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Wir müssen in Europa härter und selbstbewußter werden

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Selbst wenn es erst unlängst für die Niederösterreichische Lan-deshauptstadtplanungs-GesmbH (NÖPLAN) Kritik aus Brüssel gab: Insgesamt ist Österreich auf dem besten Weg zum „Musterschüler", was die EU-konforme Ausschreibung von öffentlichen Aufträgen betrifft. Zu diesem Ergebnis kommt eine von „euroSEARCH Wien - Brüssel", einem auf „EU-Informationsmanagement" spezialisierten Unternehmen, erstellte Studie. Während aber immer mehr ausländische Anbieter sich an österreichischen Ausschreibungen beteiligen, nützen österreichische Firmen diese Möglichkeit im EU-Ausland noch viel zu wenig.

Laut EU-Richtlinie müssen alle öffentlichen Aufträge ab einer bestimmten - nach Art der Leistung unterschiedlichen - Größenordnung EU-weit ausgeschrieben werden. Die Kritik aus Brüssel, die NÖPLAN habe das beim „Landeshauptstadt-Projekt" in St. Pölten verabsäumt und heimische Firmen bevorzugt, stellt Niederösterreich nun vor einige Schwierigkeiten. Denn aufgrund der „alten", noch nicht EU-konformen Ausschreibungen dürfen keine Zuschläge mehr erteilt werden, die planmäßige Fertigstellung der Arbeiten könnte gefährdet sein. Dabei war aus niederösterreichischer Sicht das bisherige Vorgehen völlig legal. An der Planung und Errichtung des Verwal-tungs- und Kulturzentrums in St. Pölten wird seit 1986 gearbeitet, die Vergaberichtlinien für dieses Projekt wurden lange vor dem Beitritt Österreichs zum EWR festgelegt. Seit 1994 werden - so die niederösterreichische Landeskorrespondenz - durch einen Zusatz im Ausschreibungstext auch ausländische Unternehmen zum Mitbieten eingeladen, im Dezember 1995 paßte die NÖPLAN ihre Richtlinien den EU-Vorschriften an. Zu spät, meint Brüssel. Das niederösterreichische Vergabegesetz, das für zum Beitrittszeitpunkt bereits laufende Projekte eine Übergangsregelung enthält, wird nun geändert; die Probleme auf der Großbaustelle in der Landeshauptstadt löst das leider nicht.

Von solchen Einzelfällen abgesehen, ist Österreich im EU-Ausschreibungswesen auf der „Überholspur". Im Vorjahr wurden 1.316 öffentliche Aufträge von Österreich EU-weit ausgeschrieben. In einem Beobachtungszeitraum von 1. April bis 18. Dezember 1995 gingen laut euroSEARCH von 378 vergebenen Aufträgen 22 an ausländische Unternehmen und 16 an gemischte österreichisch-ausländische Anbietergruppen, der Trend geht eindeutig in Richtung „Internationalisierung".

Das bedeutet aber auch, daß sich österreichische Unternehmen in Zukunft mehr als bisher um öffentliche Aufträge im EU-Ausland bemühen müssen. Die Bundeswirtschaftskammer übermittelt interessierten Unternehmen zwei Monate lang kostenlos per Fax alle in Betracht kommenden Ausschreibungen, danach ist der Anschluß an die „TED-Datenbank" möglich, die alle EU-weit bekanntgemachten Ausschreibungen enthält.

Dennoch treten heimische Unternehmen vorerst nur zögernd in diesen Markt ein, der immerhin einem Anteil von zwölf bis 15 Prozent des Bruttoinlandsproduktes der EU-Staaten entspricht. Als Ursachen ortet euro-SEARCH-Mitarbeiter Bart Vaesen Informationsmängel und oft irrationale Berührungsängste. „Allein die Aussicht, an Behörden eines fremdsprachigen Landes lie fern zu müssen, schreckt viele Unternehmer ab", weiß Vaesen aus seiner Beratungstätigkeit. Selbst Bedenken hinsichtlich des Auftragsvolumens seien nicht immer begründet: „Bei Großaufträgen sind oft mehrere Teillieferungen , über einen langen Zeitraum ' zu erbringen. Das könnten auch mittlere Unternehmen schaffen."

Erste Fortschritte sind erkennbar. Die euroSEARCH-Untersuchung weist - ohne Anspruch auf Vollständigkeit - im Beobachtungszeitraum elf EU-Vergaben an österreichische Anbieter aus. Die Wettbewerbsfähigkeit heimischer Unternehmen auch in diesem Bereich ist ohnehin längst bewiesen. Nur ein Beispiel: Steyr-Daimler-Puch liefert in diesen Wochen 465 Mannschaftstransporter an

Die Britische Armee. Auch bei der Ausschreibung für 728 geländegängige Ambulanzfahrzeuge - Auftragsvolumen rund 500 Millionen Schilling -war der österreichische Hersteller hinsichtlich der technischen Qualität seiner Fahrzeuge klarer Sieger über den britischen Mitbewerber Rover. Daß

dann doch letzterer zum Zug kam, stieß selbst in Großbritannien zum Teil auf Kritik. Denn für Rover sprach vor allem ein Argument: die Sicherung heimischer Arbeitsplätze. Das mag zwar verständlich sein, paßt aber nicht zum Binnenmarkt-Gedanken.

Zu einer Überprüfung dieser Entscheidung in Brüssel wird es dennoch nicht kommen. Großbritannien beruft sich auf Sonderbestimmungen für den Verteidigungsbereich, die Firma Steyr macht - wohl wegen der bestehenden Geschäftsverbindung -gute Miene zum zweifelhaften Spiel. Unser Gesprächspartner bei Steyr zeigte sogar Verständnis: „Hand aufs Herz, hätte Österreich nicht genauso gehandelt?" Vielleicht. Offen bleibt jedoch, ob ein britischer Bestbieter mm derartiges ebenso großmütig hingenommen hätte.

Osterreich steht als junges EU-Mitglied - zu Recht - auf dem Prüfstand, was die Umsetzung der Unionsrichtlinien betrifft. Aber auch in den anderen EU-Staaten ist der Prozeß des / Umdenkens längst nicht abge-fr schlössen, österreichische Anbieter werden sich vermehrt auch damit auseinandersetzen müssen. Die Chancen sind vorhanden - mehr Selbstbewußtsein ist gefragt.

Die „Henke euroSEARCH Informationsmanagement GmbH", Wien-Brüssel, 1060 Wien, Köstlergasse 1/30, bietet Unternehmen entsprechend aufbereitete Informationen über EU-Normen an und betreut Firmen, die an öffentlichen Ausschreibungsverfahren teilnehmen wollen.

Dr. iur. Christine Kary

ist freie Mitarbeiterin der Furche.

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