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Neuer Kolonialismus

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Der „Bananenkrieg” ist für Lateinamerika verloren: Seit 1. Juli gelten die über Zölle gesteuerten Importbeschränkungen der EG für die „Dollarbanane”, die aus dem lateinamerikanischen Raum kommt.

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Der „Bananenkrieg” ist für Lateinamerika verloren: Seit 1. Juli gelten die über Zölle gesteuerten Importbeschränkungen der EG für die „Dollarbanane”, die aus dem lateinamerikanischen Raum kommt.

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Österreich darf vorerst noch die gegenüber den Früchten aus Südeuropa, Kreta und den Kanarischen Inseln besseren und billigeren Bananen importieren. Feinkostketten wie Meinl nützen diese Chance, um die gefragte Frucht nach Osteuropa wei-terzuexportieren - womit Österreich kurioserweise statistisch als Bananenexporteur aufscheint.

Bisher lieferten Lateinamerikas wichtigste Erzeuger (Ekuador, Costa Rica, Honduras, Nikaragua, Panama und Kolumbien) an die 2,7 Millionen Tonnen im Jahr nach Europa. Seit 1. Juli werden diese Importe im EG-Bereich gedrosselt. Die Methode: Ein maßvoller Zoll auf die Importmenge bis zwei Millionen Tonnen, ein hoher Zoll auf alles, was darüber liegt. Begünstigt werden damit die Südeuropäer und die AKP-Staaten (also die früheren Territorien von EG-Mitgliedern in Afrika, der Karibik und im Pazifik).

Bisher hatte die „Dollarbanane” aus Lateinamerika am Verbrauch des EG-Raumes von 3,6 Millionen Tonnen jährlich einen Anteil von 60 Prozent. Dieser wird mit den neuen EG-Maßnahmen sinken. So steht das von den Südamerikanern traditionell bewunderte Europa plötzlich als Bösewicht da. Der kolumbianische Außenhandelsminister bezeichnet zum Beispiel die EG-Maßnahme, welche obendrein die Kaufentscheidung innerhalb der Quoten den Importeuren überläßt, als „pervers und diabolisch”, und die sonst maßvolle Tageszeitung „El Especta-dor” leitartikelt in Bogota unverblümt gegen den „wirtschaftlichen Neokolonialismus” der Europäer.

Indes, „San Jose IX”, das bisher letzte Treffen der Außenminister der EG und der Mittelamerikaner, in diesem Fall von Kolumbien, Venezuela und Mexiko unterstützt, das im März 1993 in San Salvador stattfand, machte den Lateinamerikanern deutlich, daß am 1. Juli 1993 nicht zu rütteln sein würde. Tatsächlich hat ein Schiedsgericht des GATT den Lateinamerikanern Recht gegeben. Aber der Gerichtshof der EG hat die Klage von Deutschland - größter Bananenimporteur der EG - abgewiesen. Somit gelten planmäßig seit 1. Juli die diskriminierenden Maßnahmen.

In der allgemeinen Erbitterung, die in Kommentaren gelegentlich in Hysterie umschlägt, will man in Lateinamerika nicht wahrnehmen, daß die EG auf anderer Ebene ihre Hilfsund Kooperationspakete sehr wohl aufstockt. Gerade die Mittelamerikaner werden in den nächsten fünf Jahren mit ansehnlichen Summen für Integrationshilfe, Industriekooperation, Flüchtlingsrepatriierung, friedenssichernde Maßnahmen und Unterstützung bei Demokratisierung rechnen können.

Für Lateinamerika wird dort ein Kompromiß zu suchen sein, wo die Dominikanische Republik bereits experimentiert: Formal zwar der pri-veligierten AKP-Gruppe angehörend, aber von den neuen Bananenprivilegien ausgeschlossen, unternimmt Santo Domingo den Versuch, mit EG-Ausgleichszahlungen kleine Bananenbauer zum Fruchtwechsel zu bewegen. Als Alternativen bieten sich zum Beispiel Tomaten und Erdbeeren an.

Für Österreich sieht es - noch -anders aus: Wir haben das Privileg, die qualitativ gute und preislich günstige „Dollarbanane” aus Lateinamerika zu essen.

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