlich eine noch nie dagewesene Verflechtung österreichischer Unternehmen mit ebenfalls bereits im EG-Raum niedergelassenen Firmen. Heißt das, daß jetzt auch wir unser derzeit eher etwas hysterisches EG-Getue durch weltmännische Gelassenheit ersetzen können?

Ich fürchte: keinesweg! Denn zur Schweiz besteht ein kleiner, aber gar nicht feiner Unterschied: Im Falle der Schweiz handelt es sich in der Mehrzahl um Schweizer Konzerne mit Standbein im EG-Raum. Im Falle Österreichs aber leider um EG-Konzerne mit Standbein in Österreich.

Darum ist auch die Gelassenheit, mit der Österreichs Wirtschaftspolitiker diesem sich gerade vollziehenden Ausverkauf der österreichischen Industrie zusehen, unverständlich. Zu erklären ist sie wahrscheinlich nur dadurch, daß noch weit wichtigere Sachfragen den angeblichen 18-Stunden-Arbeitstag der Herren voll in Anspruch nehmen. Beispielsweise, wer nun im Ministerrat zur EG referieren darf, oder wie unsere Kfz-Kennzeichen auszusehen haben.

Die Erklärung des Finanzministers, es sei ausschließlich Sache des CA-Vorstan-des, ob er weitere CA-Anteile ins Ausland verkaufe, und ob das größte österreichische Papierunternehmen, die seit Jahren mit Erfolg arbeitende Leykam AG, in holländischen Besitz übergehe, ist in Wahrheit nur vor einem Hintergrund verständlich (damit aber noch lange nicht entschuldbar): Daß die CA nämlich einen enormen Abschreibungsbedarf für ihre Beteiligung bei der Steyr-Daimler-Puch AG hat, deren Sanierung gut ein Jahrzehnt lang von Kreisky und Co. verhindert wurde.

Der Ubergang eines sehr großen Teiles der österreichischen Papierindustrie in ausländischen Besitz hat aber auch noch einen anderen, bisher wenig beachteten' Aspekt: Einige Anzeichen sprechen dafür, daß die Papierindustrie ihre europaweite Verflechtung nicht bloß zu einer Steigerung ihrer Produktivität, sondern auch zur Erzielung „besserer Papierpreise“ (um das häßliche Wort .freiskartell“ zu vermeiden) benützt.

Wir jammern über die Konzentration auf dem Mediensektor und vergessen, daß auch der preisgünstige Zugang zu Papier ein Teil der Pressefreiheit ist.

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