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Bürger fordern Europa heraus
Die Festung Europa, auf die die USA und Japan so ängstlich blickten, ist ins Wanken geraten. Man sollte im Hinblick auf die wirtschaftlichen und integrationspolitischen Turbulenzen ein neues Bild zeichnen: Europa im Strudel der Veränderungen.
Die Antwort auf den immer deutlicher artikulierten Wunsch der Bürger, die eigene Identität bewahren und nicht gänzlich in einem übergestülpten Staat aufgehen zu wollen, sind die Integrationsbetreiber nach Maastricht-Art bisher schuldig geblieben. Weil man nicht abgehen will von dem mühsam gezimmerten Kompromiß, konstruiert man jetzt eben neue Europas: variable Geometrie nennt man dann das Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten, das es anders ja gar nicht geben kann. Was herauskommt, ist dann ein Kleineuropa (die ursprünglichen Sechs der alten EWG) oder ein Kleinsteuropa (Frankreich und Deutschland).
Schlimm ist daran, daß dieses unflexible Beharren auf den engen Maastricht-Rahmen, zur Ideologie degradiert, Möglichkeiten eines Neudenkens von Europa erst gar nicht aufkommen läßt. Das heißt, die verordnete, nicht gewachsene politische, wirtschaftlich-soziale) und außenpolitisch-militärische Union vernebelt den Blick auf neue Herausforderungen. Und der Bürger ist die Herausforderung Europas.
Österreich hat darunter zu leiden. Leidet Österreich? Gewiß jene hierzulande, die meinen, jetzt wäre Gelegenheit, durch EG-Erweiterung eine Bedenkpause für künftige vertiefte Integrationsschritte unter Einbeziehung der nicht mehr zu übergehenden Frontthemen „Flexibilität, Subsidiarität, Transparenz und Identität", zu erreichen.
Da warnt man uns einerseits ständig vor der Isolation (erst kürzlich Willy de Clercq), andererseits hören wir dauernd: bitte warten. Vielleicht ist das ganz gut so. Der Dämpfer trifft jene EG-Euphoriker, die ohne Rücksicht auf die Bürger in vorauseilendem Gehorsam uns die EG aufpfropfen wollen. Allerdings sind solche Dämpfer nicht gerade für jene ermutigend, die ein vielschichtigeres, pluralistischeres, sehr wohl aber geeintes Europa anstreben.
Bundespräsident Thomas Klestil hat in Brüssel nicht die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen EG-Österreich zum von uns anvisierten Termin Anfang 1993 erreicht. Kein Unglück. Österreich muß sich ohnehin erst klar werden, was es will, welche EG es mitzugestalten gedenkt. Der Diskussionsprozeß hat auf politischer Ebene Gott sei Dank bereits eine gewisse Intensität erreicht - jetzt ist eine Vertiefung mit Breitenwirkung dringend erforderlich.
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