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EG-Sorgen auf französisch

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Wer sich in diesen Tagen bei EG-Vertretern in Brüssel aufhält, registriert ein auffälliges Wohlwollen gegen- über unseren Beitritts-Ambitio- nen. Bekannt harte Kritiker des Neutralitätsvorbehaltes halten nun einen Beitritt Österreichs um 1993 jedenfalls für realistisch. Töne, die bis vor kurzem eher selten waren. Aus der Sicht der EG-Kommission, heißt es immer wieder, ist das Neutralitäts-Pro- blem in den Hintergrund getre- ten. Der Ost-West-Konflikt löst sich auf, Neutralität bekommt ein anderes Gewicht.

Also alles bestens? Stehen die Chancen gut, daß wir im Wind- schatten von Helmut Kohl nach der DDR auch gleich in die Ge- meinschaft hineinschwimmen?

Vielleicht. Wenn da nicht ein anderes Problem wäre. Helmut Kohl will zwar kein Elefant im Porzellanladen sein. „Wir wol- len niemanden überrollen", be- tont er immer wieder. Den deut- schen Nachbarn nicht und die EG-Partner nicht. Und in Bonn heißt es: Wir wollen kein deut- sches Europa, sondern ein euro- päisches Deutschland. Also kei- ne Angst vor einer neuen Wirt- schaftsmacht Deutschland.

Bedenken gibt es trotzdem. Zum Beispiel bei den Franzosen. Eine Karikatur im „Express" spiegelt sie wider. Die beiden Deutschland vor dem Traualtar werden gefragt: „Und ihr ver- sprecht, daß ihr eure Nachbarn lieben und ehren werdet?"

Gilt das auch für uns? Wenn sich Helmut Kohl nach dem Wahlsieg seiner Fans in der DDR schon als Großkanzler aller deut- schen Staaten aufspielt - könnte da nicht ein Verdacht aufkeimen? Wenn von zwei deutschen Staa- ten in Zukunft die Rede ist, wird man nicht eigentlich drei mei- nen? Daß Österreich schon rein ivirtschafts- und währungspoli- tisch eng mit der Bundesrepublik verbunden ist, wissen alle. Mehr als zwei Drittel unseres Außen- handels wickeln wir über die Ge- meinschaft ab. Den Löwenanteil davon mit der Bundesrepublik. Der österreichische Schilling folgt bekanntlich auch dem Kurs- verlauf der D-Mark. Daß daher manche in der Gemeinschaft eine österreichische EG-Mannschaft in der Rolle eines Vasallen der neuen Großmacht sehen, ist hin und wieder schon angedeutet worden.

Wir bemühen uns jedenfalls redlich, diesen Verdacht zu ent- kräften, Bonns heimlicher Koali- tionspartner zu sein. Dem Ver- nehmen nach parlieren wir in Brüssel ohnehin schon demon- strativ nur französisch. (Sollten aber nicht so sicher sein, daß sich darüber niemand mo(c)kiert...).

Selbst wenn wir also noch so dementieren - wer harte Politik macht, für den sprechen Zahlen eine überzeugendere Sprache.

Was tun? Manche sehen Öster- reichs Zukunft im Osten. Sollten wir mit anderen Donaustaaten - Ungarn oder der Tschechoslowa- kei - eine gemeinsame EG-Stra- tegie versuchen und Eigenstän- digkeit demonstrieren? Beide haben starkes Interesse an einem Beitritt angemeldet.

Da mag was dran sein. Aber da- gegen verwehren sich in Öster- reich gerade jene Politiker, die sonst so gerne Verbundenheit mit den Donauländern und die Mit- teleuropaidee vertreten. Einmal abgesehen davon, daß eine solche Koalition einen Beitritt verkom- pliziert undverzögert. Da wollen wir lieber doch als „Sonderfall" für die Gemeinschaft gelten.

Die Signale stehen dafür in Brüssel jedenfalls auf Gelb. Al- lerdings müssen auch wir noch selbst viel tun, damit sie auf Grün geschalten werden.

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