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Österreicher in Brüssel

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Reger Verkehr zwischen Wien und Brüssel: Die Österreicher entdecken die EU-Metropole. Ein Dossier für Brüssel-Kenner & -Anfänger.

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Reger Verkehr zwischen Wien und Brüssel: Die Österreicher entdecken die EU-Metropole. Ein Dossier für Brüssel-Kenner & -Anfänger.

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In allen EU-Institutionen sind Österreicher vertreten. Zwar sind noch nicht alle Planstellen besetzt, aber in Brüssel werden zirka 750 österreichische Beamte in den verschiedenen Bereichen der EU-Kommission tätig sein. Etwas weniger werden im Europäischen Parlament die rotweiß-rote Fahne hochhalten. Darüber hinaus arbeiten rund 100 Beamte in der Ständigen Vertretung Österreichs. Die Ständige Vertretung (früher: Mission) ist rechtlich gesehen die Botschaft Österreichs bei der EU. In den Verbindungsbüros der Bundesländer arbeiten insgesamt etwas mehr als 20 Beamte. Weitere Österreicher verdingen sich in den Büros der Nationalbank, der Wirtschaftskammer, des ÖGB und der Industriellenvereinigung, um nur die wichtigsten zu nennen. Banken und private Lobbies tragen nicht unwesentlich zu der seit den EU-Verhandlungen deutlich gestiegenen österreichischen Präsenz bei. Heute leben etwa 2.500 Österreicher in Brüssel, inklusive mitgereiste Familienmitglieder.

Diese Präsenz hat natürlich ihren Preis. Miete beziehungsweise Ankauf von Gebäuden und nicht zuletzt die durch die saftigen Auslandszulagen erhöhten Beamtengehälter sind keine Kleinigkeit. Eine Kosten-Nutzen-Bechnung aufzustellen, ist jedoch unmöglich. Man geht zwar allgemein davon aus, daß sich der Aufwand (auch finanziell) lohnt, nur direkt beweisen läßt es sich nicht. Daß aber sogar die sparefrohen Vorarlberger Überlegungen anstellen, nicht doch ein eigenes Büro in Brüssel einzurichten, soll zu denken geben. Denn die kurze Zeit seit dem EU-Beitritt Österreichs hat gezeigt, daß nur eine ständige Präsenz in Brüssel ein Mitwirken am Projekt Europa ermöglicht.

Erich Korzinek, Leiter des Steiermark-Hauses (über das Steiermark-Haus berichtete die furche bereits im Dossier „Die Steiermark ist weiblich, Furche 26/1995, Seite 15), zieht eine erste Bilanz: „Es zeigte sich in den ersten Monaten bisher die absolute Notwendigkeit der Errichtung eines Verbindungsbüros. Die Fristen für das Einreichen von Fördermitteln sind sehr kurz, daher ist es wichtig, daß man die Informationen schnell bekommt. Andernfalls riskiert man unter anderem den Verlust von Fördermitteln."

Zu den fix in Brüssel ansässigen Gesandten und Wirtschaftsvertretern kommt die nicht eruierbare Zahl der Beamten, die zwischen Osterreich und Brüssel pendeln, um an Sitzungen und Ausschüssen teilzunehmen. Der finanzielle Aufwand dieser Dienstreisen ist beachtlich, auch wenn mit Fluglinien und Hotels Sondertarife ausgehandelt wurden. So zahlen zum Beispiel österreichische Beamte im besten Hotel der Stadt nur etwas weniger als ein Drittel des normalen Tarifs.

Die Idee der Einrichtung eines eigenen Beamtenhotels, in dem Dienstreisende volkswirtschaftlich günstiger als etwa im Hilton untergebracht werden könnten, war für die seinerzeitige Staatssekretärin Brigitte Ederer kein Thema: „Ich glaube nicht, daß die Republik Österreich in Brüssel ein Hotel betreiben sollte. Das würde doch erhebliche Probleme mit sich bringen. Auch die Öffentlichkeit würde das kaum verstehen. Und denken Sie nur an die Presse. Da gibt es dann gleich wieder Geschichten, wie sich die Beamten aufführen und ähnliches. Da sind normale Hotels doch viel sicherer. Es gibt hier prinzipiell zwei Modelle. Das eine, daß die Beamten ständig in Brüssel sind, das andere, daß sie pendeln. Ich bin ein Verfechter des zweiten Modells, weil es besser ist, wenn die Entscheidungsfindung nicht nach Brüssel verlegt wird, sondern in Wien bleibt. Ich bin ungefähr einmal pro Monat nach Brüssel gefahren, aus dem Staatssekretariat fahren ungefähr fünf Mitarbeiter einmal in der Woche, fünf weitere alle zwei Wochen nach Brüssel. Aber die übernachten ja nicht immer dort. Und reißen, tut sich um diese doch recht anstrengenden Dienstreisen keiner."

Auch die Fluglinien bieten Sonderkonditionen an. Zwar hüllt man sich allerorts in Schweigen, der angebotene „Dienstreiserabatt" dürfte aber recht beachtlich sein. Immerhin profitieren auch die Fluglinien von den sprunghaft gestiegenen Passagierzahlen. Waren es 1990 42.632 Passagiere, die die Strecke Wien-Brüssel beflogen, so stieg diese Zahl bis 1994 auf 78.807 Passagiere an. Das Aufkommen hat sich also innerhalb von nur vier Jahren fast verdoppelt. Im gleichen Zeitraum stieg der Linienverkehr von 702 auf 1.734 Flüge pro Jahr. Und die Passagiere sind fast durchwegs dienstlich unterwegs. Wieviele der Beisenden letztlich Beamte sind, läßt sich nicht bestimmen, da von den jeweiligen Ministerien und Landesregierungen keine Statistiken erstellt werden. Die Destination Brüssel, die derzeit von AUA, LAUDA, SABENA und EBA zehnmal täglich angeboten wird, wird jedoch sicherlich ein Benner bleiben.

Der Autor dieses Dossiers

ist zur Zeit AHS-Lehrer in Wien. Er ist Absolvent des Schuman-Instituts in Brüssel für Journalistenausbildung und kennt die EU-Metropole, Beamtenwesen und Lebensart aus eigener Anschauung sehr gut

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