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Die abgewandte Seite des EU-Forschungsschillings

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El in Blick auf den Artikel 130f des Vertrages von Maastricht J enthüllt, welche Probleme die Teilnahme Österreichs an der europäischen Forschungs- und Technologiekooperation mit sich bringen könnte. Denn die EU verfolgt im Bereich der Forschung das Ziel, „die wissenschafthchen und technologischen Grundlagen der Industrie zu stärken und die Entwicklung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit zu fördern". Im Gegensatz zu den österreichischen Forschungsförde-rungskriterien zählt also weniger der wissenschaftliche als der wirtschaftliche Aspekt. So ist zu befürchten, daß die „reine" Grundlagenforschung, wie auch die Geistes- und Sozialwissenschaften auf der Strecke bleiben könnten.

Verstärkt wird diese Problematik dadurch, daß die Wissenschaftler in Österreich über wichtige Ziele und Finanzierung eines Projektes in der Regel als Teil eines autonomen Körpers entscheiden. In Brüssel hingegen fungiert der Wissenschaftler als ein von der Administration dazu ge-betener Berater.

Dies zeigt sich deutlich anhand der „gesellschaftspolitischen Schwer-)unktforschung", die im vierten \ahmenprogramm erstmals aufgenommen wurde. Deren Hauptziele sind laut einer Informationsbroschüre des österreichischen Büros für internationale Forschungs- und Technologiekooperationen (BIT) die gesellschaftliche Integration neuer Technologien und die Prognose gesellschaftlicher Sch werpunktsetzun -gen als Maßnahme zur Politikerberatung. Auch hier entscheidet der politische Nutzen über die Förderungswürdigkeit eines Projektes. Seitens der Geisteswissenschaften wäre daher eine eingehende Diskussion begrüßenswert, inwieweit eine Integration in die EU-Programme generell erstrebenswert ist. Und ob es möglich wäre, daß der „scientific community" trotz Anerkennung der wirtschafts- und forschungspolitischen Ziele der EU ein stärkeres Engagement zukomme.

Die besorgniserregendste Frage stellt sich jedoch hinsichtlich der Finanzierung. Derzeit ist die Beteili-

fung der heimischen Wirtschaft an U-Programmen noch zu gering. Laut Angaben des Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (FWF) sind derzeit 58 Institute und 30 Kliniken eingebunden, jedoch nur 24 Industrieunternehmen. Eine Steigerung dieser Aktivitäten ist zwar erklärtes Ziel des BIT, allerdings dürfte dies ein strukturelles Problem sein, da Österreichs

Wirtschaft vorwiegend von Klein-und Mittelbetrieben bestritten wdrd, die kaum über die notwendigen Kapazitäten für angewandte Forschung verfügen. Wie sollen die investierten 700 bis 800 Millionen Schilling ohne geeignete Unternehmen refundiert werden? Zudem ist nicht auszuschließen, daß Förderungsmittel für den EU-Beitritt teilweise zu Lasten der nationalen Forschungsförderung gehen könnten. Die Auflage, sich diese Mittel durch Beteiligung an EU-Programmen wieder zurückzuholen, könnte zwangsläufig zu einer Verlagerung der Interessen in der heimischen Forschung führen. Denn selbst mit der brillantesten philologischen Studie wird sich kein Geld aus Brüssel holen lassen. Es sollte daher darauf geachtet werden, daß sich die vielfältige, wissenschaftliche Landschaft Österreichs auf langę Sicht nicht zur EU-Einöde verwandelt.

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