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Mehr Zuversicht als Skepsis

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„Fünf Groschen für die Milch, 15 Groschen fürs Getreide -wie soll denn ein Vollerwerbsbauer in der EG bestehen?" Die Ängste vor dem neuen Europa sitzen bei unseren Landwirten besonders tief. Ihr Informationsbedürfnis ist groß, wie der Autor des folgenden Beitrages bei zahlreichen EG-Versammlungen der Bauern miterleben konnte.

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„Fünf Groschen für die Milch, 15 Groschen fürs Getreide -wie soll denn ein Vollerwerbsbauer in der EG bestehen?" Die Ängste vor dem neuen Europa sitzen bei unseren Landwirten besonders tief. Ihr Informationsbedürfnis ist groß, wie der Autor des folgenden Beitrages bei zahlreichen EG-Versammlungen der Bauern miterleben konnte.

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Zwei Drittel der Bauern stehen dem EG-Beitritt Österreichs nach wie vor skeptisch bis ablehnend gegenüber: Preisverfall, die Existenzvemichtung von Klein- und Mittelbetrieben und mangelnde Konkurrenzfähigkeit sind die Hauptsorgen. Der dramatische Strukturwandel - in Oberösterreich beispielsweise gingen die Voller-werbsbetriebe von 1980 bis 1990 um 27,5 Prozent auf 16.600 zurück -schürt die „Euroskepsis" noch zusätzlich.

Rund zwei Dutzend EG-Versammlungen in verschiedenen Bundesländern boten mir die Möglichkeit, zirka 5.000 Bäuerinnen und Bauern, ländliche Jugend und viele an Fragen der Land- und Forstwirtschaft interessierte Menschen direkt anzusprechen: Zustimmung, harte Kritik, manche enttäuschende Attacke, aber auch Motivation für die Weiterarbeit sind das Fazit. Die Bauern sind jedenfalls dankbar für die direkte Aussprache. Denn ihre Sorgen sind groß, die Zukunftsperspektiven ungewiß.

„Eine Regierung, die Millionen Schilling für die EG-Werbung ausgibt, ist nicht glaubwürdig!", klagt da eine Bäuerin enttäuscht im oberösterreichischen Eberschwang. Sie zitiert Günther Nenning sowie die Professoren Haiger und Wohlmeyer von der Universität für Bodenkultur, die der europäischen Agrarpolitik mit dem Konzept „Wachsen oder Weichen" ebenfalls wenig Positives abgewinnen können.

Nachdenklich, aber mit einer positiven Grundhaltung, verfolgten 400 südsteirische Maisbauern in Halbenrain die Argumente und Darstellungen: „Österreich und die EG haben in den letzten Jahren unterschiedliche agrarpolitische Strategien angewandt: Unser Land hat in Verfolgung der Zielsetzungen der öko-sozialen Agrarpolitik ökologische, regionale und soziale Aspekte verstärkt berücksichtigt, auf administrative Eingriffe zur Angebotsreduktion beziehungsweise -umlenkung gesetzt und damit wichtige Vorleistungen zur Entlastung der Agrarmärkte erbracht."

Aber das genügt den Landwirten nicht. Immer wieder wollen sie Konkretes hören, wollen die Vor- und Nachteile nachvollziehen können. Besonders interessiert zeigen sie sich an der zukünftigen Rolle der Genossenschaften in der Europäischen Gemeinschaft.

Derzeit ist es schwierig, eine endgültige Bewertung abzugeben. Die Konzeption der EG-Agrarpolitik für die Mitte der neunziger Jahre ist noch nicht abschätzbar, müssen etwa die Bauern in Murau zur Kenntnis nehmen, die in ihren Betrieben überwiegend Milch, Zuchtrinder und Holz vermarkten.

Für sie winken Vorteile durch den Marktzutritt, verbilligte Betriebsmittel, die Chancen eines großen Binnenmarktes für Güter des täglichen Bedarfs (Bauern sind auch Konsumenten) sowie positive Perspektiven für die Forstwirtschaft, die Milch-und Zuchtrindererzeugung.

Bei dieser Veranstaltung überwiegt aber die Sorge über die sich möglicherweise verschlechternde Qualität der Lebensmittel auf dem EG-Binnenmarkt sowie das Vordringen von Imitaten.

Beim Pinzgauer Rinderzüchtertag (800 Besucher) geht es darum, welche Möglichkeiten die österreichische Agrarpolitik in der EG haben kann und wie Einkommenseinbußen ausgeglichen werden können. Die Absichten des Landwirtschaftsministeriums, einen allgemeinen Rechtsanspruch für Förderungen im Landwirtschaftsgesetz zu verankern, werden von den Anwesenden zustimmend zur Kenntnis genommen (rund 500 Millionen Schilling gab es 1987 an Direktzahlungen, 1,1 Milliarden Schilling sind es 1992).

Bei der Generalversammlung des Weitersfelder Maschinenringes im Waldviertel geht es um die zukünftige Politik der pflanzlichen Alternativenförderung. Daß Betriebe in Maschinenringen gute Chancen im neuen Europa haben, akzeptieren sie zufrieden.

Bei einem Referat in der Burgen-ländischen Landwirtschaftskammer in Eisenstadt war anfänglich das Klima im Saal frostig. Kein Wunder. In einem Land, wo bei zwei Drittel der Betriebe die Hofnachfrage nicht gesichert ist und im abgelaufenen Jahrzehnt 45 Prozent der Betriebe den Vollerwerb aufgaben, ist es schwierig, ein EG-freundliches Klima zu verbreiten. Sorgen im Weinbau, die spürbare Konkurrenz aus dem Osten, jahrzehntelang Grenzland sein - all dies hat die bäuerlichen Menschen geprägt und Resignation verursacht. Aber Gesprächsbereitschaft ist da.

Die politischen Parteien wären sicher gut beraten, die EG-Frage nicht zu einem Wettlauf der Werbeagenturen zu stempeln, sondern eine Europaplattform zu schaffen, auf die Menschen zuzugehen und Kritik nicht unter den Tisch zu kehren.

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