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Die Hoffnung wurde einmal mehr vertagt

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Die Erwartungen waren gedämpft, daher ist die Enttäuschung nicht allzu groß: Der EG-Gipfel in Kopenhagen hat wieder einmal nichts Konkretes, Neues gebracht. Aber er sollte ja>auch in erster Linie der Vorbereitung dienen, der Abstimmung auf jene gemeinsame Taktik, die die neun im Juli vertreten wollen, wenn die USA, Japan und Kanada zum Weltwirtschaftsgipfel nach Bonn kommen. In Bonn, so hörte man in Kopenhagen, wird man mit Resultaten aufwarten. Die Hoffnung wurde wieder einmal vertagt.

Wie diese Resultate allerdings erreicht werden sollen, muß nach der Verhandlungsrunde in der dänischen Hauptstadt weiterhin rätselhaft erscheinen. Denn was hilft es, daß etwa James Callaghan optimistisch meinte, man sei auf dem „gemeinsamen Weg nach vorne“, daß Anker Joergensen von „gemeinsamer Strategie“ sprach: Man hat sich darauf geeinigt, daß es „wesentlich“ sei, daß die Gemeinschaft Mitte 1979 eine jährliche Wachstumsrate von 4,5 Prozent erreicht. Doch davon, wie man dieses „wesentliche“ Ziel erreichen will, sprach man nur in allgemeinen Ne-' bensätzen, in unverbindlichen Phrasen.

Die „Lokomotiv-Theorie“ ist tot in der EG. Die acht anderen haben eingesehen, daß sie nicht nur darauf warten können, daß Deutschland seine Wirtschaft stimuliert und die anderen auf den fahrenden Zug aufspringen. Die „Konvoi-Theorie“ ist an ihre Stelle getreten. Jetzt sollen gemeinsame Anstrengungen die gefesselten Kräfte freimachen. Dennoch: Den Schlüssel zum Erfolg sehen die EG-Partner weiterhin in Helmut Schmidts Hand. Nur eine Ankurbelung der deutschen Wirtschaft, so meinen sie, läßt die .ominöseruviereinhalb. Prozent jea-. listisch erscheinen.

Schmidt aber hat schon oft „nein“ gesagt, er tat es mit aller Deutlichkeit auch in Kopenhagen. Was Deutschland tun könne, habe es getan. Die Maßnahmen zur Stimulation hätten bereits zu einem Defizit geführt, das vier Prozent des Bruttosozialproduktes betrage. Keine andere „zivilisierte Demokratie“, so Schmidt, habe sich ein derartiges Defizit aufgehalst. Schluß also mit den Träumen der anderen, Deutschland werde den Karren der EG schon aus dem Graben ziehen. Und wenig realistische Hoffnung, daß das Wachstumsziel wirklich erreicht werden wird.

Wenn die viereinhalb Prozent freilich nicht erreicht werden, dann sind die Aussichten für Erfolge bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit düster. Die europäischen Gewerkschafter, deren Präsident Heinz Oskar Vetter am Tag vor dem EG-Gipfel zur Vorsprache beim Gastgeber Anker Joergensen war, halten selbst jene Wachstumsrate, die von den Regierungschefs als optimistisches Maximum angesehen wird (und die ein gutes Stück über den 1,7 Prozent von 1977 liegt), für kaum ausreichend. Vetter wandte sich bei diesem Anlaß mit bemerkenswerten Worten an die Presse.

Man müsse achtgeben, daß die „menschlich-sozialen Probleme der Arbeitslosigkeit“ nicht in politische Probleme umschlagen, meinte der deutsche Gewerkschaftsboß und sah die Gefahr der Radikalisierung drohend größer werden. Und das war Anlaß für Vetter, das System der sozialen Marktwirtschaft in Frage zu stellen. Wenn es nicht gelinge, die sozialen Probleme zu meistern, dann müsse man überlegen, ob die Marktwirtschaft angesichts der Wirtschaftskrise ausreichend sei...

Man hatte bei der EG-Konferenz nicht immer den Eindruck, daß die europäischen Regierungschefs diese harten, warnenden Worte ernst genug nahmen. Die Gewerkschaften hätten nicht mehr viel Zeit, sagte Vetter. Die Vertagung der wichtigen Beschlüsse, wie in Kopenhagen wieder geschehen, scheint angesichts des Ernstes der Lage die allerschlechteste Lösung zu sein.

Nichts Neues also an der Arbeitslosenfront: Gerüchte in Menge dafür über die künftige Form der Valutazusammenarbeit. Ob die „Schlange“ in ihrer derzeitigen Form den Sommer überleben wird, galt in Kopenhagen als äußerst zweifelhaft. Dänemarks Außenminister K. B. Andersen hatte vor kurzem gemeint, wenn noch ein paar Länder die Schlange verließen, dann sei diese wohl nur mehr ein Regenwurm. Jetzt sieht es eher so aus, als würde sie zum Drachen aufgefüttert. Belgiens Leo Tindemans meinte jedenfalls einmal zwischen Tür und Angel, man diskutiere über ein Tier, das noch viel unheimlicher sei als die Schlange. Ist man der „europäischen Rechnungseinheit“ einen entscheidenden Schritt nähergekommen? Von Helmut Schmidt gab's keinen Kommentart Er wolle, Spekulanten nicht Vorschub leisten...

Eine • Israel-feindliche Nahost-Aussage, eine „Erklärung zur Demokratie“, die die pluralistische Demokratie zwar als „wesentliches Element“, nicht aber als unbedingte Voraussetzung für eine EG-Mitgliedschaft bezeichnet, eine Resolution über den Terrorismus, die die Zusammenarbeit bei der Terrorbekämpfung fordert, ohne zu etwas Konkretem zu verpflichten -es war schwer, beim Gipfel in Kopenhagen jenen neuen Wind zu spüren, den politische Meteorologen vorher angekündigt hatten. Die Hoffnung auf Konkretes wurde auf den Juli vertagt, wenn die Bundesrepublik den Vorsitz der EG hat. Kopenhagen diente der Konsultation, den unverbindlichen Gesprächen -und das sei auch der Sinn der Gipfeltreffen, meinte EG-Präsident Roy Jenkins nachher.

Wenn das wirklich der einzige Zweck der Supertreffen sein soll, warum dann dieser Aufwand, dieser Rahmen, warum dann 700 Journalisten aus allen Teilen der Welt, die in gerüchteschwangerer Atmosphäre auf Neuigkeiten warten?

Eine Erneuerung täte der EG gut - inhaltlich und formell.

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