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Demokratie in der EG

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Mit dem Signal, das vom „grünen" EG-Sprecher Johannes Voggen-huber kam, ist eine neue Qualität in die Europa-Debatte gekommen. Man kann jetzt auch mit den Griinalternativen argumentieren, ohne gegen eine ideologische Mauer anzurennen. Hier ein Versuch. Man sei nicht grundsätzlich gegen die EG, sondern gegen „diese", heißt es. Eine andere, eine bessere, eine demokratischere EG könnte gutgeheißen werden. Gern wird dazu das Schreckgespenst eines Molochs beschworen, der die Politik der Großstaaten durchboxt und die Kleinen verschlingt. Wie sieht die Wirklichkeit aus?

Die aus 17 Mitgliedern bestehende EG-Kommission, also die „Regierung" der Gemeinschaft, umfaßt derzeit je zwei Mitglieder der größeren und je ein Mitglied der kleineren EG-Staaten. Mindestens neun müssen für eine Vorlage stimmen. Künftig wird jeder Staat unabhängig von seiner Größe nur noch ein Kommissionsmitglied stellen, also werden sieben von zwölf Stimmen Beschlußfähigkeit verleihen. Diese Regelung sichert den kleineren Staaten eine deutlich überproportionale Berücksichtigung ihrer Interessen.

Noch besser für die Kleinen sieht es im EG-Rat aus, der die verbindlichen Rechtsvorschriften beschließt. Wichtige Beschlüsse bedürfen hier sogar der Einstimmigkeit, andere können nur mit qualifizierter Mehrheit gefaßt werden. Die großen Staaten haben je zehn, Spanien acht, die kleineren bis zu fünf Stimmen. Die vorgeschriebene qualifizierte Mehrheit (54 von insgesamt 76) kann von den vier Großen (Frankreich, Großbritannien, Deutschland, Italien) nie erreicht werden, wenn die Kleineren dagegen sind.

Das Europäische Parlament hat derzeit nur recht bescheidene Befugnisse eher beratender Natur. Die für jeweils fünf Jahre gewählten 518 Abgeordneten verteilen sich zu je 81 auf die Großstaaten; Österreich könnte wie die meisten kleineren Mitglieder mit etwa 25 Abgeordneten rechnen. Würde nur von der Bevölkerungszahl ausgegangen, wären es bestenfalls zehn. Die Kleinen sind also auch hier eher überproportional bedient. Aber richtig ist: Im Parlament, wo für viele Entscheidungen die einfache Mehrheit genügt, bekommt der Kleine seine Kleinheit am deutlichsten zu spüren.

Wer eine stärkere „Demokratisierung" der EG fordert, spricht sich für mehr Mehrheitsentscheidungen im Rat und für mehr Befugnisse im Europäischen Parlament aus. Dorthin läuft auch die allgemeine Tendenz. Das geht dann aber auf Kosten der kleineren Mitgliedsländer. Deshalb muß man nicht gleich die Forderung nach Demokratisierung fallen lassen. Aber wissen muß man, wovon man redet. Und erwarten darf man, daß Dänemark, Luxemburg und Österreich künftig in der EG genau so wenig unter die Räder kommen werden wie Vorarlberg oder das Burgenland im österreichischen Parlament.

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