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Attraktiveres Heer darf keine zusätzlichen Millionen kosten

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furche: Eines der offenen Probleme in der Koalition ist nach wie vor, wie die Abwanderung der Wehrpflichtigen zum Zivildienst gestoppt werden kann Müßte man nicht, um das Heer attraktiver zu machen, trotz der schwierigen Budgetsituation wesentlich mehr Geld für Investitionen bereitstellen?

vranitzky: In Wirklichkeit geht es darum, im Heer Verbesserungen durchzuführen, die nicht notwendigerweise mit zusätzlichen Millionen unterstützt werden müssen. Ich gehe davon aus, daß zahlreiche junge Männer nach Ableistung des Grundwehrdienstes keine bessere Meinung vom Bundesheer haben als vorher. Das hängt damit zusammen, daß sie die dort verbrachte Zeit für eine nicht sinnvoll verbrachte Zeit erachten. Hier müßte man ansetzen. Da sind einmal die bekannten Leerläufe nach der Grundausbildung und die sogenannten Systemerhalter. Es geht mir weiters um die Ausbildungsinhalte. Es zeigt sich nämlich, daß junge Menschen, die eine gute Ausbildung beim Heer bekommen haben, ihre positive Einstellung behalten. Im Investitionsbereich haben wir ein mittelfristiges Programm ausgearbeitet, das geht in die Verbesserung des Gerätes, um künftig auch für UNO-Einsätze besser gerüstet zu sein.

furche: In den nächsten Monaten steht bei den EG Verhandlungen die Frage der Sicherheäspolüik im Fordergrund - und damit auch die Neutralität Läßt sich jetzt schon ein Ergebnis abschätzen? vranitzky: Wir haben den Antrag gestellt, an der Europäischen Union teilzunehmen. Das heißt, daß wir die EG nicht bloß als einen Export-Im-

portverein betrachten. Die EG muß mehr sein als eine Freihandelszone. Das schließt eine gemeinsame Sicherheit ein. Soweit ist das im Grundsatz in der EG fixiert und wir haben uns zu diesem Grundsatz positiv bekannt. Konkreteres ist aber in der EG selber noch nicht zustandegekommen. Man hat sich vorgenommen, im Jahre 1996 in einer großen interkontinentalen Konferenz nähere Schritte zu setzen. Daher ist es für uns wichtig, 1996 bereits als Mitglied dabei zu sein. Ich meine, daß der Neutrale an einem solchen gemeinsamen Sicherheitssystem teilnehmen und dabei sogar zusätzliche neue Elemente einbringen kann. Ich erwarte daher, daß in den Verhandlungen diesbezüglich keine gröbereri Hindernisse entstehen.

furche: Daß Österreich vor die Alternative gestellt werden könnte Beitritt oder Aufgabe der Neutralität... vranitzky: Ich glaube, daß diese Alternative nicht gestellt wird.

furche: Wie es jetzt aussieht, würde zuerst die Nationalratswahl kommen, danach erst die EG-Volksabstimmung. Die jetzige - und höchtswahrscheinlich auch die nächste Regierung - hat den EG-Beitritt in ihrem Regierungsprogramm Wenn nun die Volksabstimmung negativ ausgeht -welche Konsequenzen werden Sie persönlich und die Regierung ziehen? vranitzky: Ich gehe davon aus, daß wir sowohl als Sozialdemokraten wie auch als Bundesregierung der eu-

ropäischen Integration positiv gegenüber stehen. Das werden wir im Wahlkampf nicht verleugnen. Ich gehe weiters davon aus, daß wir ein für Österreich positives Verhandlungsergebnis in Brüssel erzielen und daher der Bevölkerung empfehlen werden, dieses Verhandlungsergebnis anzunehmen. Darüber hinaus stelle ich keine Überlegungen an.

furche: Die Hiobsbotschaften in der Verstaatlichten reißen nicht ab. Müßte man nicht einen energischen Eingriff wagen, anstatt mit

homöopathischen Mitteln Krebs zu behandeln? vranitzky: Es gibt überhaupt keinen Wirtschaftsbereich, der über Jahre hinweg immer Erfolg hat und von Konjunktureinflüssen vollkommen unbeeinflußt ist. Sogar die bisher weltweite Erfolgsstory von IBM ist in größten Troubles, Zehntausende Arbeitsplätze wurden vernichtet -ebenso in der deutschen Automobil-und Stahlindustrie. Wir haben aber im Bereich der Verstaatlichten Industrie im großen und ganzen nur ein gravierendes Problem, das sind die Verlustes der AMAG - sonst wäre die Verstaatlichte in einer viel mehr überschaubaren und bewältigbaren Situation. Das Gebot der Stunde ist aber nicht ein chirurgischer Eingriff, sondern die Standortabsicherung, gerade angesichts der Ostöffnung und der In-ternationalisierung. Wir müssen den Weg der Öffnung fortsetzen, um Investoren zu bekommen. Hier muß

der industriellen Phantasie jeder Freiraum gegeben sein.

FURCHE: Wurde nicht auch wertvolle Zeit verspielt? Bereits im Herbst 1992 war klar, daß die AMAG auf ein Debakel zusteuert und daß sich die Dividendenrückzahlung der Verstaatlichten an den Finanzminister nicht ausgehen wird..

vranitzky: Sie meinen die 3,4 Milliarden ans Budget. Diese nicht möglichen Dividendenzahlungen sind nur ein Aspekt. Bei der AMAG hat sich herausgestellt, daß das (mittlerweile abgelöste, Anm. d. Red.) Management nicht in der Lage war, die Fakten so zu erarbeiten, daß daraus eine Strategie abgeleitet werden kann. Ich widerspreche Ihnen gar nicht, wenn Sie sagen, es ist Zeit ungenützt verstrichen. Aber es waren keine brauchbaren Entscheidungs-grundlagen vorhanden.

furche: Ist es nicht ein Grunddilemma der Politik, daß, bis Maßnahmen greifen, man eigentlich schon wieder um zwei Jahre zu spät ist Sie stehen ein Jahr vor der Wahl vor der Situation, daß die Leute in den Betrieben Sicherheit wollen. Eigentlich kann man aber keine definitiven Antworten geben.

vranitzky: Weil das auch nicht möglich ist. Wir können weder in der Regierung noch im Parlament entscheiden, ob der Aluminiummarkt im Jahre 1994 blühen oder darniederliegen wird. Da gibt es keinen Unterschied zwischen Privatwirtschaft und Verstaatlichter.

Das Gespräch mit Bundeskanzler Franz Vranitzky führten Norbert Stanzel und Hannes Schopf.

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